2020 gab es für den Autohandel wenig zu lachen. Einbußen im zweistelligen Prozentbereich waren bei vielen Herstellern und deren Partnern im Handel keine Seltenheit. Ganz anders sah es hingegen im Wohnmobil-Bereich aus: Seit Urlaub in Hotels sowie Flugreisen kaum noch möglich sind, erlebt die Branche einen ungeahnten Boom: Im gesamten Jahr 2020 wuchsen die Wohnmobil-Neuzulassungen monatlich im Schnitt um 69,6 Prozent. Im Dezember – kurz vor dem Auslaufen der Mehrwertsteuer-Senkung – schossen sie sogar um 189 Prozent nach oben, auf 4.844 Einheiten. Insgesamt kamen so im Jahresverlauf 76.225 der Fahrzeuge neu auf die Straßen. Und auch im aktuellen Jahr deutet wieder alles darauf hin, dass sich mit Wohnmobilen ein gutes Geschäft machen lässt.
Der Markt ist leergefegt
So mancher Autohändler erwägt daher den Einstieg in diesen Bereich. Das Fuldaer Autohaus Peter hat diesen Schritt bereits gewagt: Seit Anfang des Jahres verkauft das Unternehmen an seinem Standort auf dem Andreasberg in Fulda neben Fahrzeugen von Opel Wohnmobile der Marken Hymer und Etrusco sowie Wohnwagen der Marke Eriba. Zwischen 100 und 120 Wohnmobile sowie 40 bis 50 Wohnwagen will das Unternehmen jährlich verkaufen. "Wir sind der einzige Hymer-Partner im Umkreis von 100 Kilometern. Insofern ist das durchaus realistisch", meint Geschäftsführer Benjamin Jakob. Hinzu komme der aktuelle Nachfrageboom als Anschubhilfe. "Corona hat die Nachfrage zum Mond geschossen", berichtet er. Der Markt sei derzeit quasi leergefegt, die Werke der Hersteller am Anschlag und Lieferzeiten von einem Jahr keine Seltenheit.
Ähnliches berichtet auch der Caravaning Industrie Verband (CIVD). Dieser verzeichnete für 2020 trotz Fabrikschließungen infolge des Lockdowns einen neuen Rekord-Branchenumsatz von 12,5 Milliarden Euro. Das entspricht einem Umsatzplus von 6,3 Prozent gegenüber 2019. Allein auf den Verkauf neuer Reisemobile entfielen davon 5,6 Milliarden Euro. Insgesamt blickt der CIVD bereits auf das siebte Rekordergebnis in Folge. Der Umsatz der Branche habe sich seit 2013 mehr als verdoppelt, teilte der Verband mit.
Nicht zuletzt deshalb wird in der Branche in der Regel nach Listenpreis verkauft, Rabatte sind die Ausnahme. Auch der Intrabrandwettbewerb ist bei Weitem nicht so gnadenlos, wie im Pkw-Bereich. Die Händlerrendite bewege sich – auch deswegen – im guten zweistelligen Bereich, verrät Benjamin Jakob. Diesen Wert nun eins zu eins mit dem Autohandel zu vergleichen wäre aber ein Fehler, warnt der Geschäftsführer. Denn anders als im Pkw-Bereich, haben viele Wohnmobil-Händler keinen Aftersales. "Wir leben komplett vom Verkauf", sagt Jakob. Die Mehrheit der Hymer-Fahrzeuge etwa basiert auf Modellen von Mercedes-Benz. Dementsprechend brächten seine Kunden ihre Fahrzeuge zum Service auch in Mercedes-Werkstätten.
Anspruchsvolle Kunden, aufwendige Beratung
Auch sonst gebe es einige Unterschiede zum Automobilbereich: Die Kunden dort hätten im Vergleich zum Autokauf beispielsweise einen deutlich erhöhten Beratungsbedarf. Spontankäufe und schnelle Entscheidungen sind selten. "Viele erfüllen sich hier einen Lebenstraum. Dementsprechend anspruchsvoll und emotional sind die Kunden. Das kann man mit dem Autokauf kaum vergleichen", berichtet Jakob. Das liege nicht zuletzt daran, dass ein erheblicher Teil der Beratung den Wohn-Bereich der Reisemobile betreffe. Eine gewisse Erfahrung mit Nischenprodukten im Allgemeinen und Wohnmobilen im Speziellen sei daher vor dem Einstieg hilfreich, rät Jakob.
