Volkswagen: Gemeinsam mit dem Handel

Trotz der Probleme bei Diesel und WLTP ist Volkswagen mit dem Jahr 2018 zufrieden. Im Interview spricht Holger Santel, Leiter Vertrieb und Marketing Deutschland Volkswagen Pkw, über den Transaktionsprozess, das Händlernetz und Direktvertrieb. AH: Herr Santel, das Jahr 2018 war in vielfacher Hinsicht schwierig beispielsweise hinsichtlich WLTP oder Dieselrestwerte. Der Handel war ziemlichen Belastungen ausgesetzt. Wie hat Volkswagen abgeschnitten? H. Santel: Mit 541.000 ausgelieferten Fahrzeugen konnten wir um 1,8 Prozent wachsen. Auch die Rendite der Händler liegt im Durchschnitt bei 1,4 Prozent. Damit ist die Profitabilität um 0,5 Prozentpunkte gegenüber 2017 gestiegen. Wir sind also in Summe mit dem Jahr zufrieden. Wir haben den Handel im Januar ausführlich über die neuen ID. Modelle informiert und damit im besten Wortsinn "angezündet". Die Partner freuen sich auf die neuen E-Fahrzeuge, das Feedback war sehr positiv. AH: Ist das Thema WLTP hinsichtlich Lieferfähigkeit inzwischen vom Tisch? H. Santel: Unsere Modellpalette ist fast zu 100 Prozent verfügbar, es fehlen nur noch ganz wenige Varianten. Die WLTP-Probleme des Jahres 2018 haben wir also überstanden. Das spiegelt sich auch in unserem guten Jahresstart wider. Der Auftragseingang liegt über Vorjahr und wir konnten die Auslieferungen im Februar steigern. Wir blicken optimistisch auf den weiteren Jahresverlauf. Kernthemen 2019 sind unsere kürzlich eingeführte Dachmarke "IQ.DRIVE", mit der wir zum autonomen Fahren hinführen, die Kooperation mit dem Deutschen Fußballbund und natürlich unser neuer vollelektrischer ID. Der Handel hat erkannt, dass da viele positive Themen kommen. Wir gehen von einer weiteren Verbesserung der wirtschaftlichen Situation unserer Partner aus. AH: Sie wollen weiter wachsen? H. Santel: Wir sind zuversichtlich, in diesem Jahr erneut zu wachsen. Transaktionsprozess ohne Syntegration AH: Im vergangenen Jahr wurde auch der neue Vertrag verhandelt. Die Ausführungsbestimmungen fehlen noch. Der Verband hat die Händler und den Vertrieb Deutschland in AUTOHAUS aufgefordert, den Transaktionsprozess fortzusetzen. Wie geht es hier weiter? H. Santel: Der Vertrag und die Richtlinien liegen vor. Wir müssen die Vereinbarungen jetzt mit Leben füllen. Sie sprechen die Syntegration an, die im vergangenen Jahr stattgefunden hat. Hier ging es ja darum, unterschiedliche Parteien zusammenzuschweißen und strukturiert Handlungsfelder festzulegen. Dabei hat uns die Syntegration gemeinsam mit dem Partnerverband geholfen, uns in die Rolle des jeweils anderen zu versetzen. So konnten wir für beide Seiten tragfähige Lösungen für unser zukünftiges Geschäftsmodell und die neuen Händlerverträge erarbeiten. An der Stelle im Prozess, an der wir jetzt stehen, gibt es aus meiner Sicht geeignetere Methoden als die Syntegration. Neues Konzept wird im MMI vorgestellt AH: Sie werden also die Zusammenarbeit mit Prof. Malik aus St. Gallen nicht fortsetzen? H. Santel: Wir werden dem Handel unser Konzept zum weiteren gemeinsamen Vorgehen im April im Marketing Management Institut in Braunschweig zusammen mit einer renommierten Hochschule vorstellen. Kernthemen sind unser neues gemeinsames Geschäftsmodell "Future Sales" und die Inhalte des neuen Vertrags. AH: Mit wem wird das MMI zusammenarbeiten? H. Santel: Dazu möchte ich noch nichts sagen. Die gesamte Branche befindet sich in einer Phase der fundamentalen Transformation, der Markt verändert sich massiv. Viele Gegebenheiten im klassischen Vertrieb inklusive der Kundenwünsche verändern sich durch die Digitalisierung und die E-Mobilität. Da macht es Sinn, über den Tellerrad hinauszuschauen und sich von Externen inspirieren zu lassen, was wir aus anderen Branchen für unser zukünftiges gemeinsames Geschäft lernen können. AH: Wie hat man sich das Produkt mit welchen Adressaten vorzustellen? H. Santel: Wir werden mit einer Gruppe von Händlern anfangen, die opinion leader sind. Danach planen wir weitere Veranstaltungen, um gemeinsam mit dem Partnerverband die gesamte Händlerschaft mitzunehmen und den Vertrag mit Leben zu füllen. Wir brauchen dazu diesen Prozess und das neue Format. Mit dem Partnerverband haben wir eine gute gemeinsame Basis, um diese Themen anzugehen. Direktvertrieb im Web AH: Der neue Vertrag sieht die Möglichkeit des Direktvertriebs über das Internet ausdrücklich vor. Wie soll dieser Vertriebsweg gestaltet werden? H. Santel: Zunächst sollten wir uns vergegenwärtigen, was Direktvertrieb letztlich bedeutet. Wir