Schadengutachten: Neues Weiterbildungszentrum der Dekra

Altensteig in Baden-Württemberg ist für die Dekra Automobil GmbH ein wichtiger Standort des Wissenstransfers. Ende 2016 wurde im Oberen Tal ein neues Bildungszentrum eröffnet, um technische Sachverständige, in erster Linie im Kfz-Bereich, aus- und weiterzubilden. Neben dem bestehenden Bildungszentrum im nahegelegenen Ortsteil Wart, wo insbesondere Prüfingenieure geschult werden, bildet die neue Einrichtung eine weitere Säule des Dekra-Bildungsclusters im Nord-Schwarzwald. Praktische K&L-Ausbildung Vor Kauf, Umbau und Umwidmung beherbergte das neue Weiterbildungszentrum mit Schwerpunkt im Kfz-Schadenbereich einen Stahlbaubetrieb. Heute ermöglichen neun Dekra-Mitarbeiter, die vor Ort für Organisation und Verwaltung zuständig sind, angehenden Schadengutachtern eine fundierte und praxisorientierte Aus- bzw. Weiterbildung. Darüber hinaus vermitteln insgesamt rund 40 Lehrbeauftragte das praktische Rüstzeug für die Aufnahme und Kalkulation von Schäden, gewähren aber auch Einblick in die Praxis von Karosseriebau und Fahrzeuglackierung. Jeder Seminarteilnehmer legt hier selbst Hand an und lackiert beispielsweise eine eigene kleine Kunststoffkarosserie, hieß es. Das Lehrpersonal kommt aus dem ganzen Bundesgebiet und ist am jeweiligen Standort für die Gutachtenpraxis zuständig. Zu 90 Prozent greift die Prüf- und Sachverständigenorganisation bei der Wissensvermittlung im Bereich Schadengutachten auf eigene Leute zurück, erklärte Fritz Mast, Ausbildungsleiter Schadengutachten bei Dekra. Die praktische Ausbildung findet in sechs verschiedenen Bereichen statt, die Gesamtfläche bemisst sich auf rund 900 Quadratmeter. Im Bereich Technik und Schadenaufnahme finden sich drei Hebebühnen sowie eine Einrichtung zur Fahrwerksvermessung. Neben der Schadenaufnahme und Kalkulation wird hier vor allem der Einblick in moderne Fahrzeugtechnik ermöglicht. Auch die Diagnose von Karosserie- und Fahrwerkschäden ist ein wichtiges Thema. Angrenzend findet sich der Zweiradbereich mit einer speziellen Motorrad-Hebebühne, der Diagnose und Vermessung von Zweiradschäden erlaubt. Nebenan ist ein spezieller Bereich für die Schulung der Schadenaufnahme an Fahrzeugen mit Hagelschäden. Hier befindet sich ein mit Neonlicht durchflutetes "Hagelzelt", in dem laut Dekra dank der gestreiften Farbgebung ideale Bedingungen herrschen, um auch kleinste Hageldellen zu erkennen und zu bewerten. Die Karosserie-Abteilung wurde auf einer Fläche von 260 Quadratmetern eingerichtet und umfasst Richt- und Messsysteme mit Richtwinkeln und zur Universalvermessung. Hinzu kommen modernste Werkzeuge und Geräte wie in einem gut ausgestatteten Karosserie-Fachbetrieb, unter anderem ein eigener Raum mit Umformungsmaschinen zur Fertigung bzw. Abänderung von Karosserieteilen. Ebenfalls fest integriert ist eine weitere Hebebühne zur Diagnose sowie zur Demontage und Montage der verunfallten Fahrzeuge. Im Lackierbereich der Ausbildungshalle ist eine hoch moderne Lackieranlage entstanden. Das Herzstück bildet eine verglaste Sehon-Lackierkabine. Dahinter befindet sich der Lackmischraum. Mit Hilfe modernster Geräte erfahren die Teilnehmer hier alles zum Anmischen und zur Farbtongebung bei modernen Fahrzeugen. Ein eigener Bereich der Halle ist der Praxisausbildung im Nutzfahrzeugbzw. Wohnmobil- und Caravanbereich gewidmet. Durch zwei Rolltore können hier große Fahrzeuge, bis hin zum Sattelauflieger, problemlos rangiert werden. Eine spezielle Lkw-Hebebühne ist in einem der beiden Hallenteile eingebaut. Hier findet auch der praktische Unterricht zum Beispiel an Land- und Sondermaschinen statt. Zertifizierte Dellentechniker Im Bereich Grundausbildung Schadengutachten kommt das Weiterbildungszentrum auf durchschnittlich 6.000 Teilnehmertage. Die Schulungen ziehen sich über einen Zeitraum von vier bis fünf Monaten und sind in mehrere Blöcke unterteilt. Die unterschiedlichen Module setzen sich aus Seminarvorbereitung, teils durch eLearning-Seminare mit anschließender Präsenzschulung zusammen. Insgesamt sind rund zehn Wochen Präsenzzeit angesetzt. Im Schnitt 120 Teilnehmer durchlaufen die Grundausbildung pro Jahr. Zudem gibt es auch für erfahrene Sachverständige die Möglichkeit, altes Wissen aufzufrischen bzw. sich neues Know-how anzueignen. Die Weiterbildung im Bereich Schadengutachten