Digitalisierung: Lieber agieren statt reagieren

Digitale Impulse kamen in den vergangenen Tagen nicht aus dem fernen Silicon Valley, sondern von der Leine. Genauer gesagt: von der Cebit. So präsentierte die weltgrößte IT-Schau auch in diesem Jahr maßgeschneiderte Angebote für heimische Unternehmer. "Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen stehen vor der Frage, welche digitalen Anwendungen sie einsetzen und wie sie ihre Geschäftsprozesse effizienter machen können", ließ sich Marius Felzmann, Geschäftsbereichsleiter Cebit bei der Deutschen Messe AG, vor dem Messestart in einer Mitteilung zitieren. Interessant: Darin hieß es auch, dass mehr als drei Viertel der Mittelständler erkennen würden, dass ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit ohne zunehmende Digitalisierung bedroht sei. Allerdings sei dieses Thema lediglich bei jeder zweiten Firma dann auch Bestandteil der Unternehmensstrategie. "Gerade in der Digitalisierung von Prozessen im Vertrieb, in der Kundenansprache oder auch beim Erschließen neuer Marktsegmente schlummert großes Potenzial", so Felzmann. Ein Satz, der sich auch auf den deutschen Autohandel ummünzen lässt. Denn gerade im harten Verdrängungswettbewerb sollten Autohauschefs die Chancen der digitalen Welt erkennen - und nicht nur die Risiken sehen. Schließlich machen sich heute schon zwei Drittel der Käufer im Internet schlau, bevor sie einen Showroom betreten. Das ergab eine Auto-Scout24-Studie, für die die Marktforscher von puls im Herbst 2014 hierzulande 252 markengebundene und 251 freie Händler befragten. Vergleichsangebote aus dem Netz Doch damit nicht genug: Die Erhebung belegte auch, dass 39 Prozent der Käufer den Händler während des Verkaufsgesprächs mit alternativen Angeboten aus dem Internet konfrontiere. "Das Internet ist im Autohandel ein nicht mehr wegzudenkender Teil der Kundenreise und die Online-Suche kommt meist vor dem Besuch im Autohaus", kommentierte Stephan Spaete, Senior Vice President Sales & Operations bei AutoScout24, die Studienergebnisse. Was den präferierten Traumwagen betrifft, fragen zwar aktuell noch rund zwei Drittel direkt im Kfz-Betrieb nach respektive greifen zum Telefonhörer. Aber es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich diese Gewohnheiten sukzessive ändern. Dem Siegeszug der Smartphones und Tablets sei Dank. Der Online-Kanal gewinnt an Bedeutung - auch bei der Lead-Generierung, der Interessentengewinnung. Grund genug, sich im AUTOHAUS puls-Schlag (s. Seite 16) intensiver mit dem anspruchsvollen Prozess des Leadmanagements in den Kfz-Betrieben zu befassen und die digitale Bedeutung herauszuarbeiten. Immerhin kommen bereits Monat für Monat rund 30 Prozent der Anfragen über die digitalen Leitungen rein. Per E-Mail, über Facebook oder via App. Die Komplexität im Autohaus wächst. Der ideale Prozess Gut, wenn man dann auf einen professionellen Leadmanagement-Prozess vertrauen kann. Doch was macht ihn eigentlich aus? "Die strukturierte und messbare Bearbeitung aller in einem Autohaus eintreffenden Leads, natürlich In- und Outbound, ist entscheidend", antwortet Stefan J. Gaul, Partner beim Beratungsunternehmen effisma group. Unternehmer sollten sich seiner Ansicht nach zwei Fragen stellen: Wie laufen die Leads durch meinen Betrieb? Und wie werden sie bearbeitet? Berater Gaul skizziert vier Schritte, die für ihn den Idealfall darstellen. Erstens die Leadgenerierung In- und Outbound, zweitens die Leadqualifizierung, am besten durch ein professionelles Business Development Center (BDC), drittens die Bearbeitung der Leads im Verkauf und - last, but not least - viertens die Erfolgskontrolle. Vor allem Schritt zwei, das BDC, liegt dem IT-Prozess-Experten am Herzen, das spürt man im Gespräch. "Wer sich als Erstes beim Kunden meldet, ist vorne. Der Verkäufer muss deshalb