Ausgabe 03/2014: "Keiner will uns versichern"

Super-Gau Überschwemmung: Nicht nur, dass das Autohaus Griesbeck von Inhaber Albert Schwinghammer am 4. Juni 2013 in Deggendorf im Ortsteil Fischerdorf vom Hochwasser überrascht wurde, als gegen 13.30 Uhr der Isar-Damm brach und das Autohaus zwei Meter unter Wasser gesetzt wurde."Es kam zudem so schnell, dass der Ortsteil Fischerdorf innerhalb von 45 Minuten volllief. Wir hatten Wasserhöhen von 1,50 bis drei Meter", erzählt Schwinghammer noch immer fassungslos. Die Erdgeschosse wurden komplett überschwemmt - und damit auch 272 der insgesamt 312 auf dem Gelände stehenden Fahrzeuge. "Lediglich 40 Pkw konnten wir noch rechtzeitig in Sicherheit bringen", erklärt er weiter.Da auch die Gebäude erheblichen Schaden genommen hatten, musste das Jaguar Autohaus komplett geräumt und die verbliebenen Fahrzeuge in die Filialen nach Straubing und Plattling ausgesiedelt werden. Fahrzeugdokumente und IT-Anlage waren glücklicherweise im ersten Stock untergebracht und nicht betroffen. Der Schaden am Gebäude, Inventar und den Fahrzeugen belief sich trotz allem auf elf Millionen Euro.Versicherung kündigte"Das Schlimmste bei der ganzen Sache ist, dass unsere Fahrzeuge und Gebäude nun nicht mehr gegen Überschwemmungen abgesichert sind", sagt Schwinghammer. Denn die VHV Versicherung hat dem Händler Ende 2013 zu allem Übel auch noch die Autohauspolice aufgekündigt, in der eine Multiriskversicherung für Hochwasserschäden integriert war. Grund: zu hohes Risiko für den Versicherer. Den anderen Autohändlern aus der Region ging es ebenso. "Es will uns einfach keiner mehr absichern. Wir haben alle Versicherungen abgefragt", bemängelt Schwinghammer. Der Ortsteil Fischerdorf gilt seit dem Ereignis als Risikozone mit der Gefährdungsklasse ZÜRS vier, nach der alle zehn Jahre eine Überschwemmung auftreten kann. Schwinghammer: "Bei diesem Risiko sagt jede Versicherung ab. Und trotz Zusagen aus der Politik, mit der Versicherungswirtschaft zu reden, um das Überschwemmungsrisiko in Fischerdorf und Natternberg effektiv abzusichern, ist heute leider nichts passiert."Wie das Drama abliefBegonnen hatte alles bereits am frühen Morgen des 4. Juni. "Um acht Uhr war die Evakuierung für das Gebiet Deggendorf bereits im vollen Gange und alle Einwohner mussten aus der Risikozone raus", sagt Schwinghammer. In den zwei Autohäusern mit den fünf Marken Jaguar, Land Rover, Fiat, Volvo und Ford fuhren die Mitarbeiter zu dem Zeitpunkt noch so viele Fahrzeuge wie möglich aus der Gefahrenzone und in die Filiale nach Plattling - man konzentrierte sich dabei besonders auf die bereits verkauften Pkw. "Um zehn Uhr sind wir dann aber bereits durch die Polizei und Feuerwehr gestoppt worden. Erreicht hat uns das Hochwasser erst um 18.30 Uhr. In der Zeit hätten wir noch einige Fahrzeuge retten können."Das gab auch Anlass zu Diskussionen mit der Versicherung, die anfragte, ob man die Fahrzeuge zur Schadensminderung nicht rechtzeitig hätte wegbringen und das Ausmaß der Schäden hätte verhindern können. Die einzige Möglichkeit wäre aber einen Tag vor dem Dammbruch gewesen. Und in der Tat hatte man sich da bereits bei den Behörden und auch der Versicherung nach der aktuellen Gefahrenlage und dem bestmöglichen Vorgehen erkundigt. Vom Versicherer flatterte dem Autohaus allerdings lediglich ein Merkblatt ins Haus, nach dem "von den Behörden ein Lagebericht einzuholen sei und die Fahrzeuge bei Informationen im Rahmen der Schadensminderungspflicht an eine vermeintlich sichere Stelle zu fahren" seien. "Diese vagen Informationen waren für uns nicht wirklich zufriedenstellend", sagt Schwinghammer. "Und auch die des Landratsamtes Deggendorf waren nicht ausreichend."Wer zahlt die elf Mio. Euro?Für die Klärung der Schadensverantwortlichkeit spielten die vorab gegebenen Informationen eine wichtige Rolle, denn der Schadensumfang war mit elf Millionen Euro viel höher als vermutet. Alleine mit den Fahrzeugschäden kam das Autohaus auf über sieben Millionen Euro. Der Inventar- und Gebäudeschaden belief sich auf rund vier Millionen Euro. "Derzeit rechnen wir mit einer Versicherungsleistung von rund 2,5 Millionen Euro über die Gebäude, Inhalt und Inventar abdeckende Multiriskpolice der VHV Versicherung. Einen weiteren Teil erhalten wir durch den Erlös der