Was die Wohnmobil-Klientel daneben auch besonders macht: Sie ist zahlungskräftig. Der durchschnittliche Preis für ein Reisemobil lag 2019 bei 73.500 Euro. Für junge Familien kommen die Fahrzeuge daher tendenziell selten in Frage. Daten des Online-Portals Statista zufolge sind dementsprechend 45 Prozent der Caravan-Besitzer 50 Jahre und älter. Der CIVD kommt zu dem Ergebnis, dass Caravaning-Urlauber (inklusive Wohnwagen und derer, die nur mieten) im Schnitt 48 Jahre alt sind und über ein Haushaltsnettoeinkommen von durchschnittlich 3.670 Euro verfügen.
Übernahme bietet Chance zum Einstieg ins Reisemobil-Geschäft
Auch deswegen trug Benjamin Jakob die Idee, Wohnmobile zu verkaufen, schon eine ganze Weile mit sich herum. "Ich wollte das schon vor zwei Jahren angehen. Allerdings hatten wir damals nicht genug Platz", erzählt er. Darum beschränkte er sich zunächst darauf, drei Wohnmobile zu kaufen und zu vermieten. Die Gelegenheit, das Geschäft größer aufzuziehen kam dann, als das Autohaus Jakob im Dezember bekannt gab, das wirtschaftlich angeschlagene Autohaus Fahr zu übernehmen. Dessen Stammsitz auf dem Andreasberg in Fulda umfasste 17.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, die bislang allein für Opel reserviert war – zu groß für die seit Jahren schrumpfende Marke.
4.000 Quadratmeter überdachte Fläche wurden darum für Hymer und seine beiden Sub-Marken Etrusco und Eriba reserviert. CI-Kosten fielen nur wenige an. "Da gibt es keine Verrücktheiten wie im Pkw-Bereich", sagt Jakob. Wichtig sei nur gewesen, dass der Ausstellungsbereich überdacht war. Komplizierter war das Thema Einkaufsfinanzierung – die Preisspanne für Hymer-Fahrzeuge reicht bis 200.000 Euro. Hier kam dem Autohaus zugute, dass Hymer mit der FCA-Bank kooperiert. Als langjähriger Alfa Romeo und Jeep Partner war der Draht zur Bank daher gut und die Bank gewährte die nötigen Kreditlinien. Einfach seien die Verhandlungen trotzdem nicht gewesen, bekennt der Autohaus-Geschäftsführer.
Für die Zukunft plant das Autohaus Jakob bereits, größer ins Vermiet-Geschäft einzusteigen. Dieses musste das Autohaus im Zuge des Händlervertrags mit Hymer zunächst aufgegeben, weil die Wohnmobile von einer anderen Marke waren. Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Aufbau einer Miet-Flotte aufgrund der Marktlage nicht möglich, weil die Produktion der Hersteller als erstes in den Verkauf an Endkunden geht.
Integration der Autohaus Fahr-Betriebe hat Priorität
Aktuell hat ohnehin die Integration der Autohaus Fahr Betriebe oberste Priorität, betont Jakob. Derzeit stehe die Einführung eines neuen DMS auf der Agenda, gleichzeitig müssten ein Umzug bewerkstelligt und neue Strukturen eingeführt werden. Zudem haben einige Mitarbeiter die Übernahme genutzt, um das Unternehmen zu wechseln. "Einen langjährigen Serviceberater kann man nicht einfach so ersetzen", sagt Jakob. Darüber hinaus seien aufgrund der anhaltenden Corona-Krise die Verkaufszahlen weiterhin unter Druck. Es gebe also genug Baustellen. Dennoch: "Die Tendenz ist positiv", sagt er.