dranbleiben", empfiehlt er. "Das BDC garantiert ihm die nötige Schnelligkeit." Theoretisch klingt das einleuchtend, wird aber in der Praxis nicht immer so professionell gelebt. Berater Gaul kennt die Gründe dafür. Etwa den Mangel an definierten Prozessen, fehlende Management Attention und Herstellersysteme, die "einen effizienten, messbaren Leadprozess nicht abbilden können". Mit weitreichenden Folgen für die Betriebe, hier verschenken sie Potenzial. "Wer ein professionelles Leadmanagement einführen möchte, sollte sich bewusst sein, dass man damit ein großes Verkaufspotenzial erschließt, aber es auch einen Changemanagement-Prozess darstellt", betont der Experte. "Autohausbesitzer sollten versuchen zu ermitteln, wie viele Leads sie benötigen, bis sie ein Auto verkaufen. Und anhand von harten Zahlen analysieren, welche Leadquelle ihnen etwas bringt." E-Mail-Potenzial verschenkt Dass der Handel noch Luft nach oben hat, wenn es um die verkaufsorientierte Nutzung des E-Mail-Kontakts geht, belegte auch eine concertare-Studie aus dem April 2014. Am meisten überraschte Geschäftsführerin Rabab Charara damals, "dass die Kommunikation über E-Mail in vielen Autohäusern noch nicht ausreichend als vertriebliches Mittel gesehen wird", erklärt sie heute. So sei es bisher nicht gelungen, "die E-Mail-Kommunikation flächenweit in die täglichen Vertriebs- und Kommunikationsprozesse zu integrieren und hier schnell und kundenorientiert auf Kundenanfragen einzugehen". Auch heute nicht, sprich zwölf Monate nach Veröffentlichung der Studienergebnisse. Handelt es sich also um ein generelles Phänomen, über alle Marken hinweg? Nur wenige hätten die Bedeutung erkannt, Kunden auf allen Kontaktwegen mit hoher Qualität zu begegnen, so Charara. Eine positive Ausnahme: Volvo. Bei den Schweden beobachtet concertare in den vergangenen Jahren "eine gewisse Leistungskonstanz". Die Marke habe das Thema E-Mail-Management bisher gut und nachhaltig umgesetzt. Chararas Tipp für Autohausunternehmer: Sie sollten sicherstellen, dass jede eingehende Anfrage auch wirklich bearbeitet wird. "Hier warten Kunden noch teilweise vergebens auf eine Antwort." Zudem plädiert sie unter anderem für eine sorgfältige Bearbeitung und für Standards wie die Einladung in den Kfz-Betrieb. Ein Grundstein für einen Verkaufsabschluss vor Ort im Autohaus, noch dazu, durch einen digitalen Impuls ausgelöst. Kurzfassung Auch im Autohaus schreitet die Digitalisierung Schritt für Schritt voran. So gewinnen künftig beispielsweise die Händler-Homepage und E-Mails für die Leadgewinnung an Bedeutung. In unserer Titelgeschichte auf den folgenden Seiten zeigen wir verschiedene Facetten des digitalen Wandels. Datensicherheit im Fokus Viele Firmen unterschätzen heute immer noch, wie wichtig ein einwandfreies Sicherheitssystem für ihre Informationen ist. Darauf hat kürzlich der TÜV Nord in einer Mitteilung hingewiesen. Denn je mehr Daten gesammelt und gespeichert würden, so der Text, desto wichtiger sei ein lückenloses Informationssicherheits-Managementsystem. Oder kurz: ISMS."Dabei kann der Verlust oder die Manipulation von Kundendaten oder Unternehmens-Know-how neben finanziellen Einbußen auch das Vertrauen von Kunden und Öffentlichkeit gefährden - ein Schaden, der weitaus schwerer zu beheben ist", betont Peter Herrmann, Informationssicherheits-Berater und Auditor bei TÜV Informationstechnik (TÜViT), einem TÜV-Nord-Unternehmen. Hermanns Empfehlung: auf einen Information Security Officer (ISO) zu setzen, der das ISMS aufbaut und pflegt. "Ein ISO stimmt sich einerseits mit der Geschäftsführung und der Unternehmens-IT ab, managt und kontrolliert aber auch die Durchführung der Maßnahmen und delegiert anfallende Aufgaben an die entsprechenden Abteilungen oder Dienstleister", sagt Herrmann.

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