Fahrzeugtechnik: HU 4.0 wird kommen

Elektronische Assistenzsysteme, automatisiertes Fahren & HU-Adapter: Moderne Fahrzeugtechnik ist nicht alleine bei den Verbrauchern ein großes Thema (s. Grafik), auch in der Fahrzeugbranche gewinnt dieser Bereich zunehmend an Bedeutung.AUTOHAUS sprach dazu mit Dr. Gerd Neumann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Dekra Automobil GmbH, über die Zukunft der Fahrzeugprüfung, die Weiterentwicklung des HU-Adapters, das Notrufsystem eCall und das hochautomatisierte Fahren in 2020.AH: Herr Dr. Neumann, im aktuellen Dekra-Verkehrssicherheitsreport geht es besonders um Fahrerassistenzsysteme zur Unfallverhütung. Wie verändern diese die technische Fahrzeugüberwachung?G. Neumann: Die Fahrzeugtechnik entwickelt sich rasant weiter, und das bedeutet: Wir werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine "Hauptuntersuchung 4.0" brauchen. Um den verkehrssicheren und umweltgerechten Betrieb über das gesamte Fahrzeugleben sicherzustellen, wird die Prüfung moderner elektronischer Systeme in Zukunft ein Schlüsselelement sein - umso mehr im vernetzten Fahrzeug.AH: Was bedeutet das für die Dekra?G. Neumann: Das ist für uns als Überwachungsorganisationen eine Herausforderung. Andererseits liegt auch eine Riesenchance darin, dass wir im Sinne unseres Auftrags für Verkehrssicherheit und Umweltschutz mit dem Fahrzeug kommunizieren können. Deshalb haben wir uns - in Deutschland, aber auch in Europa - auf den Weg gemacht in Richtung HU 4.0. Der im vergangenen Jahr hierzulande eingeführte HU-Adapter ist dabei ein wichtiger Schritt. Er schafft technisch die Grundlage für die weitere Entwicklung der Prüfung.AH: Welche Erfahrungen konnten Sie bisher mit dem HU-Adapter machen?G. Neumann: Der HU-Adapter ist in seiner Funktionalität auf die Bedürfnisse bei der Fahrzeugprüfung zugeschnitten: Es geht darum, Mängel festzustellen, nicht mehr und nicht weniger - auch weil die Prüfung effizient und für den Fahrzeughalter bezahlbar sein muss.Die Diagnose dagegen zielt darauf ab, die Ursache für einen Mangel zu finden, damit auch repariert werden kann. Das ist dann Sache der Werkstatt. Insgesamt sind unsere Erfahrungen mit dem HU-Adapter positiv. Wir haben die Einführung bei uns gut vorbereitet, was die Ausrüstung und Schulung unserer 4.500 Prüfingenieure anging. Das war ein großer Aufwand, der sich allerdings auch gelohnt hat - auch wegen des Technologiesprungs, den wir für uns selbst damit verknüpft haben. Unsere Prüfingenieure arbeiten mit modernsten mobilen Systemen. Als Marktführer bei der Fahrzeugüberwachung wollen wir immer auch Technologieführer sein.AH: Welche Potenziale schlummern noch in der Technik?G. Neumann: Die Einführung der Bezugskraftmethode bei der Bremsprüfung unter Verwendung des HU-Adapters an Lkw ist aktuell ein Beispiel für die Weiterentwicklung der Inhalte der HU. Daran arbeiten die Überwachungsorganisationen gemeinsam mit den Behörden und der Fahrzeugsystem Daten GmbH (FSD) schrittweise weiter. Voraussetzung dafür ist unter anderem eine Verbesserung der Datenlieferung durch die Fahrzeughersteller. Für dieses Thema stehen verbindliche Regelungen noch aus. Sie sind wichtige Voraussetzungen für die Zukunft der Fahrzeugüberwachung.AH: Welche Komplexität werden elektronische Assistenzsysteme noch annehmen?G. Neumann: Assistenzsysteme werden mehr und mehr zu automatisierten Fahrfunktionen verknüpft. Um die Möglichkeiten und Sicherheitspotenziale voll auszuschöpfen, spielt in diesem Zusammenhang auch die zunehmende Vernetzung der Fahrzeuge eine wichtige Rolle. Das Fahrzeug selbst kann wichtige Informationen weitergeben, Telematik-Lösungen rücken in den Mittelpunkt - etwa beim künftig vorgeschriebenen Notrufsystem eCall. Hier sind die Überwacher gefordert; solche Funktionalitäten müssen in der HU 4.0 geprüft werden können.AH: Wie könnte das funktionieren?G. Neumann: Wir brauchen Musterlösungen für moderne Telematik-Systeme. Wir werden uns schrittweise auch dem Thema hochautomatisiertes Fahren und später ggf. voll automatisierten Systemen stellen. Aktuell werden die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass hochautomatisierte Systeme zugelassen werden können, etwa mit der ECE-Regel R79 zum Thema Lenkanlagen. Grundsätzlich folgen die Inhalte der zukünftigen HU den bestehenden Ansätzen mit Verbauprüfungen, Zustands- und ergänzenden Funktions- bzw. Wirkprüfungen, wie sie bei der Bremse heute bereits eingeführt sind.AH: Wann wird sich das automatisierte Fahren durchgesetzt haben?G. Neumann: Bis 2020 können wir, zunächst vorwiegend Autobahnfahrten, hochautomatisierte Systeme als Vorstufe des vollautomatisierten Fahrens erwarten. Die Verbreitung im Bestand lässt sich über die jährlichen Neuzulassungen und den Prozentsatz der ausgestatteten Fahrzeuge grob berechnen. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, der bereits begonnen hat. Vollautomatisiertes Fahren wird hingegen noch relativ lange auf sich warten lassen. In der Innenstadt sind hochautomatisierte Systeme ebenfalls noch längere Zeit unwahrscheinlich, mit Ausnahme des Valet Parking in besonderen Parkhäusern. Klar ist: Mit der Weiterentwicklung des HU-Adapters werden wir stets in vergleichbarer Schrittweite zu dieser spannenden Entwicklung bleiben.AH: Herr Neumann, herzlichen Dank für das Gespräch!Interview: Daniela KohnenKurzfassungDie Zukunft der Aftersales-Branche wird laut Dekra-Experten u. a. in der Prüfung elektronischer Assistenzsysteme liegen. Auch der eCall gehört dazu.

Fahrzeugtechnik: HU 4.0 wird kommen

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