Konzeptstudien und Showcars faszinieren ein Messepublikum oft durch verwegene Formen und verblüffende Lösungen. Bei den Designern, die sie gestalten, sind sie aus anderen Gründen beliebt. Dort können sie sich jenseits aller Praxistauglichkeit und Zulassungs-Vorschriften mal richtig austoben: so, wie beim Audi e-tron Spyder. Designer mögen negative Anstellwinkel der Außenspiegel-Flächen. Sieht unverschämt gut aus, aber man schaut nicht nach rückwärts, sondern nach unten auf den Asphalt.
Bei dieser Probefahrt macht das gar nichts, als Rückspiegel fungiert Bill. Er ist ein Cop, er fährt einen ungefähr fünf Meter langen Ford Crown Victoria mit Suchscheinwerfer und Rammschutz. Bill macht hinter mir den Mullholland Highway dicht, damit ich mit dem e-tron Spyder schwungvoll die Kehren ausfahren kann. Weiter vorn ist Bills Kollege unterwegs und verhindert, dass plötzlicher Gegenverkehr den idyllischen Elektro-Ausritt stört. Wäre auch zu schade, wenn dem sündhaft teuren Einzelstück auch nur eine Spoilerlippe gekrümmt würde. Mehrere Millionen soll es wert sein, "mehr als eine, weniger als zehn" ist alles, was aus den Audi-Leuten herauszuholen ist. Ersatzteile? Fehlanzeige. Werden sie gebraucht, wie etwa nach einer kleinen Verladepanne im Anschluss an das 24-Stunden-Rennen in Le Mans, müssen sie extra angefertigt werden.
Heute blitzt er wieder makellos unter kalifornischer Sonne, der e-tron Spyder. Die silbergraue Lackierung setzt die Konturen der Außenhaut besonders wirkungsvoll in Szene. Was bei anderen Fahrzeugen zu Recht die Bezeichnung "Blechkleid" führt, ist hier komplett aus Karbon. Oder aus Aluminium. Wie die Felgen. Aus dem Vollen gefräst und 20 Zoll groß wirken ihre 20 Speichen wie die Lamellen eines Turbinenrades. Als ein silbrig schimmernder Alublock sind auch das Lenkrad, der Kühlergrill und die mit Kühlrippen bewehrte Teilabdeckung des Verbrennungsmotors in den Aufbauprozess dieser Konzeptstudie gestartet. Kein Wunder also, dass da ein hübsches Sümmchen zusammen kam.
Auf Vorhandenes zurück greifen
Noch teurer wäre es geworden, hätten Matthias Seer und seine Kollegen nicht auf Vorhandenes zurück greifen können. Er ist als Ingenieur für die Entwicklung von Konzeptfahrzeugen bei Audi zuständig. Heute sitzt er auf dem Beifahrersitz, für alle Fälle, denn er weiß, wo der Notschalter ist, der alle Systeme schlagartig stilllegt. Als Trägermodul des Zweisitzers fungierte ein R8-Space-Frame aus Vierkant-Profilen, die an die Dimensionen des knapp mehr als vier Meter langen Spyders angepasst wurden. Vom R8 stammt auch die Hinterachse, die Vorderachse vom Audi TT-RS. Sie verdient deshalb besondere Aufmerksamkeit, weil sie die Elektromotoren beherbergt.
Gewöhnlich wird im Hybrid-Fahrzeug der Verbrenner durch nur einen Elektromotor unterstützt. Audi hat diesen Sportwagen aber zwei davon spendiert. Pro Vorderrad gibt es also eine Antriebseinheit auf Strombasis, aus der umgerechnet 88 PS mobilisiert werden können. Quell der Energie ist eine 9,1 kWh-Lithium-Ionen Batterie. Sie sitzt samt Steuerelektronik sowie der unvermeidlichen Wasserkühlung unter der flachen Fronthaube, die entgegen der Fahrtrichtung aufklappt. Rund 100 Kilo wiegt das System. Nicht nur für den Wiedererkennungswert, sondern auch fürs Fortkommen ist das vordere Emblem der vier Ringe nützlich: Wird es elektrisch eingefahren, erscheint der Ladeanschluss des Plug-In-Hybriden sowie eine Anzeige, mit der Stromfluss und aufgeladene Reichweite kontrolliert werden können.
Peter Schneider