Voice-Bot: Wenn der Kunde einmal klingelt

Wer kennt sie nicht, die vertraute elektronische Stimme bei der Versicherung oder dem Internetanbieter, der man sein Anliegen drei Mal erklären muss, bevor man schließlich doch bei einem menschlichen Mitarbeiter landet? Und natürlich bleibt man geduldig, Hauptsache, man bekommt sein Anliegen geregelt. "Im Autohandel ist das nicht so einfach", weiß Doris Gietl, Prokuristin des Head of Business Development, Sales & Marketing bei LDB. "Hier sind die Anliegen der Kunden oft komplexer. Gleichzeitig ist die Erwartungshaltung eine andere. Der Kunde ist hier weniger geduldig, weil er sonst das Autohaus auch wechseln kann." Telefon nach wie vor Trumpf Die meisten Anfragen, rund 65 Prozent, erreichen das Autohaus immer noch telefonisch. Und genau hier haben viele Händler immer noch Probleme, eine vollständige Erreichbarkeit zu garantieren. "Wir sprechen hier von der 80/20-Regel. Das Ziel soll also sein, 80 Prozent aller Anrufe innerhalb von 20 Sekunden anzunehmen", erzählt Doris Gietl. Was einfach klingt, ist in der Realität eine Herausforderung für die Autohäuser. Gerade zu wöchentlichen Stoßzeiten oder im Saisongeschäft stoßen die Serviceassistenzen schnell an ihre Grenzen, wenn Kunden am Counter warten und gleichzeitig die Telefone klingeln. Hier kann in der Regel nur ein externes Callcenter helfen, das den Überlauf abfängt. Mehr Maschine wagen Auch bei der ASA Gruppe kennt man diese Situationen sehr gut. "Wir waren personell im Servicebereich immer gut aufgestellt", erinnert sich Geschäftsführer Michael Walter. "Dennoch ging es auch bei uns nicht ohne externes Callcenter, das den Überlauf erledigt. In dem Bereich arbeiten wir schon lange mit LDB zusammen." So weit, so gut. Doch auch ein Callcenter stößt irgendwann an seine Grenzen. Vor allem, wenn es um Anrufe außerhalb der Öffnungszeiten des Autohauses geht. "Wir wollten nicht nur, dass der Kunde uns immer erreicht. Unser Ziel war, dass er auch zum Beispiel am Wochenende bequem seinen Wunschtermin buchen kann", berichtet Michael Walter. Eine 24/7-Erreichbarkeit wäre nicht nur eine deutliche Steigerung der Convenience des Kunden. Es würde auch bedeutet, dass sich die Stoßzeiten am Wochenanfang, wenn viele Kunden anrufen, entzerren würden. So etwas kann nur ein Voice-Bot liefern, der von einer künstlichen Intelligenz (KI) gesteuert wird. Die KI kann's Da LDB bereits seit Jahren mit dem eigenen Business Development Center (BDC) Werkstatttermine für die ASA Gruppe gebucht hat, waren die Prozesse und Workflows im Autohaus dem Dienstleister wohlbekannt. "Im ersten Schritt haben wir uns die Systemlandschaft genau angeschaut. Wir kannten die Termin- und Kapazitätsplanung (TKP) sowie den soft-agent von soft-nrg, die bei ASA bei der Terminbuchung zum Einsatz kamen. Gleichzeitig haben wir uns für die Schnittstelle (API) bei soft-nrg zertifiziert, damit die KI die Termine später genau wie ein menschlicher Mitarbeiter buchen kann. Danach ging es ans Testen. Über den soft-agent wurden mithilfe eines Dummy-Accounts verschiedene Termine eingebucht und die KI sukzessive trainiert. Dabei wurde genau untersucht, ob die KI Kunden- und Fahrzeugdaten korrekt aufnahm, alle wichtigen Informationen sammelte und ob sie dabei den internen Buchungsworkflow eingehalten hat. "Die KI transkribiert