Ein Gastkommentar von Stephan Lützenkirchen
Die Großwetterlage im deutschen Automobilgeschäft erscheint höchst unsicher. Das Käufervertrauen in Hersteller und Politik ist aus bekannten Gründen beschädigt, gegenüber Autofahrern wird in nie gekannter Weise der moralische Zeigefinger erhoben und die "Generation Z" will vom Auto angeblich nichts wissen. Hinzu kommen die bekannten und verstetigten Spannungen zwischen Handel und Hersteller zu Volumen, Strafzahlungen und Marken-Standards. Die – nun auch durch mehr und mehr Online-Portale weiter forcierte – Reduzierung des Geschäftsmodells auf die Gewährung von immer höheren Nachlässen macht auch keine echte Freude. Wo sind da die Impulse, die guten Ideen?
Vive La Car ist so ein guter Impuls: Das Start-up aus Stuttgart hat eine Plattform für ein innovatives Auto-Abo entwickelt, die nur Gewinner kennt. Der Händler kann junge Gebrauchtwagen kostenlos und sehr einfach im Abo anbieten und findet somit ein Ventil für den oft zu großen Bestand mit einer branchendurchschnittlich trägen Standzeit von rund 90 Tagen! Für die Abonnenten ergibt sich ein neues und attraktives Angebot, welches sich an Menschen mit einem unklaren oder nur temporären Bedarf an Automobilität richtet. Und da das Portal ausschließlich für Markenhändler reserviert ist, werden sich die Hersteller freuen, dass für die Abonnenten auch ein Markenerlebnis nach ihren jeweiligen Vorstellungen gewährleistet ist.
Natürlich, es ist ein Abo und das Auto ist somit nicht verkauft. Aber es ist eine Chance, neue Kunden über einen neuen Kanal für das selbst genutzte Auto ganz allgemein oder auch eine bestimmte Marke, ein bestimmtes Modell zu begeistern. Dabei wird ein moderner, rein digitaler Prozess geboten, der kein Papier vorsieht und alle Beteiligten – Händler und Abonnent – höchste Sicherheit verspricht. Der Händler mobilisiert selektiv seine Bestandware und bekommt den Wertverzehr sowie alle Kosten für die Nutzung der Fahrzeuge erstattet. Der Kunde zahlt einen fairen Preis, welcher die klassischen Kanäle Leasing und Finanzierung nicht zwangsläufig konterkariert.
Eine Generation, die schnellen Konsum und Abos (Netflix und Spotify lassen grüßen) gewohnt ist und lange Bindungen meidet, wird sich einem attraktiven Auto-Abo gerne zuwenden und so den Weg in die Autohäuser finden, was ja schon ein großer Erfolg wäre. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, dass aus Abonnenten schließlich auch dauerhafte Kunden werden können. Auch für die Vermarktung neuer Technologien wie E-Fahrzeuge hat das Abo Charme – so können mögliche Vorbehalte durch die flexible Bindung abgebaut und Kunden zum Test motiviert werden.
Dass es ausschließlich um sofort verfügbare Bestandware geht, wird nicht zuletzt auch Auto-Kritikern gefallen, denn die werden sagen, dass so wenigstens Ressourcen geschont werden.
Nicht überall, wo Abo draufsteht, ist auch ein Abo drin. Oft ist es ein kosmetisch behandeltes Leasing zu einem aggressiven Preis, der dem Handel keinen Spaß macht. Vive La Car ist ein echtes Abo, wo der Händler die zentrale Rolle spielt und es kommt damit eine neue Leichtigkeit ins Autogeschäft. Mit nur wenigen Klicks und einer einzigen Unterschrift wird eine neue Zielgruppe gelockt. Das ist eine sehr gute Idee und in der gegenwärtigen Großwetterlage wie ein sich aufklarender Himmel nach einem bedrohlichen Gewitter.
Zum Autor: Stephan Lützenkirchen kennt die Autobranche aus dem Effeff. Bekannt ist er vor allem für seine über 26-jährige Tätigkeit im PSA-Konzern in Deutschland. Zu seinen Stationen zählten unter anderem der Neuwagenverkauf in der Kölner Citroën-Niederlassung, die Vertriebsverantwortung der Geschäftsbereiche Firmenkunden, Nutzfahrzeuge und Autovermietungen/Leasinggesellschaften sowie die Leitung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Von 2014 bis 2018 war Lützenkirchen Kommunikationschef bei der Peugeot Citroën Deutschland GmbH.
Luca Klauke