Fahrzeugwasserleichen. Die Restwerte für ein Pkw betragen allerdings nur noch zehn bis 20 Prozent", so Schwinghammer. Der Rest müsse laut Schwinghammer über die Lagerruheversicherung der Herstellerversicherungen sowie die staatliche Aufbauhilfe gedeckt werden.Die große Problematik bei den Fahrzeugen bestand zudem darin, dass dem Autohaus mit der Multiriskpolice für Umweltschäden zwar eine Deckungssumme von fünf Millionen Euro zustand, für unzugelassene Fahrzeuge aber nur maximal 750.000 Euro. Schwinghammer: "Die meisten Fahrzeuge waren also nicht versichert, denn auch die Lagerruheversicherungen der fünf Herstellerbanken, die nur für einfinanzierte Fahrzeuge gelten, hatten von uns lediglich 23 Fahrzeuge abgedeckt." Die übrigen Pkw waren bei der eigenen Hausbank, der Volksbank, einfinanziert oder bereits abgelöst. Für diesen Fall hatte das Autohaus keinen Versicherungsschutz.Die Lösung"Gelöst haben wir das Versicherungsproblem der Fahrzeuge nun, indem wir künftig einen Teil des Wertes der abgelösten Pkw als Restfinanzierung bei den Her stellerbanken lassen. So bleibt die Lagerruheversicherung weiterhin aktiv. Das funktioniert für zwölf Monate", erklärt Schwinghammer. "Wir brauchen nun noch eine Deckung für gebrauchte Fahrzeuge über die Multiriskpolice oder eine Handelund Handwerkversicherung." Eine weitere Möglichkeit besteht laut dem Autohaus-Inhaber darin, die Sachversicherungen für die einzelnen Risikobereiche separat zu versichern. Schwinghammer: "Problematisch hierbei sind allerdings die Kosten. Eine Bündelung über eine Multiriskpolice ist da wesentlich günstiger."Wer zahlt für Obhutsfahrzeuge?"Ein riesiges Problem bei der Verantwortlichkeit der Schäden haben wir nach sieben Monaten immer noch mit den sogenannten Obhutsfahrzeugen. Das sind Fahrzeuge, die bei uns im Kundenauftrag zur Reparatur standen, oder Gebrauchtwagen, die noch nicht abgemeldet waren", macht Schwinghammer auf einen weiteren Punkt aufmerksam. Es bestünden noch 20 offene Fälle, in denen die Versicherungen darüber verhandeln würden, wer bezahlt.Und auch im Jaguar-Gebäude sind die Schäden nach einem halben Jahr immer noch nicht behoben. Angesichts der Schwere hatten sich die Sanierungstermine laufend verschoben. So musste beispielsweise der Fliesenboden entfernt werden, da die darunter liegende Isolierung komplett durchnässt und in sich zusammengefallen war, so dass die Fliesen nicht trocknen konnten. "Das wurde allerdings erst nach einer dreimonatigen Zeit mit stromfressenden Trocknungsanlagen festgestellt", sagt Schwinghammer. Geplant ist die Wiedereröffnung nun für Anfang April.Druck auf PolitikWenn alle Schäden behoben sind, gilt es immer noch, die wichtigste Frage beantworten zu können: Ab wann wird für die Deggendorfer von welchen Assekuranzen ein Versicherungsschutz für das Überschwemmungsrisiko angeboten? Da von Seiten der Politik bisher nichts bewegt wurde, hat sich ein Kreis aus Händlern, der Stadt Deggendorf, dem Landratsamt und dem Wasserwirtschaftsamt formiert, der sich nun des Krisenmanagements annimmt und als Ideenspeicher zur zukünftigen Verhinderung von Wasserschäden fungieren soll."Darüber hinaus sind wir intensiv mit dem Landratsamt Deggendorf im Gespräch, um auf politischer Ebene das Wirtschaftsministerium dazu zu bewegen, mit den Versicherungen eine Lösung für unser Überschwemmungsrisikogebiet auszuhandeln und spezielle Policen für Händler zu kreieren", erklärt Schwinghammer und appelliert an die Händler: "Ich kann jedem nur raten, sich mit seinen Versicherungen intensiv auseinanderzusetzen und den eigenen Schutz genau zu überprüfen." Denn bei einer Überschwemmung gäbe es im Gegensatz zu anderen Elementarschäden fast ausschließlich Totalschäden bei den überschwemmten Fahrzeugen.Leitfaden für mehr Schutz1. Lagerruheversicherung für alle Neufahrzeuge abschließen2. Überprüfen, ob Höhe der Deckungssumme mit Fahrzeug-/Gebäudewert übereinstimmt3. Elementarschadenversicherung gegen alle Umweltschäden abschließen4. Eigenes Gebiet bei Versicherung auf Stufe des Risikozonengebiets überprüfen lassen5. Mit Politik verhandeln: Versicherungsschutz für Händler muss angeboten werden6. Pkw bei Risiko sofort wegfahren und nicht auf Behörden verlassen7. Mitarbeiter sensibilisieren8. Notfallplan installieren

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