Diesel-Emissionen: Fahrverbote für Diesel-Pkw?

Nicht nur infolge des VW-Skandals stehen Diesel-Pkw derzeit im Fokus der Abgas-Diskussion. Aktuelle Gerichtsentscheidungen zwingen die Verwaltung zu kurzfristig effektiveren Maßnahmen, um den in Ballungsräumen regelmäßig gemessenen Überschreitungen zulässiger Schadstoffkonzentrationen wirksam entgegenzutreten. Thema ist vor allem der Stickstoffoxid-Ausstoß von Dieselmotoren, der in Verbindung mit der Zahl der Diesel-Pkw hauptverantwortlich gesehen wird für die gemessenen Grenzwertüberschreitungen. Abgasfakten Unbestreitbar trägt der Autoverkehr einen erheblichen Teil zur Luftverunreinigung bei. Die Rede ist weltweit von 150 Millionen t CO2 jährlich, die bei der Kraftstoffverbrennung entstehen, daneben 820.000 t Kohlenmonoxid, 520.000 t Stickoxide (NOx) und 46 Millionen t Ruß. Bei den Stickstoffoxiden und bei Ruß hat der Diesel gegenüber Benzinmotoren deutlich "die Nase vorn". Die Art des Kraftstoffs und die hohen Verbrennungstemperaturen mit großem Luftanteil begünstigen hier den Ausstoß, wohingegen die CO2-Werte günstiger sind. Den Pkw-Dieselmotoren wurden in der Vergangenheit bei NOx großzügige Toleranzen zugestanden, die erst mit der Einführung der Euro 6-Normen deutliche Einschränkungen erfahren haben. Die Emissionsgrenzwerte wurden hier von zuvor 180 mg/km bei Euro 4 und 5 zurückgefahren auf 80 mg/km. Für Benzinmotoren gelten 60 mg/km. Bei 27 % der 517 offiziellen Messstationen zur Überwachung der Luftreinhaltung in Deutschland soll kontinuierlich eine - teils deutliche - Überschreitung der NO2-Jahresgrenzwerte vorliegen. Die Überschreitungen betreffen städtische Ballungsräume und werden maßgeblich dem Fahrzeugverkehr zugeschrieben. Nach weiteren Zahlen des Umweltbundesamts erzeugt der Straßenverkehr 71 % aller NO2 -Emissionen. Weitere Verursacher wie Industrieanlagen, Heizkraftwerke, Groß- und Kleinfeuerungsanlagen und chemische Prozesse auf landwirtschaftlichen Flächen teilen sich die restlichen 29 %. Innerhalb des Straßenverkehrs verursachen Diesel-Pkw mit 67 % den Löwenanteil der Stickstoffemissionen, gefolgt von den Nutzfahrzeugen mit 22 %. Fast jeder zweite in den letzten Jahren neu zugelassene Pkw ist mit einem Diesel-Aggregat ausgestattet, aber in der Summe erfüllten 2016 nur gut 500.000 der Diesel-Pkw die Norm Euro 6. Bei einer zeitnah gewünschten Verbesserung der Messergebnisse stehen deshalb die Pkw-Dieselfahrzeuge nachvollziehbar im Fokus. Luftreinhaltung Ausgangspunkt der Vorschriften zur Luftreinhaltung ist die Richtlinie 2008/50/EG. Festgelegt werden dort unter anderem Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Feinstaub, Schwefeldioxid, Benzol, Kohlenmonoxid, Blei und Ozon. Die Richtlinie enthält darüber hinaus konkrete Vorgaben zur Kontrolle der Luftqualität, für Alarmstufen und Informationspflichten gegenüber der Öffentlichkeit. In nationales Recht umgesetzt wurden diese Vorschriften unter anderem mit der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung. Zum Schutz der Gesundheit werden die Immissionsgrenzwerte für NO2 definiert mit im Jahresschnitt 40 µg/m³ und akut für den Zeitraum 1 Stunde mit einem Durchschnittswert von max. 200 µg/m³. Die Alarmgrenze wird überschritten, wenn in 3 aufeinanderfolgenden Stunden der Wert von 400 µg/m³ gemessen wird. Bereits in Konzentrationen ab 40 µg/m³ gilt Stickstoffdioxid als gesundheitsschädlich, kann die Schleimhäute angreifen, Hustenreiz, Atembeschwerden, Augenreizung, Kopfschmerzen und gegebenenfalls Herz- und Kreislauferkrankungen verursachen. Mögliche Rechtsgrundlagen für Fahrverbote Fahrverbote zur Luftreinhaltung werden als Verkehrsbeschränkungen von den Gemeinden als untere Straßenverkehrsbehörden auf der Grundlage von § 40 Bundes-Immissionsschutzgesetz erlassen. Dies entweder zur Durchsetzung von Maßnahmen der Umweltbehörden oder aber auch aufgrund eigener Befugnis und eigenem Ermessen zur Verhinderung schädlicher Luftverschmutzung. Auf Länderebene verpflichtet § 47 BImSchG die Umweltbehörden, bei Überschreitung der von der 39. BImSchV vorgegebenen Toleranzgrenzen für Schadstoffe in der Luft sogenannte "Luftreinhaltepläne" mit geeigneten Maßnahmen zu erstellen, "um den Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich zu halten". Bei Überschreitung der Alarmwerte haben die Behörden zusätzlich auch kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen, um Abhilfe zu schaffen. In beiden Fällen besteht unter anderem explizit auch die Möglichkeit, den Kraftfahrzeugverkehr zu beschränken. Ist dies vorgesehen oder angeordnet, haben die Gemeinden diese Vorgaben umzusetzen und gegebenenfalls in Abstimmung mit der Umweltbehörde über Ausnahmen zu entscheiden. Bei der Wahl der Mittel zur Einhaltung der Grenzwerte ist der Verursacheranteil zu beachten. Fahrverbote haben sich also nach Möglichkeit bevorzugt gegen Fahrzeuge mit besonders hohem Schadstoffausstoß zu richten. Aber auch außerhalb von Vorgaben der Umweltbehörden besteht die Befugnis der Straßenverkehrsbehörde, den Kraftfahrzeugverkehr auf bestimmten Straßen oder in bestimmten Gebieten ganz oder teilweise zu verbieten, wenn dies zur Einhaltung verordneter Grenzwerte erforderlich ist. Die Bundesregierung ist hierbei ermächtigt, durch Verordnung bestimmte Kraftfahrzeuge mit geringer Schadstoffbelastung von Verkehrsverboten ganz oder teilweise auszunehmen und die hierfür maßgeblichen Kriterien festzulegen. Hiervon wurde 2007 mit der 35. Bundesimmissionsschutzverordnung Gebrauch gemacht. Die Kraftfahrzeuge wurden unterschiedlichen Schadstoffgruppen zugeordnet mit Kennzeichnung durch verschiedenfarbige Umweltplaketten, die eine Kontrolle von kommunalen Einfahrverboten in Umweltzonen ermöglichen. Die bestehenden Einteilungen sind für eine Differenzierung der Dieselfahrzeuge insgesamt und untereinander jedoch nicht tauglich. Länder und Kommunen wünschen sich hier zusätzlich die "blaue Plakette" für Diesel-Pkw, da ein Verbannen aller Diesel einschließlich Euro 6 aus den Innenstädten unter dem Gesichtspunkt des Verursacheranteils unverhältnismäßig erscheint. Daneben wäre auch eine gesonderte Kennzeichnung der übrigen Dieselfahrzeuge notwendig, da anderenfalls ein spezielles Durchfahrtsverbot faktisch nicht zu kontrollieren ist. Das Bundesverkehrsministerium sieht nach aktuell bekanntem Stand der Diskussion jedoch keine Notwendigkeit zur Einführung weiterer Plaketten. Die betroffenen Länder und Gemeinden werden hier mangels eigener Kompetenz im Regen stehen gelassen. Gerichtliche Verfahren Aktuelle Verwaltungsgerichtsurteile aus verschiedenen Bundesländern verpflichten Umweltbehörden der Länder in Anbetracht andauernder wesentlicher Überschreitungen der NO2 -Werte in verschiedenen Großstädten zur zeitnah effizienteren Fortschreibung und Umsetzung der Luftreinhaltepläne insbesondere auch unter Berücksichtigung der bekannten Problematik des Schadstoffausstoßes der Diesel-Armada. Sollten diese Entscheidungen Bestand haben, rücken Diesel-Fahrverbote in Ballungsräumen in greifbare Nähe. Eine Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht steht aber noch aus. Näheres hierzu beleuchten wir in der nächsten Ausgabe von AUTOHAUS mit Teil II. Kurzfassung 1. Diesel-Pkw sind hauptverantwortlich für die anhaltende Überschreitung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte in vielen Ballungsräumen. Mit Einführung der Euro 6-Norm wurde der zulässige NO²-Ausstoß allerdings ganz erheblich reduziert und in die Nähe der Benzinmotoren gerückt.2. Bei Überschreitung der zulässigen Grenzwerte haben die Umweltbehörden der Länder Luftreinhaltepläne zu erstellen mit geeigneten Maßnahmen, um den Zeitraum der gesundheitsgefährdenden Einwirkungen so kurz wie möglich zu halten. Hiermit beschäftigen sich aktuelle Gerichtsentscheidungen, die im nächsten Heft besprochen werden.3. Die Straßenverkehrsbehörde hat für die Umsetzung solcher Pläne und die Einhaltung der Schadstoffgrenzen in der Luft erforderlichenfalls durch Fahrverbote Sorge zu tragen. Zu berücksichtigen ist der "Verursacheranteil". Kommentar Die Lage ist unübersichtlich. Stirbt der Diesel-Motor vorzeitig wegen Abgaswerten und Fahrverboten? Alarmiert durch Nachrichten von drohenden Fahrverboten in Großstädten fürchten viele Dieselfahrer um ihre Mobilität und den Wert ihres Fahrzeuges. Bei Neufahrzeugen sollen die Diesel-Bestellungen rückläufig sein, die Nachfrage nach gebrauchten Diesel-Fahrzeugen aber ungebrochen. Begleitet wird das Ganze von laufend neuen Berichten über Abgastests mit erhöht gemessenen Schadstoffwerten. Die Autoindustrie propagiert weiterhin den geringen Kraftstoffverbrauch von Dieselmotoren als Grundlage günstiger Emissionswerte. Ein halbwegs zuverlässiger Blick in die Zukunft ist nicht möglich. Feststehen dürfte allerdings, dass bei tatsächlichem Erlass künftiger Diesel-Fahrverbote in Ballungsräumen Beschränkungen für Fahrzeuge mit der Euro 6-Norm schwer darstellbar sein werden. Darüber hinaus werden wieder eine Menge Ausnahmen notwendig sein, um die notwendige Versorgung durch Lieferanten, Taxen, Krankenwagen etc. zu gewährleisten. Auch Übergangsfristen für Anwohner mit einem Diesel-Pkw werden dann ein Thema sein. Ein Käse ohne Löcher würde es wohl nicht werden. Zu hoffen ist in jedem Fall, dass die Luft in den Löchern wieder eine gute ist.Robert Glocker Rechtsanwalt

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