Die Autohäuser nicht nur im Ländle gehen durch schwierige Zeiten. Zum einen haben sie mit einer langen Durststrecke niedriger Margen und den Folgen der Corona-Krise zu kämpfen – Stichwort Lockdown im Handel. Zum anderen findet der Wandel, anders als in der Vergangenheit, erstmalig in einem schrumpfenden Markt statt und wird durch politische Vorgaben ausgelöst und beschleunigt, was für die Betroffenen die Zeit, sich anzupassen, extrem verringert.
Außerdem sehen sich die Betriebe im Vertrieb gerade durch die Digitalisierung in einer unerfreulichen Konkurrenzsituation mit den Herstellern, die in das Geschäftsfeld des Handels eindringen. Neue Wettbewerber aus Asien und den USA, die komplett auf den Direktvertrieb setzen, erhöhen den Druck. "Wir werden also gleich von mehreren Seiten in die Zange genommen", konstatiert Michael Ziegler.
Fördermodelle für Ladeinfrastruktur
Der Präsident des Kraftfahrzeug-Gewerbes Baden-Württemberg forderte deshalb am Dienstag anlässlich der Jahrespressekonferenz seiner Organisation "verlässliche politische Rahmenbedingungen und passende Fördermodelle im Hinblick auf die Ladeinfrastruktur, den Vertrieb von E-Fahrzeugen und die Qualifizierung unserer Beschäftigten." Die Betriebe bräuchten eine finanzielle staatliche Unterstützung, die der gleichwertig ist, die die Automobilindustrie erhält. In den Werkstätten löse die von der Politik angestrebte Verkehrswende hin zur Elektromobilität einen massiven Investitionsbedarf aus, während dadurch gleichzeitig die Werkstattumsätze sinken werden.
"Dieser Investitionsbedarf für die Elektromobilität in den Werkstätten lässt sich kaum aus den Fahrzeugen und deren Wartungsbedarf erwirtschaften", sagte die Pressesprecherin des Verbandes, Birgit Leicht, auf der Basis der Bilanz 2021. Aus der Gesamtentwicklung ergebe sich, dass die Betriebe sich selbst mit der entsprechenden staatlichen Unterstützung neue Geschäftsfelder erschließen müssten, um sich zu behaupten. Der Handel müsse auch bei der Plattformökonomie für Onlinevertriebsmodelle das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen und unabhängig bleiben.
Kritik an zunehmenden Direktgeschäften
Ziegler kritisierte die Autohersteller scharf: Über 144.000 Pkw, mehr als jedes dritte Auto, verkauften die Hersteller in Baden-Württemberg an den Autohäusern vorbei. Die Tendenz gebe es schon lange, habe sich aber in den letzten Jahren zunehmend beschleunigt. "Direktvertrieb stellt für uns einen Angriff auf unser Geschäftsmodell dar." Auch Agenturmodelle bewertet er kritisch, "weil der Handel in vielen Segmenten sein Unternehmertum aufgibt und oftmals zum bloßen Erfüllungsgehilfen der Hersteller wird." Die Einsparungen für den Handel in den bisher bestehenden Agentursystemen rechtfertigten nicht die niedrigeren Vergütungen.
Wucht der Transformation
Die Zahl der Betriebe und Standorte werde in den nächsten Jahren abnehmen, daran besteht für Michael Ziegler kein Zweifel: "Nicht, weil das Interesse am Auto abnimmt, sondern weil die Wucht der Transformation so gewaltig ist und weil das Produkt immer besser wird und immer weniger Wartung erfordert." Die sich ändernde Technik sei aber gleichzeitig eine Chance, denn sie biete Möglichkeiten der individuellen Mobilität, die es vorher nie gab. Das Autohaus als Mobilitätshub werde ein möglicher Weg sein. Autonome Fahrzeuge eröffneten neue Möglichkeiten für Dienstleistungen und neue Mobilitätsformen.