Ausgabe 16/2010: Systemfehler

SystemfehlerAutomag E Interview: Die ehemalige Geschäftsführerin Cathrine Batdorf über die Gründe für die Insolvenz ihres Unternehmens. Von Doris PlateDas Jahr 2009 hatte es in sich: Reihenweise gingen BMW-Händler in die Insolvenz. In München verabschiedeten sich Auto König, Kroymans und Niedermeier und Reich vom Markt. Die Mahag wurde von der Volkswagen Retail übernommen. Auch die Automag Buchner + Linse, den ältesten BMW-Vertragshändler Deutschlands, hat es erwischt. Über die Hintergründe sprachen wir mit der früheren Geschäftsführerin Cathrine Batdorf.AH: Frau Batdorf, vor fast eineinhalb Jahren mussten Sie für die Automag Insolvenz anmelden. Wie geht es Ihnen heute?C. Batdorf: Mir geht es gut. Ich bin immer noch mit der Abwicklung der Insolvenz beschäftigt und arbeite eng mit dem Insolvenzverwalter zusammen. Ich bin aber nicht verbittert. Ich bin überzeugt, dass BMW nicht absichtlich daran gearbeitet hat, die Automag zu vertreiben, um selbst freie Bahn im Münchner Markt zu haben. Es gab auch keine persönlichen Probleme. Es war einfach eine Folgeerscheinung.AH: Die erst in Erwägung gezogene Übernahme Ihres Hauptbetriebs an der Landsberger Straße in München durch andere BMW-Händler gelang nicht. Woran lag das?C. Batdorf: Es geht nicht. Alle erfolgreichen BMW-Ketten, die ich kenne, haben nur kleinere Betriebe auf dem Land. In einer Großstadt wie München ist die erfolgreiche Arbeit als mittelständischer Händler nicht möglich. Das wird auch dadurch belegt, dass so viele Kollegen ebenfalls verschwunden sind. Größten Respekt habe ich vor dem Kollegen Dr. Anton Reich, der sich entschieden hat auszusteigen und dies nun umsetzt. Überproduktion muss in den MarktAH: Weshalb kann ein mittelständisches Autohaus in einer Großstadt nicht erfolgreich sein?C. Batdorf: Es liegt am System. Die Überproduktion muss in den Markt. Die Manager in den Fabriken werden nur an ihren Stückzahlen und Umsätzen gemessen. Sie denken aus ihrer Sicht zu Recht nur an ihre eigene Karrieren. Wenn es nicht mehr funktioniert, wechseln sie den Arbeitgeber. Oder bekommen erst einmal eine Abfindung. Der Autohändler muss aber die Vorgaben des Herstellers erfüllen, zu dessen Konditionen, und trotzdem das Risiko tragen – oftmals aus der Privatschatulle. In einem engen Markt wie München hat der Unternehmer zudem nicht nur die hohen Immobilien- und Personalkosten, sondern auch den harten Wettbewerb und den Stückzahldruck der Niederlassungen aller Hersteller, deren Verluste der Hersteller trägt. Es gibt immer einen, der es billiger macht. Und die Bindung der Kunden ist auch nicht so eng – es ist ja nicht weit zum nächsten Autohaus. Absatz konstant, Ertrag eingebrochenAH: Hat die relativ hohe Investition in Ihr neues Autohaus eine entscheidende Rolle gespielt?C. Batdorf: Nein. Wir haben 24 Millionen investiert. Wir wollten die Repräsentanz und brauchten die Größe. Wir konnten nicht günstiger bauen. Als wir das Haus planten, waren auch noch höhere Erträge zu erwirtschaften. Zudem hat BMW uns den Neubau zur Auflage gemacht. Die Planung und die Summe waren mit BMW abgestimmt. Die BMW-Bank hat das Invest finanziert. Als wir Anfang des Jahres 2007 einzogen, war die Kaufzurückhaltung aber wegen der gerade vollzogenen Mehrwertsteuererhöhung besonders groß. Dennoch sind wir insgesamt im Verkauf über all die Jahre hinweg immer konstant geblieben: 1.000 Neuwagen und 1.000 Gebrauchte haben wir abgesetzt. Nur