jedes Gespräch. So konnten wir die einzelnen Schritte genau nachverfolgen. Das macht es am Ende auch revisionssicher für den Händler", erklärt Doris Gietl. Keine Halluzinationen Dadurch wurde auch sichergestellt, dass die KI nicht halluziniert. Das kann bei solchen Systemen durchaus vorkommen. Sobald eine KI Inhalte erzeugt, die nicht auf den Trainingsdaten basieren und auch sonst keine reale Grundlage haben, spricht man von Halluzinationen. Bucht sie beispielsweise einen klassischen Boxenstopp-Termin wie einen Räderwechsel, werden bestimmte Ressourcen und Hebebühnen angesteuert. Sie soll hier keine Dialogannahme wie bei einer Inspektion oder einem Service buchen. Bei einem Rädertermin soll die KI davon ausgehen, dass der Kunde vor Ort wartet. Es sei denn, er wünscht eine Mobilitätsdienstleistung. Auch dann müssen wiederum die Ressourcen geändert werden. "Wir haben viel Zeit in die Abläufe und auch in die Wordings investiert, um den Voice-Bot zu trainieren. Es bringt zum Beispiel nichts, wenn wir die KI den Kunden fragen lassen, ob er eine Dialogannahme wünscht. Die meisten Kunden wissen gar nicht, was das ist", betont Doris Gietl. Keine Schnellschüsse Im letzten Schritt wurden die Terminarten, welche die KI aufnehmen soll, ausgewählt. Zunächst durfte sie nur mit Bestandskunden die üblichen Massentermine wie HU oder Räderwechsel vereinbaren. "Da gab es gerade zu Beginn die eine oder andere schlaflose Nacht, ob technisch auch wirklich alles funktioniert. Wir haben intensiv alle Gesprächsprotokolle ausgewertet und die KI sich immer rückversichern lassen, ob sie alles korrekt verstanden hat", erinnert sich Michael Walter. Mit der Zeit wurde die KI aber immer besser, sodass nur noch in Einzelfällen gebuchte Termine oder Protokolle überprüft werden mussten. Seit September 2024 hat der Voice-Bot so rund 1.500 Gespräche geführt und zwischen 30 und 40 Prozent aller Anrufe übernommen. Dennoch ist es für Michael Walter nicht das Ziel, die KI zum Hauptansprechpartner für die Kunden zu machen: "Im Saisongeschäft nutzen wir hauptsächlich den Voice-Bot, ansonsten übernehmen unsere Mitarbeiter die meisten Anrufe. Am Ende geht es nicht darum, möglichst oft KI einzusetzen, sondern hundertprozentige Erreichbarkeit zu garantieren. Das gelingt mit dem richtigen Zusammenspiel von Mensch und Maschine", so Michael Walter. Kein Zwang KI ist also nicht immer alles. Kein Kunde wird bei der ASA Gruppe gezwungen, mit dem Voice-Bot zu telefonieren. "Wenn ein Kunde partout nicht mit der KI sprechen möchte oder sein Anliegen nicht zufriedenstellend bearbeitet wird, koppeln wir aus und übergeben an einen Mitarbeiter", betont Doris Gietl. Bisher nehmen viele Kunden den Voice-Bot allerdings gut an. Auch weil die KI stets freundlich und geduldig bleibt, sogar, wenn der Anrufer es selbst nicht ist. Das entlastet die Mitarbeiter nicht nur von der Zeit her, sondern auch psychologisch, wenn sie unter Druck nicht auch noch schwierige Kundschaft bedienen müssen. Und das macht das Thema Voice-Bot so spannend. Denn auch bei der modernsten Technik wie KI kommt es sehr auf Feingefühl und Menschlichkeit an. Immerhin muss sie mit Menschen interagieren und umgekehrt. Und deshalb muss KI immer von einer Seite her gedacht werden: vom Menschen.

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