Erwin Hymer World: Caravaning Lifestyle

Die Erwin Hymer World neben dem Wertheim Village ist das Aushängeschild der Erwin Hymer Group, Wohnmobil-Hersteller aus dem schwäbischen Bad Waldsee. Es ist der größte herstellereigene Retail-Betrieb der Gruppe. Die Hymer Gruppe wird aktuell vom amerikanischen Rivalen Thor-Industries übernommen - und so zum stärksten Caravaning-Hersteller Europas. Firmengründer Erwin Hymer, der die Vision "Caravaning Lifestyle" auch für Wertheim entwarf und mit Unterstützung von Baden-Württembergs damaligem Ministerpräsidenten Günther Öttinger auf die Schiene brachte, verstarb 2013. Zur Erwin Hymer Group gehören die Marken Bürstner, Carado, Dethleffs, Etrusco, Hymer, Laika, LMC, Niesmann+Bischoff, Sunlight und der Zeltanhängerhersteller 3DOG-camping.Aktuell wird in der Wertheimer Erlebniswelt auf 28.000 Quadratmetern das mobile Reisen vom Einsteigerfahrzeug bis zur Luxusmarke präsentiert. Und das mit über zehn verschiedenen Marken. In Wertheims Erwin Hymer World werden jährlich überregional 800 neue Reisemobile, Wohnwagen, Kastenwagen und Anhänger sowie 300 Gebrauchtfahrzeuge verkauft. Weitere Wertheim-Highlights sind ein großer Zubehörshop mit Camping- und Caravaningzubehör von Movera, der Zubehörmarke der Hymer Group, sowie ein großer Weber-Grillshop. Ferner eine Vermietstation sowie ein spezialisierter Werkstatt- und Servicebereich. Die 76 Mitarbeiter in der Erwin Hymer World in Wertheim erwirtschaften einen Jahresumsatz von 58 Millionen Euro.Der Caravaning-MarktInsgesamt sind auf dem deutschen Markt 1,1 Millionen Caravans und Reisemobile registriert. Seit 2010 steigt die Zahl der neu zugelassenen Freizeitfahrzeuge. 2018 wurden 74.566 Freizeitfahrzeuge verkauft. Davon waren 35.594 Reisemobile. Das achte Rekordjahr in Folge. Diese Aufwärtsentwicklung soll sich auch 2019 fortsetzen. Besonders bevorzugt: Campingbusse. Der Gebrauchtwagenmarkt umfasste im vergangenen Jahr 27.864 Besitzumschreibungen. Dieser Markt gilt als ausgedünnt. Eine weitere Besonderheit: Die Industrie kommt auf dem Neufahrzeugsektor in der Produktion nicht nach.Drittes markantes Standbein im Freizeitfahrzeugvertrieb sind neben den Neuen und Gebrauchten die Mietmobile. Da sind nicht nur Vermietketten wie Cararent, DRM, Rent-Easy, der ADAC, McRent, Intercaravaning-Rent, sondern auch aktiv die Hymer Group unterwegs. Junge Mietrückläufer sind begehrte Ware. Die zugehörige GW-Garantie gibt es nur beim Fachhändler. Das Vermietgeschäft ist nicht nur Wachstumsmarkt, sondern aktive wie begehrte Gattung für späteren Fahrzeugbesitz. Nicht Nutzung, Besitz! Der Anteil der gewerblichen Zulassungen liegt beim Wohnmobil bei 33 Prozent. Das eigentliche Wachstum wird in erster Linie vom Privatmarkt getragen.Neue UrlaubsträumeOb am Strand, in den Bergen, in Städten oder im Grünen: Mobiles Reisen ist vielfältig. Und das immer in den "eigenen vier Wänden"! Worin liegen die Besonderheiten des Geschäftsmodells der Erwin Hymer World? Stefan Rostek, Professor für Automobilwirtschaft an der Hochschule in Geislingen und vor Ort als Coach und Berater eingebunden, baute AUTOHAUS die Brücke nach Wertheim und dort zu Geschäftsführer Florian Ritsch, der seine fachlichen Fundamente aus seiner Tätigkeit im Autohaus Kunzmann, Aschaffenburg, mitbrachte. Dazu führten wir nachstehendes Interview.AH: Herr Ritsch, wie steuert man zehn verschiedene Marken unter einem Dach?F. Ritsch: Bei zehn Marken unter einem Dach laufen zahlreiche Aspekte zusammen. Jede Marke hat ihren eigenen Markenkern, hinter dem Markenwerte mit unterschiedlichen Zielgruppen