Die Kfz-Innung Region Stuttgart blickt mit gemischten Gefühlen auf die Einführung der Dieselfahrverbote in der Landeshauptstadt Baden-Württembergs vor drei Jahren zurück. "Die Diesel-Pkw werden immer moderner, aber auch langsam weniger", sagte Obermeister Torsten Treiber am vergangenen Freitag mit Blick auf die Nachfrage-Entwicklung der Antriebsart. Innungsgeschäftsführer Christian Reher sprach von der "größten Dieselvernichtungsaktion aller Zeiten". Sie habe Millionenwerte bei privaten Dieselbesitzern zerstört und für 75.000 Selbstzünder weniger im regionalen Fahrzeugbestand gesorgt. Aber: "Der Diesel lebt immer nocht", betonte Reher.
Um Stickstoffdioxid‐Grenzwerte einzuhalten, musste das Land Baden‐Württemberg vor drei Jahren aufgrund von Gerichtsurteilen Diesel-Verkehrsverbote einführen. Seit 1. Januar 2019 dürfen Dieselfahrzeuge der Emissionsklasse Euro 4/IV und schlechter nicht mehr in die Umweltzone Stuttgart einfahren. Seit Juli 2020 gilt im Stuttgarter Talkessel sowie in den Stadtbezirken Bad Cannstatt, Feuerbach und Zuffenhausen – der sogenannten "kleinen Umweltzone" – auch ein Verkehrsverbot für Diesel der Euro 5/V-Abgasnorm.
Schon die Debatte um die Fahrverbote hatte die Dieselzahlen und -werte laut Kfz-Innung nach unten getrieben. So sanken 2018 die Zahlen in der Region bis zum Inkrafttreten der Maßnahmen um fast 18.000 Pkw auf etwas über 505.000. Aktuell sind regionsweit noch 430.000 Dieselautos unterwegs. Um 25.000 sei der Dieselbestand in Stuttgart in dieser Zeit gesunken, aber Pkw gebe es heute deutlich mehr als zu Beginn der Fahrverbote, so Treiber: "Der Bestand hat um rund 35.000 Pkw auf 1,67 Millionen zugenommen. Gefahren wird weiter, dann eben mit anderen Antriebsarten."
Die Rechnung des Verkehrsministers geht auf
Ist die Luft sauberer geworden? Nach den Ausführungen der Innungsverantwortlichen ist dies der Fall: Am vielbefahrenen Neckartor liegt der Jahresmittelwert aktuell bei 36 Mikrogramm Stickstoffdioxid. Zum Vergleich: 2019 waren es dort 53 Mikrogramm Stickstoffdioxid, 2018 noch 71 Mikrogramm Stickstoffdioxid. Reher: "Positiv formuliert lässt sich sagen, dass die Rechnung des Verkehrsministers aufgegangen ist, dass die Furcht vor Fahrverboten die Menschen dazu getrieben hat, alte Diesel abzustoßen." Stuttgart dürfte heute einer der modernsten Dieselflotten in Deutschland haben.
"Unterm Strich ist es das Zusammenspiel der Modernisierungswelle bei den Pkw samt der technischen Maßnahmen wie den Filtersäulen vor Ort", erklärte Roger Schäufele, Kreisvorsitzender der Kfz-Innung. Er verwies auf eine Stuttgarter Besonderheit: "Nirgendwo in der Region wurden seit 2018 so viele Diesel-Pkw neu zugelassen wie hier." Insgesamt waren es mit über 66.000 fast genau so viele wie die 69.000 Diesel-Pkw, die Stand heute in der Stadt gemeldet sind.
Aus Sicht von Reher spielt auch die Entwicklung bei den Nutzfahrzeugen eine Rolle bei der Luftverbesserung durch moderne Diesel. Bei den Durchfahrenden, weil die Durchfahrt für Lkw inzwischen verboten ist. Bei den Einheimischen, weil die Lkw-Flotte mit zuletzt über 18.000 Einheiten eine stabile Größe aufweist. "Lkw werden regelmäßig ausgetauscht, wenn sie bestimmte Fahrleistungen erbracht haben", ergänzte Schäufele. Deswegen seien viele moderne Fahrzeuge im Bestand. Busse waren in Stuttgart zuletzt 510 gemeldet, Zugmaschinen rund 2.300. "Bis jetzt dominiert in diesen Fahrzeuggruppen noch der Dieselmotor, aber die Abgasreinigung hat neue Höhen erklommen", sagte Reher zum technischen Fortschritt.
Vor diesem Hintergrund forderte Treiber, Dieselfahrer nicht länger zu Prügelknaben zu machen. "Wenn jetzt durch Maßnahmen wie die CO2-Besteuerung die Treibstoffpreise steigen, dann ist es natürlich Aufgabe der Politik, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen."