Ausgabe 23-24/2012: Kostenrisiko

Kostenrisikonacherfüllung – BGH konkretisiert die Kostentragungspflicht des Verkäufers bei der Ersatzlieferung. AUTOHAUS-JURISTEN Rechtsanwälte G. Haug & PartnerBekanntermaßen hat der Käufer nach § 439 BGB ein Wahlrecht, ob er die Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt. Dabei steht zur letztgenannten Variante oftmals im Streit, wer die Aus- und Einbaukosten bei der Ersatzlieferung zu tragen hat. Dass diese über den reinen Erfüllungsanspruch hinausgehende Kostentragungspflicht seit Jahren heftig umkämpft ist, hat nicht nur einen wirtschaftlichen, sondern auch einen europarechtlichen Hintergrund.Zum einen liegt es auf der Hand, dass die Aus- und Einbaukosten nicht selten die reinen Materialkosten der Kaufsache übersteigen. Man stelle sich etwa ein Ersatzteil vor, das für wenige Euro über die Ladentheke geht und vom Käufer selbst bzw. dessen Werkstatt mit viel Aufwand in sein Fahrzeug verbaut wird. Stellt sich sodann heraus, dass dieses Teil defekt ist, wird der für den Austausch erforderliche Zeit- und Kostenaufwand nicht selten ein Vielfaches des Materialwerts ausmachen. Wie wir an dieser Stelle bereits in AUTOHAUS Heft 19/2009 berichtet haben, ergibt sich daraus ein unüberschaubares Kostenrisiko für den Verkäufer.VerbrauchsgüterkaufMit einer solchen Konstellation war der Bundesgerichtshof exakt vor einem Jahr konfrontiert. In der Sache ging es um den Verkauf von mangelhaften Bodenfliesen mit Mikroschleifspuren, die nicht beseitigt werden konnten und deshalb ausgetauscht werden mussten. Die hierfür anfallenden Kosten beliefen sich auf mehr als das Vierfache des Warenwerts. Der darauf in Anspruch genommene Baumarkt hat sich deshalb auf § 439 Abs. 3 BGB berufen und eine Kostenübernahme wegen Unverhältnismäßigkeit abgelehnt. In erster Instanz wurde dem Käufer lediglich ein Minderungsbetrag für die schadhaften Fliesen zugesprochen und die Klage auf Kostenerstattung für deren Austausch abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dieses Urteil dann dahingehend abgeändert, dass der Baumarkt nicht nur zur Lieferung mangelfreier Fliesen, sondern auch zur Bezahlung der Ausbaukosten verurteilt wurde.Der BGH hat dieses Urteil auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision erneut abgeändert und sich auch ausführlich mit den europarechtlichen Vorgaben zum Verbrauchsgüterkauf auseinandergesetzt (Urteil v. 21. 12. 2011 in NJW 2012, S. 1073 ff.). Danach sei § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB richtlinienkonform dahin auszulegen, als dass die dort genannte Nacherfüllungsvariante „Lieferung einer mangelfreien Sache“ auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Sache erfasst. Weiterhin hat der BGH klargestellt, dass das dem Verkäufer nach § 439 Abs. 3 BGB eingeräumte Recht, die einzig mögliche Form der Abhilfe wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, mit Art. 3 der Verkaufsgüter-Kaufrichtlinie nicht vereinbar ist. Diese Vorschrift ist beim Verbrauchsgüterkauf dahingehend einschränkend anzuwenden, dass ein Verweigerungsrecht des Verkäufers nicht besteht, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist oder der Verkäufer die andere Art der Nacherfüllung zu Recht verweigert. In diesen Fällen beschränkt sich das Recht des Verkäufers, die Nacherfüllung in Gestalt der Ersatzlieferung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, auf das Recht, den Käufer bezüglich des Ausbaus der mangelhaften Sache und des Einbaus der als Ersatz gelieferten Sache auf die Kostenerstattung in Höhe eines angemessenen Betrages zu verweisen.Bei der Bemessung dieses Betrages sind der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen, wobei zu gewährleisten ist, dass durch die Beschränkung auf eine Kostenbeteiligung des Verkäufers das Recht des Käufers auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten nicht ausgehöhlt wird. Urteil vom 17. Oktober 2012Im Ergebnis wurde die den Verkäufer treffende Pflicht, sich an den Aus- und Einbaukosten zu beteiligen, auf einen angemessenen Betrag, welcher der Hälfte des Werts der mangelfreien Kaufsache entsprach, reduziert. Der BGH hat dabei ausdrücklich klargestellt, dass es keine festen