stehen. Die Kunst liegt also darin, den jeweiligen Kundenfokus zu treffen. Ohne Frage, Kannibalisierungsgegebenheiten lassen sich nicht immer vom Tisch wischen. Es seien auch die unterschiedlichen Einkaufskonditionen und damit die Händlermargen benannt. Ohne Frage, das ist für unser gesamtes Verkäuferteam, zehn Mitarbeiter stark, jeden Tag eine Herausforderung. Aber eine mit durchaus interessanten Facetten.AH: Kann man bei zehn verschiedenen Marken auch auf 28.000 Quadratmetern Ausstellfläche jedes Modell ausstellen? Präsentieren Sie hier ständig 200 verschiedene Modelle?F. Ritsch: Das wäre wünschenswert, ist aber nicht realistisch. Wir präsentieren sehr wohl jede Marke mit einer großen Modellauswahl. Wir leben in unserer Branche alle vielfach das Thema "Blind-Vororder". Es wird also für ein Jahr im Voraus jedes Modell vordisponiert. Das bedeutet, bei Abverkauf ist ein neues Modell sofort gar nicht lieferbar. Ja, das Thema Disposition gleicht einem Kunststück. Man steuert primär aufgrund der eigenen Erfahrungswerte und bestellt nach Nachfrage. Zudem hat jeder Hersteller unterschiedliche Lieferzeiten. Dabei sind auch die unterschiedlichen Orderprozesse der Marken zu beachten. Bei einigen Marken laufen diese elektronisch, bei anderen allerdings noch deutlich analoger.Aktuelle VerkaufspraxisAH: Wie trifft Sie die Dieselmalaise und wie wird in dieser Zeit das Neue disponiert? Ferner, wie werden in Ihrer Branche die Rabattschlachten geschlagen?F. Ritsch: Wir können hier auf Ausnahmegenehmigungen verweisen. Außerdem spielt uns in die Karten, dass nicht jeder Reisemobilist unbedingt am Montagmorgen nach Stuttgart muss. Ich darf von einem bislang verschonten Szenario sprechen. Der Modelljahreswechsel wird ganz gezielt im Verbund mit den genannten Messen herbeigeführt. Die eigentlichen Rabattschlachten finden auf diesen Messen statt. Bei der Marke Hymer sind 130 Verkäufer auf dem Messestand, alle von den jeweiligen Hymer-Händlern Deutschlands. Jeder Händler zahlt für die Teilnahme seiner Verkäufer auf den Messen. Wie Sie sich vorstellen können, wird hier untereinander ohne Bandagen um den günstigsten Preis gefightet.S. Rostek: Es spielt bei Caravan und Reisemobilen die Zyklizität für die Disposition eine besondere Rolle, getrieben durch die beiden von Herrn Ritsch genannten zentralen Messen, den Caravan Salon in Düsseldorf und die eben stattgefundene CMT-Caravaning, die größte Publikumsmesse für Tourismus und Freizeit in Stuttgart. Der Modelljahresfokus hat noch einen weiteren naheliegenden, aber unerwünschten Effekt. Wird das Modelljahr beworben, obwohl keine größeren Änderungen stattgefunden haben, "veralten" zahlreiche Bestandsfahrzeuge künstlich, was zu entsprechender Rabattgewährung auf diese Bestandsware führt. Für die Händler wird das Thema durch die noch starren Möglichkeiten der Neuwagen-Disposition verschärft.AH: Was wird wann geordert?F. Ritsch: In den vergangenen Jahren musste man, damit man überhaupt eine Ware erhält, bereits für ein ganzes Jahr zu starren Preisen vordisponieren und froh sein, wenn man überhaupt die Ware bekam. Mittlerweile sorgen die Produktionskapazitäten der Hersteller, die schneller wachsen als die Nachfrage, für unterjährige Sonderaktionen. Wir beobachten da aktuell, dass durch die Maßnahme konservativer vorzudisponieren im doppelten Sinn Bewegung in die Pipeline kommt.GebrauchtfahrzeugmarktAH: Und wie ist der Gebrauchtfahrzeugmarkt zu charakterisieren?F. Ritsch: Wir bewegen uns im Gebrauchtfahrzeugmarkt im Investitionsgüterbereich. Man muss dabei das Geschäft als Ganzes