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ZDK-Präsident Jürgen Karpinski: Verlustausgleich "muss kommen"

28.08.2017 16:00 Uhr
ZDK-Präsident Jürgen Karpinski: Verlustausgleich "muss kommen"
ZDK-Präsident Jürgen Karpinski in seinem Frankfurter Büro. Als bekennender Motorradfan freut er sich über das neueste Kultmotorrad Horex VR6-SilverEdition. Diese werden in Landsberg produziert. Gegenüber vom Horex-Museum, dem eigentlichen Horex-St Horexstandort in Bad Homburg wurde 2016 ein Horex-Flagshipstore eröffnet.
© Foto: Prof. Hannes Brachat

AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach mit ZDK-Präsident Jürgen Karpinski in Frankfurt über die aktuelle Branchenszenerie.

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Von Prof. Hannes Brachat

ZDK-Präsident Jürgen Karpinski hat seine Firmenzentrale in Frankfurt. Die IAA rückt vom 14. bis 24. September 2017 ins automobile Rampenlicht. AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach mit ihm in Frankfurt über die aktuelle Branchenszenerie: Botschaften der IAA, Diesel-Nachrüstung, realistische Verbrauchsangaben bei den Fahrzeugen, Restwertverluste, Verbandsklagen, zukunftsgerichtetes Geschäftsmodell Handel, ZDK-Arbeitsprioriäten, digitale Spielregeln für den Vertrieb, GVO 2022-2023.

AH: Was ist die Botschaft bzw. sind die Botschaften des ZDK-Präsidenten für die anstehende 67. IAA in Frankfurt?

Jürgen Karpinski: Die IAA bietet den teilnehmenden Herstellern, Importeuren und Zulieferern die große Chance, maßgeblich zur Versachlichung der Diesel-Diskussion beizutragen. Darüber hinaus wünsche ich mir einen ehrlichen Zustandsbericht zur Elektromobilität. Wann kommen bezahlbare Fahrzeuge mit praxisgerechter Reichweite, und wie steht es um die Lademöglichkeiten? Und nicht zuletzt ist die Digitalisierung und zukünftige Vernetzung der Fahrzeuge im Straßenverkehr ein faszinierendes Thema, für das ich mir persönlich neue Erkenntnisse erhoffe.

ZDK-Forderung: Diesel-Nachrüstung

AH: Wie stellt sich der ZDK die Umsetzung der Nachrüstung von fünf Millionen Dieselfahrzeugen vor. Der erste "Dieselgipfel" hat offensichtlich nicht die erforderliche Umweltwirkung?

Jürgen Karpinski: Zunächst sind da noch offene Punkte: Wann gibt es die Freigaben der Software-Updates? Oder kommt es letztendlich doch zu Hardware-Lösungen, wie wir sie fordern? Und wie wird diese freiwillige Nachrüst-Aktion von den Kunden angenommen? Die Vertragswerkstätten stehen bereit. Dabei muss eines klar sein: Die Kosten dafür dürfen keinesfalls bei den Vertragswerkstätten hängenbleiben. Das gilt übrigens auch für die Verschrottungsprämien, die Hersteller und Importeure ausgelobt haben. Bei den meisten Importeuren muss der Handel einen beträchtlichen Teil der Prämien übernehmen. Das widerspricht klar dem Verursacher-Prinzip: Der Handel hat den Schaden nicht angerichtet und ist daher von solchen Kostenbeteiligungen freizustellen.

Realistische Verbrauchsangaben

AH: Welche Politik verfolgt der ZDK in Sachen echter Verbrauchswerte von Automobilen?

Jürgen Karpinski: Mit Einführung des Real Driving Emissions-Verfahrens (RDE), das ab September dieses Jahres in Kraft tritt, werden erstmals die Schadstoffemissionen von neu typgeprüften Pkw-Modellen auch auf der Straße gemessen und begrenzt. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Klarheit und Transparenz, und es trägt dazu bei, um das verlorengegangene Vertrauen der Kunden wiederzugewinnen. Und für dieses Vertrauen in die jeweilige Marke haben wir Vertragshändler in den vergangenen zwei Jahren seit Beginn der Abgas-Krise wie die Löwen gekämpft und tun dies weiter unverdrossen. Gedankt wird es uns von den Herstellern und Importeuren nicht.

Restwertverluste

AH: Kommt das erste Dieselfahrverbot, werden die Restwerte im Dieselbereich noch tiefer sinken. Wo bleibt der Verlustausgleich für den Handel?

