Volkswagen Pkw: Weniger Standards, weniger Marge

VW Pkw will im ersten Quartal 2018 die Händlerverträge kündigen und gleichzeitig neue Vereinbarungen vorlegen, die dann ab 2020 gelten sollen. "Wir müssen entschlacken und vereinfachen", erläuterte Volkswagen Pkw Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann am Rande der European Dealer Council (EDC)-Konferenz am 9. und 10. Oktober in München die Zielrichtung. Die bestehende vertragliche Grundlage stammt aus dem Jahr 2003. Nachhaltiger, moderner und kundenzentrierter Handel könne nicht mehr darauf aufbauen, so der Manager. Der Handel bleibe zwar die zentrale Schnittstelle zum Kunden. Für eine nachhaltige Sicherung der Rendite müssten aber unternehmerische Potentiale freigesetzt werden. Von den Autohäusern erwartet er, die signifikanten Veränderungen des neuen Business-Modells gemeinsam anzugehen und künftig die digitalen Elemente im Verkaufsprozess einzusetzen. Vom Produkt zum Kunden Das Entscheidende am neuen Modell: der Paradigmenwechsel vom produktorientierten zum kundenorientierten Vertriebsmodell. "Unser Konzern war bisher nicht auf den Umgang mit dem Kunden ausgerichtet", so Stackmann. Zukünftig müssten OEM, Importeur und Handel aber eng zusammenarbeiten, denn der Kunde erwarte überall die gleiche Kompetenz und vor allem keine Brüche in der Kommunikation. Um die Zusammenarbeit mit dem Handel in den nächsten zehn bis 15 Jahren auf eine neue Basis zu stellen, haben Vertreter des Herstellers ein Jahr lang sehr intensiv mit dem EDC und Händlern aus verschiedenen europäischen Ländern verhandelt, teilte er mit. "Wir haben unser Geschäft aus der Handelsperspektive angeschaut." Flexiblere Formate Heraus kam, dass man flexiblere Handels- und Servicebetriebsformate installieren und zehn Prozent der Kosten einsparen wolle, indem man zum Beispiel die Zahl der Standards reduziert. Außerdem soll es keine jährlichen Audits und Workshop-Tests mehr geben. "Wir haben bisher den Handel zu sehr in Bahnen gepresst. Zukünftig wollen wir Unternehmer wieder Unternehmer sein lassen." Die Kosten ohne Kunden- und Ergebnisrelevanz sollten konsequent abgebaut werden. Geplant ist zum Beispiel, dass künftig Werkzeug und Equipment nicht mehr unbedingt vorgehalten werden müssten, sondern auch über Leih- und Mietsysteme zugänglich sein können. Bei Vorführwagen sind Pooling-Systeme und Leasing-Modelle angedacht. Auch bei den Mitarbeiterschulungen soll mehr der Verantwortung des Händlers überlassen werden: Es zählt künftig nicht mehr die Anzahl an Trainingstagen, sondern die zertifizierten Kenntnisse. Effizientere IT-Struktur Die IT-Struktur müsse deutlich effizienter werden. Derzeit dauere es zum Beispiel bis zu 85 Minuten, um einen kompletten Servicedurchgang in der EDV abzubilden. Diese Zeit müsse auf 15 Minuten reduziert werden. Die eigene IT müsse dafür weiter entwickelt werden. Auch für externe Lösungen zeigte sich der Vertriebsvorstand offen. Gemeinsam mit dem Handel müsse ein Online-Sales-Kanal aufgebaut werden. Flottenkunden und multinationale Kunden möchte Volkswagen direkt beliefern. Auch für kleinere Flotten (small commercials) will sich der Hersteller das vorbehalten. Das Agenturgeschäft garantiere dem Handel sehr verlässliche Provisionszahlungen dafür, hieß es. Kundenprogramme Um die Kunden länger an die Betriebe zu binden, plant VW ein Loyalitätsprogramm ähnlich Miles & More der Lufthansa. Eine Kundenidentifikationsnummer ähnlich der Customer-ID bei Apple soll die Kunden- und Fahrzeugdaten sowohl für den Handel als auch für den Hersteller zugänglich machen. Kundenbewertungen sollten direkt möglich sein und auf der Homepage des Autohauses angezeigt werden. Im Gegenzug wird die Marge um ein Prozent gekürzt. Und der Hersteller behält sich vor, Software-Updates und Ferndiagnosen direkt vorzunehmen. Auch die Freischaltung der "Functions on Demand" (vorinstallierte Zubehörfunktionen, die auf Wunsch freigeschaltet werden können) sei Direktgeschäft und kein Vertragsbestandteil. "Wenn es dafür keinen Handel braucht, werden wir ihn auch nicht einbinden." Elektro wird Vertragsware Allerdings geht Stackmann davon aus, dass 80 Prozent der "Functions on Demand" bereits beim Neuwagenverkauf mit verkauft werden. Dafür erhält der Händler die volle Marge. Auch sollen alle Elektrofahrzeuge, die Volkswagen auf den Markt bringen wird, normale Vertragsware werden. Deswegen muss eines der sechs Schauraumfahrzeuge zukünftig ein Stromer sein. Um mit diesen Fahrzeugen umgehen zu können, muss jeder Händler zukünftig auch drei Ladesäulen oder Wallboxen vorhalten. Dabei denke man aber nicht an Schnellladesäulen: 22 kW reichen. Die Vertreter der nationalen Vertriebsorganisationen und die entsprechenden Händlerverbände sollen ab November über die Details der neuen Verträge verhandeln. Im ersten Quartal 2018 sollen die neuen Vereinbarungen den Partnern vorgelegt werden. Volkswagen geht davon aus, dass sich die Konsolidierung in den Händlernetzen auch mit den neuen Vereinbarungen weiter fortsetzen wird. Es wird also zukünftig weniger Händler geben. Wie viele, dazu wollte sich Stackmann nicht äußern. Kurzfassung VW will zehn Prozent der Kosten einsparen, indem alle Kosten ohne Kunden- und Ergebnisrelevanz konsequent abgebaut werden. Flexiblere Handels- und Servicebetriebsformate und eine effizientere IT-Struktur sollen weitere Einsparungen bringen. Dafür gibt es dann weniger Marge. EDC setzt auf Dialog Der europäische Volkswagen- und Audi-Händlerverband (EDC) sieht sich als Plattform für den konstruktiven Dialog zwischen Herstellervertretern und seinen 22 europäischen Mitgliedsverbänden. Das EDC-Präsidium um Präsident Dr. Matti Porhö (Foto) wurde in München für weitere drei Jahre im Amt bestätigt.

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