sehen. Wenn der Gebrauchtwagenverkauf oder -einkauf nicht fließt, stagniert der Neuwagenabsatz. Es geht hierbei um spezifische Größenordnungen. Es gibt Fahrzeuge, die sind zehn Jahre alt und haben einen Wert von 80.000 Euro und mehr. Hier spielt also in der Verkaufspraxis das Kommissionsgeschäft eine große Rolle. Wird für das Altmodell beispielsweise zu wenig bezahlt, behält der Eigner sein Mobil. Wir wollen auf diesem Feld nicht die große Marge machen, aber den Gebrauchten durchaus als Zahlungsmittel für das Neufahrzeug hochhalten. Nochmals, der Fokus liegt hier auf dem Gesamtgeschäft.AH: Hilft dabei das Instrument der GW-Garantie? F. Ritsch: Der Fokus der GW-Garantie ist auf den Bereich der Aufbauten zu setzen. Wir arbeiten hier mit der GGG. Wir spielen die Karte der klassischen GW-Garantie, wie bei den Automarken "Junge Sterne", "Weltauto" u. a. noch zurückhaltend. Schließlich gibt es die GW-Garantie nur im Fachhandel. Die Variabilität der individuellen Laufzeiten ist hier ausdrücklich vorhanden und wir arbeiten selbstverständlich mit dieser Variablen.Service-ManagementAH: Und wie gelingt bei diesem Markenmeer das Thema Service? Dort sind bei Ihnen 17 Monteure beschäftigt. Sie arbeiten hier mit einem Verrechnungssatz von 109 Euro inkl. MwSt.?F. Ritsch: Das können wir ganz gut bewerkstelligen, da die Bauteile oftmals von Marke zu Marke gleich sind. Wir sind da in Sachen Reparatur, Fahrzeugprüfung oder auch Nachrüstung gut aufgestellt. Die Herausforderungen liegen mehr in der Serviceabwicklung, in der effektiven Prozessgestaltung. Denken Sie nur an die unterschiedlichen Marken-Modalitäten der Garantieeinreichung und Abwicklung.Auch junge Menschen wollen besitzenAH: Was kann der Automobilhandel vom Freizeitfahrzeughandel lernen?F. Ritsch: Ohne Frage ist das Thema Werthaltigkeit in unserem Geschäft viel markanter ausgeprägt. In Sachen Disposition oder Serviceoptimierung müssen wir allerdings noch kräftig nacharbeiten.S. Rostek: Heute wird oft die These proklamiert, Kunden möchten ein Fahrzeug nicht mehr besitzen, sondern künftig nur noch nutzen. Man redet die De-Emotionalisierung des Produkts förmlich herbei. Gerade das immense Absatzwachstum der letzten Jahre im Bereich Caravan und Reisemobile karikiert doch den angeblich so stark vorhandenen Wechsel zu einer Sharing Economy. Das zeigt nämlich, dass viele - übrigens auch junge - Menschen eben doch besitzen wollen, obwohl scheinbar vernünftige Argumente wie Cost of Ownership und Parkplatzprobleme hier doch eigentlich komplett dagegensprächen. Davor sollten meines Erachtens gerade die Premiumhersteller im Automobilhandel nicht die Augen verschließen und ausschließlich auf Mobilitätsdienstleistungen setzen, die den Besitz ablösen sollen. Bei einer "Mobilitätsdienstleistung auf Abruf" wie einer Taxifahrt ist es mir persönlich nämlich egal, ob ich in einem BMW, Mercedes oder auch Lexus sitze. Soll heißen: Die Entwicklung der Freizeitbranche zeigt, dass es vermutlich noch sehr lange einen relevanten Markt für einen eigenen, individuellen, komfortablen und mobilen Rückzugsort geben wird. Dann sollte gegenüber den gleichen Menschen doch aber auch der Dienstwagen als mobiles Arbeitszimmer oder das Privatfahrzeug als mobiles Wohnzimmer vermarktbar sein.Interview: Prof. Hannes BrachatKurzfassungDie Erwin Hymer World verkauft jährlich überregional 800 neue Reisemobile, Wohnwagen, Kastenwagen und Anhänger sowie 300 Gebrauchtfahrzeuge. 76 Mitarbeiter erwirtschaften einen Jahresumsatz von 58 Millionen Euro.

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