Ausgabe 14/2009: Richtige Balance

Richtige BalanceAudi E Vertriebschef Michael Renz zum neuen Margensystem, zum Einbruch bei den Restwerten, zu den Händlerrenditen und Perspektiven 2010. Von Ralph M. MeunzelMit einem leichten Plus von 1,4 Prozent über Vorjahr konnte sich Audi per Juni im Reigen der drei deutschen Premiumhersteller gut behaupten (BMW –10,3 Prozent, Mercedes-Benz –15,8 Prozent, ). Zur Performance des Ingolstädter Autobauers, der dieses Jahr 100. Geburtstag feiert, ein Gespräch mit Michael Renz, Vertriebsleiter Inland.AH: Herr Renz, das erste Halbjahr 2009 ist vorbei. Wie hat sich das Geschäft für Audi entwickelt?M. Renz: Aufgrund unseres attraktiven Produktprogramms haben wir sehr gut abgeschnitten. Zu den hohen Verkaufszahlen bei den Einsteigermodellen A3 und A4 hat auch für uns die staatliche Umweltprämie – in Kombination mit der Audi Umweltprämie plus – einen Beitrag geleistet. Auch das Auslaufen der Kfz-Steuerbefreiung trug zu einem Anstieg der Neuzulassungen im Juni bei – auf den Rekordwert von 27.679 Neuzulassungen, den höchsten Wert in unserer Geschichte als Premiumhersteller. Im ersten Halbjahr liegen die Neuzulassungen kumuliert mit 125.157 Autos immer noch 1,4 Prozent über dem Vorjahreswert. Dabei konnten wir gerade die Verkäufe an Privatkunden deutlich steigern. AH: Wie lauten Ihre Erwartungen 2009?M. Renz: Die Kombination von Wirtschafts- und Finanzkrise wird noch eine Weile ihre Spuren hinterlassen. Die Umweltprämie hat eine Art temporäre Sonderkonjunktur bewirkt – ein nachhalti-ger Aufschwung lässt noch etwas auf sich warten.RestwerteverfallAH: Wer trägt die Schuld an der Restwertmisere? M. Renz: Restwerte können unter Druck geraten, wenn Angebot und Nachfrage nicht übereinstimmen. Wesentliche Maßgabe für Audi ist, die Restwerte stabil zu halten – und hier haben wir wirkungsvolle Maßnahmen eingeleitet. So haben wir das Direktgeschäft etwa mit Autovermietern im ersten Halbjahr um rund 40 Prozent gegenüber Vorjahr reduziert – und damit dafür gesorgt, dass signifikant weniger junge Gebrauchte auf den Markt kommen.AH: Nun gibt es bei Audi seit 2008 eine Restwertabsicherung. Die Händler klagen allerdings über deutliche Verluste bei aktuellen Rückläufern, Beispiel A6?M. Renz: Wir haben Maßnahmen eingeführt, um Fahrzeuge, die in naher Zukunft zurückkommen, auch noch im Nachgang abzusichern. Auch hinsichtlich der aktuellen Bestände gibt es unterstützende Maßnahmen. Für unser Ergebnis als Hersteller ist entscheidend, dass Liquidität und Rendite unserer Handelspartner stimmen – und dafür setzen wir uns auch ein.AH: Reicht das?M. Renz: Wir haben sehr schnell reagiert und mit einem umfangreichen Konjunkturprogramm für den Handel bereits für eine deutliche Erleichterung bei unseren Partnern gesorgt. Das gibt auch Sicherheit in Verhandlungen mit den Hausbanken.AH: Wie verhält sich die Audi Bank bei der Kreditvergabe?M. Renz: Wir behalten in einem Monitoringsystem gemeinsam mit der Financial Services AG die wirtschaftliche Lage unserer Partner ständig im Auge, um frühzeitig helfend eingreifen zu können. Mit der Kooperationsbereitschaft unserer Partner können wir nachhaltige Lösungen für sie und gemeinsam mit ihnen entwickeln.RenditesituationAH: Nun strebt man seit Jahren bei der Rendite eine Zwei vor dem Komma an. Sind derartige Pläne überhaupt noch realisierbar?M. Renz: Die Renditen im Handel sind natürlich in Abhängigkeit von der Absatzstruktur und den Rückläufern zu sehen. Der angespannten gesamtwirtschaftlichen Lage konnten sich auch die Audi-Händler nicht ganz entziehen – auch wenn es bei unserer Marke deutlich besser lief als bei anderen. Entsprechend liegen wir im Durchschnitt noch unter einem Prozent und damit nicht im Zielkorridor.AH: Muss der Hersteller mit seinen ständigen Rekordgewinnen den Handel künftig nicht stärker unterstützen und für eine Umverteilung der Kosten, z. B. im Vorführ- und Lagerwagenbereich, sorgen?M. Renz: Wir haben ein gemeinsamen Geschäft. Künftig wird die Audi AG prüfen, inwieweit auch der Kunde beispielsweise beim Restwertrisiko mit eingebunden werden kann – also durch höhere Raten. Dabei dürfen wir aber natürlich den Wettbewerb unter den Marken nicht aus den Augen verlieren. Für unsere Händler liegen zusätzliche Chancen in stärkerer Kooperation und damit dem Ausschöpfen von Synergieeffekten. AH: Wie könnten solche Zusammenschlüsse aussehen?M. Renz: Die Form der Kooperation überlassen wir selbstverständlich