der Ertrag war enorm rückläufig.Ständiger PreisverfallAH: Und die Leasingrückläufer haben Ihnen zugesetzt.C. Batdorf: Ja. Das ist über Jahre nicht aufgegangen. Gab es vor zehn Jahren zum Beispiel nur sieben Prozent Rabatt auf einen Neuwagen, waren es drei Jahre später schon zwölf und noch drei Jahre später schon 15. Wenn also die Fahrzeuge, die vor zehn Jahren verkauft wurden, nach drei Jahren zurückkamen, gab es schon Neuwagen, die drei Prozent billiger waren. Und die Loyalität der Kunden gegenüber der Marke ging auch zurück. Unter anderem wurde Leasing eingeführt, damit die Kunden alle drei Jahre zurückkommen und ein neues Auto kaufen. Aber in einem städtischen Markt gibt der Kunde sein Auto ab und geht zum nächsten, der den höchsten Rabatt gibt. Hinzu kommt, dass das Auto als Statussymbol an Bedeutung verliert. Die Kunden fragen sich: „Was brauche ich?“ und greifen zu kleineren Modellen. AH: Welche Rolle haben die Dekra-Schätzungen bei den Leasingrückläufern gespielt?C. Batdorf: Bei BMW müssen die Leasing-Fahrzeuge nach dem Dekra-Händlereinkaufsschätzpreis zurückgenommen werden. Dieser lag in unserem letzten Jahr durchschnittlich pro Fahrzeug 2.000 Euro über dem Verkaufspreis, den wir letztendlich erzielen konnten. Bei 700 Fahrzeugen pro Jahr kommt da ein hübsches Sümmchen zusammen. Und bei manchem 7er haben wir auch 15.000 Euro pro Fahrzeug verloren. Deshalb gibt es ja jetzt auch die Klage einiger BMW-Händler gegen die Dekra. Mitarbeiter verlieren KaufkraftAH: Was ist aus Ihren Mitarbeitern geworden?C. Batdorf: Von den 240 Mitarbeitern, die wir hatten, sind meines Wissens nur zwei arbeitslos. Die Arbeitsplätze gibt es also noch. Aber was mit den Mitarbeitern in einem solchen Verfahren gemacht wird, ist schlimm: Erst kommen alle in eine Auffanggesellschaft und verlieren ihre Betriebszugehörigkeit. Ein paar Wochen später fangen sie dann an ihrem alten Arbeitsplatz sozusagen neu an. Auch das kann nicht gesund sein: Wer soll denn die Waren in Deutschland noch kaufen, wenn die Angestellten immer mehr an Kaufkraft verlieren? AH: Wenn Sie noch einmal die Chance hätten, was würden Sie heute anders machen?C. Batdorf: Nichts. Wir haben gute Arbeit gemacht. Manche sprechen ja von Führungsproblemen, aber wenn Sie in dieser Größenordnung nicht gut organisiert und aufgestellt sind, können Sie ein solches Unternehmen über so viele Jahre gar nicht leiten. Im Handel geht es nur um Einkauf und Verkauf. Im Einkauf waren die Preise durch die Leasingverträge gebunden und im Verkauf drückte der enge Markt auf die Preise. Wir hatten keine Chance und das wäre heute nicht anders.AH: Sehen Sie einen Ausweg für die Branche?C. Batdorf: Nein, ich sehe keine Perspektive. Der Fehler liegt im System. Und solange die insolventen Betriebe immer wieder durch andere übernommen werden und unser Wirtschaftssystem immer weiter diejenigen belohnt, die mehr Stückzahlen und Umsatz machen, egal was es kostet, gibt es keinen Grund aufzuhören. Wenn die Hersteller ihre Leasingrisiken selbst übernehmen müssten, hätten wir die nächste „Bankenkrise“. Das ist kein Branchenproblem, sondern gilt für unser ganzes Wirtschaftssystem. Ich möchte in diesem Hamsterrad nicht mehr sein. AH: Frau Batdorf, vielen Dank für das Gespräch. Lesen SIe hier...... was eine ehemalige Autohaus-Managerin über die Fallen in unserer Branche und über das nicht rentable System zu sagen hat.

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