Jürgen Karpinski: Der muss kommen, keine Frage. Wir haben per Blitzumfrage ermittelt, dass zurzeit mehr als 300.000 Euro 5-Diesel bei den Vertragshändlern auf den Höfen stehen. Dahinter steht ein geschätzter Gesamtwert von rund 4,5 Milliarden Euro. Diese Autos stehen sich die Reifen eckig, weil die Kunden verunsichert sind und einen großen Bogen um diese Fahrzeuge machen. Niemand weiß im Moment, ob und unter welchen Bedingungen diese Fahrzeuge von Fahrverboten betroffen sein werden. Eins ist jedoch klar: Die Vertragshändler haben den Schaden und müssen die Suppe auslöffeln, die uns die Hersteller eingebrockt haben. Das hat mit fairer Partnerschaft nichts zu tun, daher muss dringend eine adäquate Lösung gefunden werden.

Verbandsklagen

AH: Die Deutsche Umwelthilfe, Ihr Lieblingsverein, hat die Lizenz, als Verband Klage führen zu dürfen? Wann beschafft sich der ZDK dieselbe Lizenz, um z.B. Restwertklagen, voller Leistungsausgleich im Garantiefall usw. im Interesse der Branche einzufordern?

Jürgen Karpinski: Als sogenannte "qualifizierte Einrichtung" beruft sich die DUH bei den mehr als ärgerlichen Abmahnungen im Rahmen der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordung auf die Einhaltung umweltbezogener Verbraucherschutzvorschriften. Wir verfolgen diese Praxis natürlich sehr genau und prüfen fortlaufend, ob sie die gesetzlichen Voraussetzungen tatsächlich erfüllt. Einer  "Lizenz zur Klage" bedarf es für den ZDK dagegen nicht. Es existieren gesetzliche Möglichkeiten, um die Interessen der Kfz-Betriebe, wie etwa bei unwirksamen AGB oder unlauterem Wettbewerb, mit Rechtsmitteln durchzusetzen. Hiervon machen wir natürlich auch Gebrauch, wie die Vergangenheit immer wieder gezeigt hat. Beispielhaft sei die Klage gegen die Rückkaufverpflichtung von Leasingrückläufern zu einem festgelegten Restwert genannt. Zu meinem großen Bedauern hat der  Bundesgerichtshof die Klage zu Lasten der Kfz-Betriebe entschieden. Dieses Beispiel zeigt, dass sich bestimmte Themen, die die Kfz-Betriebe in der Praxis zwar ausgesprochen belasten und verärgern, nicht automatisch auch von den Gerichten als unzulässig angesehen werden.

Dies gilt auch für die Garantievergütung der Kfz-Betriebe. Natürlich fordert der ZDK auch hier einen vollen Leistungs- und Gewinnausgleich. Diese Forderung klageweise durchzusetzen, ist jedoch nicht einfach und es wäre keineswegs sicher, dass ein solches Urteil, welches sich zwangsläufig auf einen oder mehrere Kfz-Betriebe beziehen müsste, auch eine Breitenwirkung für alle anderen Kfz-Betriebe entfalten würde. Zudem muss immer auch im Auge behalten werden, welche negativen Auswirkungen ein klageabweisendes Urteil für die gesamte Branche haben kann. Es bedarf daher einer genauen Abwägung und Prüfung der Erfolgsaussichten von potentiellen Klagen und sonstigen Rechtsmitteln. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass der ZDK dies zum Wohle der Branche weiterhin tun wird.

Geschäftsmodell Handel

AH: Der Handel – sprich ein Spezialausschuss im ZDK will im Rahmen der IAA das "neue Geschäftsmodell" für die Branchenzukunft vorstellen? Was ist da zu erwarten?

Jürgen Karpinski: Die Fachgruppe Fabrikatsvereinigungen wird sich am 13. September in Frankfurt am Main zu einer Sitzung treffen, auf der die ersten Ergebnisse der Arbeitsgruppe zu den Themenfeldern zukünftige Geschäftsmodelle/ Konnektivität vorgestellt werden. Die Arbeitsgruppe arbeitet konkret an vier Modulen. Zwei davon werden präsentiert, für die beiden übrigen braucht die Gruppe um Thomas Peckruhn noch etwas Zeit. Aber nach der Sitzung in Frankfurt gehen wir mit den Ergebnissen an die Öffentlichkeit.

ZDK-Prioritäten

AH: Sie wurden im Juni für eine zweite Periode in Ihrem Amt bestätigt. Was ist Ihre Zielsetzung, Ihr Arbeitsprogramm für die anstehende Periode?