beläuft sich den Angaben zufolge auf rund 4.000 Teilnehmertage, wovon zwei Drittel in Altensteig stattfinden. Insgesamt verfügt der Bereich Weiterbildung bei der Dekra Automobil GmbH über rund 75 Niederlassungen in Deutschland. Außerdem findet am neuen Bildungszentrum eine zweimonatige Grundausbildung für Fahrzeugbewerter sowie die Weiterbildung in Unfallanalytik statt. Zudem gibt es Lehrgänge für externe Teilnehmer. Vor Kurzem startete z. B. ein Pilotprojekt im Bereich Dellenreparatur. Dekra bietet mit dem "Dekra-Siegel für Dellentechnik" eine Zertifizierung für erfahrene Dellendrücker. Die Teilnehmer lassen sich prüfen und haben mit dem Dekra-Siegel die Möglichkeit, sich in einem intransparenten Nischenmarkt als Qualitätsanbieter zu präsentieren, hieß es von Seiten des Anbieters. Neue Lerntechniken Natürlich entwickeln sich Mitarbeiter aus dem Bereich Dekra-Fortbildung auch selbst stetig weiter. Man befindet sich schließlich an der Wissensquelle. Und auch über fachliche Aspekte hinaus gilt es in puncto Didaktik auf dem neusten Stand zu bleiben. Zu diesem Zweck bauen Spezialisten um Fritz Mast u. a. seit über 15 Jahren einen eLearning-Bereich für die Online-Wissensvermittlung auf und aus. Wie erwähnt dienen Internetkurse als Vorbereitung auf die Präsenzschulung: Erst nach der erfolgreichen Teilnahme ist ein Zugang zu dieser möglich. Nach erfolgreichem Abschluss der Grundausbildung müssen die Gutachter darüber hinaus pro Jahr eine gewisse Zahl an Online-Lehrgängen bzw. Tests bestehen. Ein Nebeneffekt: Das Fortbildungsniveau ist dokumentiert und lässt einen Überblick zu Fachkräftepotenzial und Kompetenzverteilung zu. Kurzfassung In Altensteig trifft man auf ein Dekra-Wissenscluster. Angehende Prüfingenieure erhalten ihr Know-how in Wart, im neuen Bildungszentrum im Oberen Tal bildet das Unternehmen sein Sachverständigennetzwerk im Schadenbereich weiter. Interview Guido Kutschera von der Dekra Automobil GmbH AH: Welchen Stellenwert nimmt das Schadengutachten im Bereich Gutachten bzw. in der Dekra Automobil GmbH ein?G. Kutschera: Unsere Dienstleistungen rund um das Schadengutachten machen rund zwei Drittel des gesamten Gutachtenbereichs bei Dekra aus. Das Schadengutachten ist ja, neben der klassischen Fahrzeugprüfung, eine unserer ältesten Dienstleistungen; wir beschäftigen uns buchstäblich seit Jahrzehnten mit diesem Thema. Die Kundenanforderungen haben sich über die Jahre natürlich schon verändert. So haben wir uns dem Markt in den vergangenen Jahren mit der Einführung von schlankeren Produkten wie Reparaturkostenkalkulationen oder -prognosen neben dem klassischen Vollgutachten angepasst.AH: Welchen Einfluss hat die zunehmende Verbreitung vernetzter und automatisierter Fahrzeuge auf das künftige Schadengeschäft?G. Kutschera: Wir gehen davon aus, dass diese Entwicklungen sich stark auf den Schadenbereich auswirken werden. Nur weiß heute noch niemand so genau, wie lange das dauert. Ich bin überzeugt: Es wird noch einige Jahre brauchen, bis eine überwiegende Zahl der Fahrzeuge mit vernetzten und automatisierten Funktionen unterwegs ist. Aber Tatsache ist: Es werden mehr. Dadurch kann einerseits die Zahl der Unfälle sinken, andererseits müssen im Schadenfall oftmals Sensoren ersetzt oder zumindest neu kalibriert werden. Das wirkt sich natürlich wiederum auf die Schadenhöhe aus.AH: Welche Auswirkungen haben Innovationen in den Bereichen Aktorik und Sensorik/ Fahrerassistenz auf die Aus- und Weiterbildung in Ihrem Verantwortungsbereich?G. Kutschera: Das ist natürlich für uns ein ganz wichtiges Thema. Wir sind eine Sachverständigenorganisation, und jeder Sachverständige lebt nun mal in allererster Linie, wie der Name sagt, von seinem Sachverstand. Er muss immer auf dem Laufenden sein, immer auf dem neuesten Stand der Technik. Das Tempo der technologischen Entwicklung ist dabei eine Herausforderung für jeden Sachverständigen. Hier ist aber eine große Organisation wie Dekra klar im Vorteil - mit unserer zentralen Aus- und Weiterbildungsabteilung schulen wir unsere Mitarbeiter hochprofessionell. Das hat für uns eine ganz hohe Priorität. Nicht zuletzt deshalb haben wir in unser neues Gutachten-Ausbildungszentrum in Altensteig investiert. Wir nehmen die Herausforderung an und stellen uns bestmöglich auf.

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