Garantievergütung: Unklarheiten gehen zulasten des Herstellers

Garantiearbeiten sind ein zweischneidiges Schwert: Einerseits freut sich der Kunde, dass er den Werkstattauftrag nicht bezahlen muss. Der Händler hat einen solventen Schuldner und erhält zeitnah seine Vergütung vom Hersteller. Andererseits machen der administrative Aufwand sowie die umfangreichen Dokumentationspflichten Garantiearbeiten in vielen Fällen sogar zu einem Verlustbringer. Da der Umfang der Garantiearbeiten in den letzten Jahren immer weiter ausgeweitet wurde - Stichwort verlängerte Garantielaufzeiten -, werden die Vergütungen für das Betriebsergebnis aber immer wichtiger. Der Mehraufwand bei Garantiearbeiten gegenüber regulären Reparaturaufträgen ist nämlich beträchtlich. Die KMU Forschung Austria hat bereits im Jahr 2010 für Österreich einen durchschnittlichen Zusatzaufwand von über einer Stunde ermittelt. Das deutsche Kfz-Gewerbe (ZDK) geht von einem Mehraufwand von 35 bis 50 Prozent aus. Dennoch gewähren die Hersteller ihren Servicepartnern eine niedrigere Vergütung als bei einem regulären Kundenauftrag. Bei einem insgesamt rückläufigen Werkstattmarkt ist das für den autorisierten Handel äußerst schmerzhaft. Einige Händler haben ihre Werkstattverträge aufgrund dieser Verluste bereits freiwillig abgegeben. Solche Maßnahmen sollte ein Händler jedoch nicht vorschnell ergreifen. Denn dem Handel steht in vielen Fällen eine höhere Vergütung zu, als der Hersteller tatsächlich gewährt. Undurchschaubarer Regelapparat Welche Vergütung dem Handel zusteht, bemisst sich nach den vertraglichen Abreden. Vermeintlich könnte ein schneller Blick in den Servicevertrag genügen, um die vereinbarte Vergütung zu ermitteln. Tatsächlich handelt es sich bei den Vergütungsbestimmungen jedoch zumeist um einen nahezu undurchschaubaren Regelungsapparat mit Bestimmungen im Servicevertrag, in Zusatzvereinbarungen und diversen Mitteilungen (z. B. in Hersteller-Rundschreiben). Daneben ist regelmäßig noch ein Servicehandbuch zu berücksichtigen, oft mehrere hundert Seiten stark. Wichtig ist hier, dass Unklarheiten bei den Vergütungsbestimmungen gegen den Hersteller wirken, da es sich juristisch bewertet um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Anders gewendet: Ist nicht klar ersichtlich, welche Vergütung dem Händler zusteht bzw. ob er einen Rabatt gewähren muss, gehen Unklarheiten zulasten des Herstellers. Die Praxis zeigt, dass es hier zahlreiche Anknüpfungspunkte für den Handel gibt, von dem Hersteller eine höhere Vergütung zu verlangen. Geht zum Beispiel aus den Vertragsklauseln nicht hinreichend klar hervor, welche regulären (Groß-)Kundenaufträge der Händler für die Ermittlung des Stundenverrechnungssatzes für Garantiearbeiten heranziehen muss, können dem Händler hier ggf. gewisse Spielräume zustehen. Vergleichbares gilt bei einer widersprüchlichen Arbeitsanweisung des Herstellers für einen bestimmten Sachmangel: Ist nicht klar, ob der Händler einen bestimmten Prüfschritt durchführen muss, kann der Händler die Prüfung vornehmen und hierfür eine Vergütung verlangen. Großkundenrabatt für Hersteller? Ohnehin hinkt die Begründung der Hersteller für die niedrigere Vergütung, sie seien ja schließlich der größte Kunde des Handels und dementsprechend würde ihnen ein Großkundenrabatt zustehen. Dieses Argument erscheint auf den ersten Blick zwar plausibel, da die Garantiearbeiten bei den meisten