Erbschaftsteuer: Erbschaftsteuerreform, quo vadis?

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat nun einen ersten Gesetzentwurf zur Reform der Erbschaftsteuer vorgelegt, mit dem in einem neuen Anlauf verfassungsfeste Regelungen geschaffen werden sollen. Notwendig wurde dies, indem Teile der bisherigen Regelungen zur Begünstigung von Unternehmensvermögen vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für verfassungswidrig erklärt wurden und das BVerfG dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung bis spätestens 30.06.2016 gesetzt hat. Schon bei dem jetzt vorliegenden ersten Referentenentwurf zeichnet sich doch immerhin eine Grundtendenz ab. Die Erfahrung zeigt aber, dass kaum ein Gesetz so beschlossen wird, wie der ursprüngliche Referentenentwurf lautete. Änderungen sind also durchaus zu erwarten, wobei hier die "politische Großwetterlage" eine nicht unerhebliche Bedeutung hat: die bestehende große Koalition auf Bundesebene einerseits und die Situation im Bundesrat andererseits, in dem die große Koalition über keine Mehrheit verfügt. Eckpunkte des Referentenentwurfs Der Gesetzentwurf des BMF behält im Grundsatz das derzeitige Begünstigungskonzept mit der Gewährung eines Verschonungsabschlags in Höhe von 85 Prozent (Regelverschonung, wonach 85 Prozent des Betriebsvermögens steuerfrei bleiben) bzw. von 100 Prozent (Optionsverschonung mit völliger Steuerfreiheit des begünstigten Betriebsvermögens). Weiterhin ist aber (wie bisher) zwischen begünstigtem und nicht dem Grunde nach für den Betrieb notwendigem "nicht begünstigtem" Betriebsvermögen (bisher als Verwaltungsvermögen bezeichnet) zu unterscheiden. Allerdings werden die Regelungen aufgrund der Vorgaben des BVerfG erheblich modifiziert. Dabei geht es vor allem um Folgendes: Neudefinition des Begriffs "begünstigtes Vermögen" Bei den Voraussetzungen für die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen ist vorgesehen, dass das "Alles-oder-Nichts-Prinzip" bei den bisherigen Verwaltungsvermögenstests abgeschafft und durch ein "Aufteilungsprinzip" ersetzt wird. Danach sind die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen nur noch auf das begünstigte Unternehmensvermögen anzuwenden, während das nicht begünstigte Unternehmensvermögen der Erbschaftsteuer unterliegen soll. Zudem soll der Verwaltungsvermögenstest abgeschafft und durch eine Neudefinition des begünstigten Vermögens ersetzt werden. Die Einordnung als begünstigtes Unternehmensvermögen soll grundsätzlich davon abhängig sein, ob ein Wirtschaftsgut im eigenen Betrieb einer originären gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient oder nicht. Hier bahnen sich also bereits weitere neue Abgrenzungsprobleme und erhebliche zusätzliche bürokratische Hürden an. Lohnsummenregelung u. a. Weiterhin sollen bei größeren Betrieben die Steuerfreistellungen von der Aufrechterhaltung der Löhne (Lohnsumme) nach der Betriebsübertragung abhängig sein. Die Arbeitnehmerzahl, bei der Betriebe von der Einhaltung solch einer Lohnsummenregelung ausgenommen sind, soll künftig auf drei Arbeitnehmer abgesenkt werden (bisher 20 AN). Bei Betrieben mit vier bis zehn Arbeitnehmern soll durch eine Flexibilisierung den schwer kalkulierbaren Folgen bei Änderungen der Beschäftigtenzahl Rechnung getragen werden. Dazu soll die Mindestlohnsumme bei einer Lohnsummenfrist von fünf Jahren auf 250 Prozent (also mindestens jährlich durchschnittlich 50 Prozent) beziehungsweise bei einer Lohnsummenfrist von sieben Jahren auf 500 Prozent abgesenkt werden. Bei Erwerb von großem begünstigtem Vermögen über 20 Mio. Euro (Prüfschwelle) soll eine völlig neue Verschonungsbedarfsprüfung eingeführt werden. D. h. unterhalb der Prüfschwelle gelten die oben genannten Steuerbefreiungen, darüber sind zusätzliche Bedingungen erforderlich. Diese weitere Prüfschwelle erhöht sich auf 40 Mio. Euro, wenn bestimmte qualitative Merkmale in den Gesellschaftsverträgen oder Satzungen vorliegen, wonach z. B. Entnahme-, Abfindungs- und Verfügungsbeschränkungen enthalten sein müssen. Diese gesellschaftsvertraglichen Regelungen müssten 10 Jahre vor und 30 Jahre nach dem Übertragungsstichtag vorliegen. Für die Einhaltung der Prüfschwelle sollen außerdem zeitraumbezogen mehrere, innerhalb von 10 Jahren von derselben Person anfallende Erwerbe zusammengerechnet werden. Verschonungsbedarfsprüfung bei Großbetrieben Sind oben genannte Grenzen überschritten, dann gelten andere Verschonungsregelungen "nur bei Bedürfnis": Zum einen soll anderes Vermögen bei dieser Bedarfsprüfung mit berücksichtigt werden, und je nach "Bedarf" und Antrag gibt es Verschonungsabschlag und Stundungsmöglichkeiten. Die Details hierzu sind wohl am meisten umstritten, wenn überhaupt in der Koalition Kompromissfähigkeit besteht. Deshalb gibt es dazu schon diverse Änderungsanträge, Details dieser Regelungen für Großbetriebe bleiben einem besonderen Beitrag vorbehalten. Die geplanten Neuregelungen sollen dabei erstmals für Erwerbe anzuwenden sein, deren Erbschaft- und Schenkungsteuer nach dem Inkrafttreten des Reformgesetzes entsteht. Für Erwerbe bis zu diesem Zeitpunkt sollen die derzeitigen Regelungen weitergelten. Kurzfassung 1. Änderungen des Gesetzentwurfs im weiteren Gesetzgebungsverfahren sind mit Sicherheit zu erwarten.2. Bei "minimalinvasiven" Eingriffen in die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen wird es wohl nicht bleiben, insbesondere scheint alles noch komplizierter und unsicherer zu werden.3. Für Erwerbsvorgänge bis zum Inkrafttreten des endgültigen Reformgesetzes gelten weiterhin die derzeitigen Regelungen. Kommentar Startschuss in eine neue Runde um ein verfassungskonformes Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht? Nein! Auch die geplante Regelung erscheint kaum verfassungskonform. Insbesondere gilt wie schon bisher: Je größer das Vermögen eines Schenkers/ Erblassers ist, desto besser kann man durch Vermögensumschichtungen /-gestaltungen die Steuerfreiheit erlangen.So kann jede "Arbeitnehmer-Klausel" oder "Lohnsumme" durch "outscourcing" oder "Zukauf" lohnintensiver weiterer Betriebe rechtzeitig gesteuert werden - aber nur, wenn dazu ausreichend "Manövriermasse" vorhanden ist. Und selbst wenn kleinere Betriebe eigentlich auf eine Steuerfreiheit hoffen können, eine Bewertung (ggf. Gutachten, besonders für Immobilien) sowohl des begünstigten, aber eben auch des nicht begünstigten Betriebsvermögens ist immer erforderlich. Die geplante Neuregelung würde jedenfalls zu weiterem Bürokratieaufbau führen und den Betrieben schon allein dadurch höhere Kosten aufbürden.Michael Böhlk-Lankes Rechtsanwalt Steuerberater www.raw-partner.de

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