Von Dominic Multerer
Die Händler erfuhren das "Gerücht" aus der Presse, dass VW seinen 3.200 Händlern in Europa kündigt. Was bedeutet das für die Branche? Bleibt es bei einem Einzelfall - oder ziehen andere Hersteller gleich? Welche Chancen haben die Händler?
Vertrauensbruch?
Stellen Sie sich vor, Sie erfahren von einem Schulfreund, dass Ihre Frau mit Ihnen nächste Woche die Ehe beenden will. Wie fühlen Sie sich? Schlecht und hintergangen. Sie fragen sich, ob es stimmt. Wenn Sie Ihre Frau darauf ansprechen, kommt nur Schweigen. So fühlen sich die VW-Händler in Europa. Und in ihrem Fall geht es nicht nur um Vertrauen und Partnerschaft, sondern schlichtweg auch um Existenzen.
Im ersten Quartal 2018 werden wohl die Kündigungen ausgesprochen, welche dann voraussichtlich Ende 2019 in Kraft treten. VW und die Händler versuchen seit Jahren Vertriebskosten einzusparen – und der ausbleibende Erfolg wird wohl der Grund für diese groß angelegte Kündigungswelle sein.
Es geht um Geld, worum sonst. Seit Jahren beherrschen auf Händlertagungen, die meist Monolog des Herstellers sind, die Themen "Kosteneinsparung", "Vertriebsaudit" und andere Modewörter die Tagesordnung. Am Ende ist das Ergebnis gleich: VW möchte mehr Geld verdienen. Eine schwierige Situation, denn durch Eigenzulassungen, stetige Rabattaktionen für Großkunden & Co. ist der Händler gezwungen, ebenfalls Rabatte einzuräumen. Dagegen hält der Hersteller, dass wenn der Händler weniger Rabatte gibt, dann habe er ja mehr Ertrag. Ein Teufelskreis, so scheint es.
Beide brauchen einander, Schuld ist dennoch immer der andere. Mit der Kündigungswelle wird VW seine Macht demonstrieren und zeigen, wer der Herr im Haus ist. Der Händler wird etwa ein Prozent seiner Marge abgeben müssen. Große Ketten werden, so wird am Markt vermutet, Sondervereinbarungen bekommen, sodass ein Großteil des Vertriebsnetzes für VW nicht wegbricht.
Unter vorgehaltener Hand berichten mir Händler, dass große und mittlere Gruppen für mögliche Übernahmen "heiß" gemacht werden, weil kleine Betriebe nicht mehr profitabel wirtschaften können. "Die Loyalität zur Marke VW ist da, für das Management und deren wilden Aktionismus, finde ich keine Worte", so ein großer Händler.
Ein Ausweg: Eigenmarke
Die Händler befinden sich in einer extremen Abhängigkeit, weil Sie keine Alternative haben. Sie repräsentieren eine Herstellermarke, aber nicht sich selbst. Die Händler haben selbst als Marke keine Sichtbarkeit, was extrem gefährlich ist, denn mit einem drohenden Verlust eines Herstellers geht jahrelange Arbeit zu Bruch. Bereits 2012 habe ich für eine der größten Mehrmarkengruppen des Landes federführend das Thema Eigenmarke entwickelt, weil es einfach notwendig ist, wenn man unabhängig auf immer schnell rotierende Märkte reagieren will. Der Händler muss begreifen, dass der Erfolg seines Unternehmens nicht an einer Marke hängen darf, die auch noch alles "diktiert". Man braucht eigene Identität, der Kunde muss zum Händler kommen, der die passende Marke im Portfolio hat. Die Eigenmarke ist die Lebensversicherung eines Autohändlers! Leider beschäftigen sich zu wenige damit!
Händler, pack Dir an die eigene Nase!
Ob das alles nun stimmt, oder nicht. Es spielt keine Rolle. Fakt ist: VW hat sich mittel- und langfristig keinen Gefallen getan, seinen "Partnern" in den Rücken zu fallen. Das Vertrauensverhältnis ist massiv gestört, die Marke wird leiden. Kurzfristig werden alle über neue Verträge froh sein, mittelfristig wird man sich an die Firmenpolitik erinnern und mit anderem Produktportfolio sowie dem konsequenten Weg zur Händler-Eigenmarke seine Existenz sichern.
Eines ist mir Besonders wichtig: Liebe Händler, übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Geschäft und legen Sie Ihr Schicksal nicht in die Hände der Hersteller.
Dominic Multerer ist einer der führenden Marketing- und Vertriebsvordenker im Automotivesektor, Hochschuldozent und Redner. Er ist Autor mehrerer Bestseller und zählt u.a. Dürkop, Christoph Kroschke und Goodyear zu seinen Referenzen. Wertvolle Praxistipps gibt es von Dominic Multerer im Webinar bei AUTOHAUS next unter http://next.autohaus.de. Jetzt anmelden!
Oliver Fett