Jürgen Karpinski: Auf der Mitgliederversammlung Mitte Juni in Montabaur habe ich die Themen Diesel, Daten, Digitalisierung und Disruption benannt. Und ich habe mich klar dazu bekannt, dass der Automobilhandel schon deswegen gestärkt werden muss, weil er an der Schnittstelle zwischen Produzent und Konsument eine in beide Richtungen vermittelnde und agierende Aufgabe hat. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, hat er hohe Investitionen in Materialien und Menschen zu leisten. Mit anderen Worten: Der Handel muss schon allein aufgrund seiner Funktion gestärkt werden. Wenn sie die aktuelle Diesel-Diskussion verfolgen, dann wird klar, was ich meine: Klare Kante gegenüber den Herstellern und gegenüber der Politik ist unverzichtbar.

Digitale Spielregeln

AH: Der ZDK war in Sachen virtueller Vertrieb beim Bundeskartellamt vorstellig. Weshalb werden die eigentlichen Lieferanten, bitte auch die „dunklen Händler“ dem Kunden nicht vor Unterzeichnung des Vermittlungsauftrages bekannt gegeben? Wo bleibt die Kundentransparenz?

Jürgen Karpinski: Wir haben uns mehrfach an das Bundeskartellamt gewandt, weil wir der festen Überzeugung sind, dass Autohändler, die sich über Neuwagenvermittlungsplattformen im Internet Kunden zuführen lassen, regelmäßig gegen ihren Händlervertrag verstoßen. Diese Vertragswidrigkeit ergibt sich daraus, dass in den meisten Händlerverträgen die Einschaltung eines ständigen Vermittlers beim Vertrieb der Fahrzeuge ohne Zustimmung des Herstellers untersagt ist. Genau um einen solchen ständigen Vermittler handelt es sich nach unserer Auffassung bei diesen Plattformbetreibern. Das Bundeskartellamt teilt  diese Meinung leider nicht. Und dies ist für mich vollkommen unverständlich. Vielmehr geht es davon aus, dass die Vermittlungsportale nach erfolgtem Kundenauftrag zunächst selbst einen passenden Händler suchen, der den vom Endkunden gewünschten Wagen zu dem gewünschten Preis anbieten kann. Erst wenn dieser gefunden wurde, erfolgen der Kaufvertrag und die weitere Abwicklung des Geschäfts unmittelbar zwischen dem Händler und dem Endkunden. Insoweit sieht das Bundeskartellamt auch grundsätzlich kein Problem darin, dass dem Kunden auf den Internetportalen erst am Ende des Prozesses der konkrete Händler genannt wird.  Aber letztlich trägt unsere damalige Aktion ja schon Früchte. Denn einige Portale haben ihre Prozesse so umgestaltet, dass offensichtlich tatsächlich erst im Kundenauftrag ein passender Händler gesucht wird.

GVO 2022 - 2023

AH: Ist die GVO 2022 - 2023 für den ZDK bereits ein Thema?

Jürgen Karpinki: Für unsere Branche  gibt es ja zwei GVOs, die eine ist die Schirm-GVO für den Kfz-Handel, die für 2022 auf der Agenda steht. Das ist das näherliegende Thema für CECRA in Brüssel und natürlich auch für den ZDK, da wir ja bei CECRA mit Antje Woltermann als Vizepräsidentin sehr prominent und wirkungsvoll vertreten sind. Das zweite Projekt ist die  2023  auslaufende Aftersales-GVO. Sie spielt aktuell eine noch nicht so prominente Rolle, obwohl wir uns zu gegebener Zeit selbstverständlich wie gewohnt engagiert und kompetent in die Diskussionsprozesse einbringen werden. Aber ich muss sagen, dass wir im Moment in Brüssel größere Baustellen haben als die beiden GVOs. Unsere wichtigste Baustelle ist derzeit der Zugang zu Daten. Aber wir beschäftigen uns auch mit Franchising und evtl daraus ableitbaren Regelungen zum Vorteil des Handels. Darüber hinaus geht es um Verbraucherrechte (u.a. beim Onlinekauf), die sich negativ auf den Handel auswirken könnten. 

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KOMMENTARE


Gerhard Lustig

28.08.2017 - 22:37 Uhr

Klug gefragt von Prof. Brachat! Dürftig beantwortet von Herrn Karpinski. Wenn der angeblich so starke ZDK kaum durchschlagende Erfolge bei den Gerichten und Institutionen vorweisen kann, muss sich der Autohandel auf weiter wachsende Probleme gefasst machen. Dazu kommt, dass sich die großen Händler zu Lasten der Kleinen mit den Herstellern ihre eigene Vertriebswelt schaffen.


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