Betrieben einen Anteil im erheblichen zweistelligen Prozentbereich ausmachen. Bei einer genaueren Betrachtung wird jedoch deutlich, dass die Begründung bereits im Ansatz verfehlt ist: Der Händler gewährt seinen "echten" Großkunden Rabatte, um sich auf diese Weise im Intra- und Interbrandwettbewerb gegen seine Händlerkollegen durchzusetzen und somit einen Geschäftsabschluss zu ermöglichen. Im Gegensatz dazu generieren Rabatte zugunsten des Herstellers bei Garantiearbeiten kein Geschäft für den Handel. Denn bei Garantiearbeiten entscheidet der Endkunde, in welchem Betrieb er sein Fahrzeug reparieren lässt. Dabei spielt für den Endkunden der Rabatt zugunsten des Herstellers jedoch keine Rolle. Die vermeintlichen Großkundenrabatte begünstigen somit keine Geschäfte für den Händler, sondern erhöhen lediglich die Erträge des Herstellers. Kreative Herstellermaßnahmen Die Hersteller ergreifen auch andere "kreative" Maßnahmen, um die Vergütung für Garantiearbeiten zu reduzieren: Sie schnüren Pauschalvergütungspakete, ordnen bestimmte Teile einer anderen Produktgruppe zu, um die Handlingspauschale zu reduzieren, oder ändern die Parameter für den Garantieverrechnungssatz (etc.). Viele dieser Maßnahmen gehen mit den vertraglichen Vereinbarungen nicht konform. Der Handel sollte die Vorgänge daher stets sehr genau prüfen. Bei Zweifelsfällen lohnt es sich, mit den Händlerverbänden in Kontakt zu treten. Rückforderungen der Hersteller nach Garantierevisionen Auch Rückforderungen nach Garantierevisionen sollte der Handel nicht ohne weiteres akzeptieren. Vielmehr empfiehlt es sich, die beanstandeten Vorgänge im Einzelnen genau zu analysieren. Die Erfahrung zeigt, dass viele Revisoren mit dem Vertragswerk nicht gut vertraut sind oder sich über dieses bewusst hinwegsetzen. Wichtig ist, dass der Hersteller den Vertragsverstoß nachweisen muss. Vermutungen reichen in der Regel nicht. Insbesondere bei Lücken in der Auftragsdokumentation stellt sich oft die Frage, ob der Händler diese nicht nachholen kann (z. B. durch eine schriftliche Erklärung des Kunden). In vielen Fällen lassen sich die zunächst vom Hersteller geforderten Rückforderungsbeträge im Wege eines konstruktiven Dialogs ganz erheblich reduzieren. Zwingende Mindestvergütung? Es ist umstritten, ob dem Handel eine zwingende Mindestvergütung für Garantiearbeiten zusteht. In den letzten Jahren haben mehrere Instanzengerichte derartige Ansprüche abgelehnt. Eine klare höchstrichterliche Entscheidung zu dem Thema steht allerdings noch aus. Es ist daher für den Handel und die Verbände äußerst wichtig, im Dialog mit dem Hersteller stets auf eine klare und mindestens kostendeckende Vergütungsregelung in den Serviceverträgen hinzuarbeiten. Fazit: Dem Handel steht bei Garantiearbeiten in vielen Fällen eine höhere Vergütung zu, als der Hersteller tatsächlich gewährt. Es lohnt sich daher, die Vergütungsbestimmungen und einseitigen Herstellermaßnahmen im Einzelnen zu prüfen. Zudem sollte der Händler geltend gemachte Rückforderungsansprüche nach Revisionen genau unter die Lupe nehmen. Oft lassen sich die Ansprüche erheblich reduzieren. * Dr. Jonathan Ruff ist Mitglied des Commercial Teams bei der Kanzlei Osborne Clarke in Köln. Er berät nationale und internationale Mandanten im Bereich des Handels- und Vertriebsrechts sowie bei den entsprechenden kartellrechtlichen Fragestellungen.

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