Grenz- oder Richtwerte für die Angemessenheit der Verkäuferbeteiligung an den Aus- und Einbaukosten geben kann und eine generelle Regelung dem Gesetzgeber vorbehalten ist.Gerade mal zehn Monate später musste sich der Bundesgerichtshof erneut mit einer gleichgelagerten Thematik auseinandersetzen. Diesmal ging es allerdings um einen Kaufvertrag über ein mangelhaftes Granulat zur Herstellung von Kunstrasenplätzen ohne Beteiligung eines Verbrauchers. Nachdem beide Vorinstanzen dem Käufer neben dem Materialaustausch lediglich die Entsorgungskosten zugesprochen hatten, verfolgte er seinen Anspruch auf Zahlung der Kosten für den Ausbau des mangelhaften Granulats und den Einbau des Ersatzgranulats mit seiner Revision weiter. Der BGH hatte demnach zu klären, ob eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB auch außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs vorzunehmen ist. Insbesondere könne eine richtlinienkonforme Auslegung für das nationale Recht auch über den Geltungsbereich einer Richtlinie hinaus Bedeutung erlangen, wenn eine überschießende Umsetzung einer Richtlinie in das nationale Recht erfolgt ist. Dies sei vorliegend jedoch zu verneinen, weil der Gesetzgeber die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Nacherfüllung bei deren Umsetzung in das Deutsche Recht nicht in die Sonderregelungen für den Verbrauchsgüterkauf nach §§ 474 ff. BGB, sondern in die für alle Kaufverträge geltenden Bestimmungen der §§ 433 ff. BGB eingefügt hat. Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB über den Verbrauchsgüter-kauf hinaus auf den Bereich der Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern ist daher abzulehnen.KurskorrekturIn diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof allerdings klargestellt, dass er an seiner bisherigen Rechtsprechung mit Blick auf die Entscheidung des europäischen Gerichtshofs vom 16. 6. 2011 nicht mehr festhält. Nach der von dort vorgegebenen richtlinienkonformen Auslegung sei es beim Verbrauchsgüterkauf geboten, nicht nur die Kosten für den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache, sondern auch für den Einbau der als Ersatz gelieferten Kaufsache zu erstatten. Rechtsanwalt Walter Sattler, Kanzlei@raehaug-partner.de, www.haug-partner.deKurzfassung1. Beim Verbrauchsgüterkauf nach § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist die Nacherfüllungsvariante „Lieferung einer mangelfreien Sache“ so auszulegen, dass neben dem Ausbau und Abtransport der mangelhaften Kaufsache auch die Kosten für den Einbau der als Ersatz gelieferten Sache mit umfasst sind.2. Das im § 439 Abs. 3 dem Verkäufer eingeräumte Recht, die einzig möglich Form der Abhilfe wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, ist mit Art. 3 der Ver-brauchsgüter-Kaufrichtlinie nicht vereinbar und deshalb beim Verbrauchsgüterkauf einschränkend anzuwenden.3. Diese richtlinienkonforme Auslegung ist auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt und erstreckt sich nicht auf Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern.Kommentar< Das aktuelle BGH-Urteil vom 17. Oktober 2012 wird wohl als „schwere Geburt“ in die Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs eingehen. Die insoweit auftretenden Komplikationen sind dabei nur zum Teil im Gemeinschaftsrecht bzw. der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs geschuldet. Schließlich war dessen Entscheidung zur richtlinienkonformen Auslegung des § 439 BGB bereits seit Juni letzten Jahres bekannt. Dessen ungeachtet hat der Bundes-gerichtshof noch im Dezember letzten Jahres versucht, die Aus- und Einbaukosten der mangelhaften Kaufsache auf einen angemessenen Betrag zu reduzieren. Von daher wäre es nicht nur mit Blick auf die praktischen Folgen, sondern auch wegen der juristisch mehr als fragwürdigen Argumentation des Europäischen Gerichtshofs wünschenswert gewesen, die bisherige Linie beizubehalten. Stattdessen wird in der jüngsten Revisionsentscheidung lapidar mitgeteilt, dass aufgrund des EuGH-Urteils für die Einbaukosten nichts anderes gelten kann als für die Ausbaukosten und an der bisherigen Rechtsprechung nicht festgehalten wird. >

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