dem Handel. Aber wir unterstützen, wo wir können. Dort, wo es z. B. Nachfolgeprobleme gibt, bringen wir die betroffenen Händler mit Investoren zusammen.AH: Betrachtet man die Ergebnisse der MMI-Gruppe 1, der großen Händlergruppen, kommen keine Glücksgefühle auf.M. Renz: Eines ist den Betriebsergebnissen im Netz deutlich abzulesen: Unsere exklusiv geführten Betriebe haben bessere Ertragschancen. Ebenso macht deutlich mehr Gewinn, wer sich intensiver mit dem Gebrauchtwagengeschäft beschäftigt. Wir haben ganz klar auch größere Gruppen, die hervorragende Zahlen schreiben. Unser Konzept ist also nicht falsch. Allerdings: Die Schere zwischen den sehr guten und den weniger guten Händlern hat sich weiter geöffnet. AH: Setzen Sie verstärkt auf Händlergruppen?M. Renz: Es gibt bei uns ebenso kleinere Händler, die den Gruppen in nichts nachstehen. Die Mischung macht’s – mit der richtigen Lösung für den jeweiligen regionalen Markt.AH: Nun schreiben Niederlassungen in der Regel rote Zahlen. Hat sich bei den Audi Retail-Betrieben etwas geändert?M. Renz: Wir haben Investitionen getätigt und notwendige Bereinigungen vorgenommen, die sich jetzt amortisieren. Die ersten zwei Standorte, bei denen wir Veränderungen vorgenommen haben, befinden sich jetzt auf gutem Händlerniveau. Bei den weiteren Betrieben sind wir weiter auf einem guten Weg.AH: Warum rührt sich an der Rabattfront nur wenig?M. Renz: Die aktuelle Sondersituation, bestimmt durch die Umweltprämie, kann derzeit nicht der Maßstab sein. Für uns hat es ganz klar oberste Priorität, das Preisniveau stabil zu halten – und faktisch sehen wir bei Audi auch keine signifikanten Steigerungen, trotz außerordentlicher Marktlage. Neues MargensystemAH: Zum 1. Januar 2010 wird ja das Margensystem reformiert. Die großen Gruppen beklagen sich, dass der Mengenbonus deutlich reduziert wird?M. Renz: Wir führen derzeit Gespräche mit unseren Händlern und dem Händlerverband. Ich bin davon überzeugt, dass es bei einem leistungsorientierten Margensystem bleiben muss. Unsere Messungen belegen, dass dies klar zu einer besseren Performance führt.AH: Also weniger Grundmarge und dafür höhere Boni?M. Renz: Sicher nicht. Der Handel benötigt eine berechenbare und stabile Grundmarge. Wir sprechen aber etwa über Möglichkeiten, den Kostenersatz zu nutzen. AH: In welcher Form beteiligt sich Audi an der Diskussion um ein neues Geschäftsmodell, also beispielsweise um die Kostenreduzierung bei Lager- und Vorführwagen?M. Renz: Wir diskutieren aktiv mit und bewegen uns auch in diese Richtung. Die Liquiditätsverbesserung und damit die Reduzierung der Zinskosten durch den Kostenersatz für Lager- und Vorführwagen würde zugleich aber auch zu einer Einengung der unternehmerischen Freiheit führen. Dies zumindest beklagen vor allem größere erfolgreiche Unternehmen. Hier müssen wir die richtige Balance finden.AH: Die meisten würden sich derzeit allerdings bei der aktuellen Lage für Letzteres entscheiden. Wird es zu Jahresbeginn einen neuen Servicevertrag mit gestiegenen Anforderungen geben?M. Renz: Gehen Sie davon aus, dass die Standards in Deutschland zu einem hohen Maße erfüllt sind. Die neuen, angepassten Verträge dienen dem Ziel, die Qualität im Audi Premiumservice weiter – und nachhaltig – zu steigern. Das ist ein entscheidener Faktor für die Kundenzufriedenheit – und davon profitieren zuallererst unsere Partner.ZukunftsaussichtAH: Wird Audi 2015 ca. 300.000 Autos in Deutschland verkaufen?M. Renz: Kurzfristig wird es noch eine Phase der Bereinigung geben. Was ab 2010 tatsächlich kommt, kann heute niemand wirklich wissen. Bei Audi legen wir in diesen Zeiten unsere Maßnahmen in 3- und 6-Monatsschritten fest, um flexibel reagieren zu können. Langfristig bin ich in jedem Fall positiv gestimmt. Der Kunde ist aktuell zurückhaltender in seinem Kaufverhalten; die Faszination für das Automobil ist allerdings ungebrochen.AH: Herr Renz, herzlichen Dank für das Gespräch! KurzfassungKernaussagen aus dem Interview: 1. Mit 27.679 Neuzulassungen hat Audi im Juni einen Rekordwert verzeichnet.2. Direktgeschäfte wurden im 1. Halbjahr 2009 um rund 40 % reduziert.3. Die Händlerrendite liegt mit unter einem Prozent derzeit nicht im Zielkorridor.4. Im neuen Margensystem soll die Grund-marge „stabil und berechenbar“ sein.5. Die Standards für den neuen Servicevertrag sind in Deutschland bereits „in einem hohen Maße erfüllt.“

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