haben diese Möglichkeit zwar im Vertrag festgehalten, wollen aber weiterhin den Händler mit dem Kunden in Kontakt bringen. Wir gehen davon aus, dass der Großteil unserer Kunden ihr Fahrzeug auch zukünftig im Handel kaufen wird. Wir beobachten jedoch, dass die Zahl derer steigt, die sich einen Online-Kauf wün-schen. Andere Branchen sind hier schon weiter, daher werden wir das ebenfalls anbieten. Wichtig ist: Wir machen alles gemeinsam mit dem Handel. Auch bei Direktgeschäften definiert der Kunde seinen betreuenden Handelspartner, der dann daran angemessen beteiligt wird. Ein Beispiel ist das Pre-Booking für unseren neuen vollelektrischen ID., das am 8. Mai startet. Dann können sich Kunden online einen Produktionsslot für ihr Fahrzeug per Reservierungsbetrag sichern. Der Handel übernimmt dann im späteren Schritt die Verkaufsabwicklung. Übrigens heißt Online-Kauf nicht unbedingt Direktvertrieb durch den Hersteller. Wir bieten unseren Händlern bereits digitale Plattformen an, damit sie ihre Gebrauchtwagen dort online verkaufen können und sich nicht selbst um die Technik dahinter kümmern müssen. Rund 1.000 Vertriebspartner AH: Wie viele Händler haben den neuen Vertrag unterschrieben? H. Santel: 99 Prozent aller deutschen Händler haben den ab 01.04.2020 gültigen neuen Vertrag angenommen und somit dem neuen Geschäftsmodell zugestimmt und Volkswagen ihr Vertrauen für die Zukunft ausgesprochen. Aktuell haben wir 997 Partner und 968 Servicebetriebe. AH: Nun weiß die Öffentlichkeit nicht, wie viele befristete Verträge davon abgeschlossen wurden. Mit wie vielen Händler planen Sie mittelfristig? Man hört immer von 400. H. Santel: Das Händler- und Servicenetz der Marke Volkswagen im Heimatmarkt Deutschland ist historisch bedingt dichter als in anderen Märkten, so dass sich das Geschäft auf viele Betriebe verteilt. Die notwendige Konsolidierung des Netzes läuft bereits seit Jahren und wird konsequent fortgesetzt. Volkswagen wird seinen Kunden auch in Zukunft ein dichtes und kundennahes Händler- und Servicepartnernetz in Deutschland bieten. Einsparungen im Vertrieb AH: Wie reagiert der Vertrieb auf Konsolidierung und Digitalisierung? Wie viele Positionen lassen sich dadurch einsparen? H. Santel: Unsere vorrangige Aufgabe ist es, uns im Vertrieb, Marketing und Aftersales so aufzustellen, dass wir die Möglichkeiten des neuen Vertrags mit Leben füllen. Dazu gehört auch, dass wir zukünftig getreu unserem gemeinsamen Motto mit dem Handel "We act as one" direkten Kundenkontakt haben werden. In anderen Branchen wird das aufgrund der Digitalisierung bereits gelebt. Das ist eine große Aufgabe, der wir uns gerne stellen. Der ID. ist dabei für uns das Tor zur Zukunft. AH: Wird es in diesem Jahr wieder eine Einmalzahlung an den Handel geben? H. Santel: Aufgrund der positiven Entwicklung der Handelsrendite ist das aktuell nicht geplant. WLTP 2019 im Griff AH: Nun gibt es ja in 2019 den zweiten Akt, was WLTP betrifft, ist man da jetzt besser vorbereitet? H. Santel: Wir haben letztes Jahr viel zum Thema WLTP gelernt und sind daher dieses Jahr besser vorbereitet. Im neuen Modelljahr haben wir die Komplexität des Angebots deutlich reduziert und rund ein Viertel der Varianten gestrichen, die weniger stark nachgefragt wurden. Das bedeutet weniger Homologationsaufwand. Gleichzeitig haben wir die Kapazitäten unserer Prüfstände um 30 Prozent erhöht und den beteiligten Fachbereichen mehr Personal zur Verfügung gestellt. Wir sind daher optimistisch, dass die Auswirkungen in diesem Jahr deutlich geringer ausfallen werden als 2018. Angebote zur Steuerersparnis AH: Nun gibt es für Dientwagennutzer die Chance, 50 Prozent der Steuer einzusparen, wenn man sich für einen Plug-in-Hybrid oder ein E-Mobil entscheidet. Welche besonderen Angebote wird es dazu geben? H. Santel: Wir haben in Genf den neuen Passat GTE vorgestellt, die aktualisierte Plug-in-Hybrid-Version unseres wichtigs -ten Flottenfahrzeugs. Das Auto hat eine deutlich verlängerte rein elektrische Reichweite von 55 Kilometern gemessen nach WLTP, das entspricht 70 Kilometern nach NEFZ. Der Golf GTE wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte wieder verfügbar sein. Darüber hinaus bieten wir unsere vollelektrischen Modelle e-Golf und e-up! an. Ab nächstem Jahr kommt dann natürlich der ID. mit bis zu 550 Kilometern Reichweite als sehr attraktive neue Option auch für Dienstwagennutzer hinzu. AH: Herr Santel, herzlichen Dank für das Gespräch. Interview: Ralph M. Meunzel

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