Mängelhaftung: 2018 kommt überfällige Neuregelung

Die Bundesregierung hat vor wenigen Wochen einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bauvertragsrechts, des Verbraucherschutzes und der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche auf den Weg gebracht. Was Letzteres anbelangt, geht es namentlich um die Nacherfüllungspflicht gemäß § 439 BGB unter Berücksichtigung der sogenannten Aus- und Einbaukosten. Ausgangspunkt war die 10 Jahre zurückliegende "Parkettstäbe"-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hatte entschieden, dass der Nacherfüllungsanspruch des Käufers sich nicht auf den Ersatz von Kosten erstrecken könne, die durch den Ausbau der mangelhaften und den Einbau einer mangelfreien Sache entstanden sind. Der europäische Gerichtshof widersprach dem BGH und entschied, dass die Regelung des § 439 BGB bei Verbrauchergeschäften im Lichte der Kaufrechtsrichtlinie RL 1999/44/EG ausgelegt werden muss. Nach dem Urteil des EuGH vom 16.06.2011 kann der Verkäufer einer beweglichen Sache im Rahmen der Nacherfüllung gegenüber einem Verbraucher verpflichtet sein, die bereits eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und die Ersatzsache einzubauen oder die Kosten für beides zu tragen. Ausweitung des Nacherfüllungsanspruchs Die EuGH-Entscheidung stellt eine Ausweitung des Nacherfüllungsanspruchs des Verbrauchers gegenüber der bundesdeutschen Rechtspraxis dar. Nach der bis dahin geltenden Rechtsprechung handelt es sich bei dem Nacherfüllungsanspruch des Käufers um eine Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs mit der Folge, dass der Nacherfüllungsanspruch im Umfang nicht weiter reichen kann als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch. Dies ist nach § 433 Abs. 1 BGB regelmäßig nur auf die Übereignung und die Übergabe einer mangelfreien Kaufsache gerichtet. Zum Ersatz weitergehender, durch den Ein- und Ausbau der mangelhaften Kaufsache verursachter Kosten wäre der Verkäufer dem Verbraucher nur verpflichtet gewesen, wenn die weitergehenden Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs nach den §§ 437, 440 BGB vorliegen würden. Danach müsste der Verkäufer insbesondere schuldhaft gehandelt haben. Nach der Entscheidung des EuGH kann hingegen schon der Nacherfüllungsanspruch des Verbrauchers den Ausbau der mangelhaften Kaufsache und den Einbau der Ersatzsache bzw. den Ersatz der Kosten für beides mit umfassen. Diese Ausgestaltung des Nacherfüllungsanspruches geht vor allem zu Lasten der Handwerker und Bauunternehmer. Sie schulden ihrem Auftraggeber im Rahmen der vertraglichen Nacherfüllung regelmäßig den Ausbau der mangelhaften Kaufsache und den Einbau des mangelfreien Ersatzmaterials. Diese Kosten können um ein Vielfaches höher sein als der reine Materialwert. Demgegenüber kann der Werkunternehmer von dem Verkäufer der mangelhaften Sache häufig nur die Lieferung einer neuen Kaufsache verlangen. Die Kosten für den Ausbau und den erneuten Einbau der mangelfreien Sache muss er selbst tragen, wenn die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs mangels eines Verschuldens des Verkäufers nicht erfüllt sind. Gesetzesänderung Mit Blick auf diese unterschiedliche Handhabung zwischen den Verbrauchern einerseits und den Lieferanten andererseits bestand Handlungsbedarf. § 439 BGB wird deshalb mit Wirkung zum 01. Januar 2018 wie folgt geändert bzw. nach dessen Abs. 2 wird folgender Abs. 3 eingefügt: "Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, nach seiner Wahl entweder selbst den erforderlichen Ausbau der mangelhaften und den Einbau der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache vorzunehmen oder dem Käufer die hierfür erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. Der Verkäufer ist auf den Aufwendungsersatz beschränkt, wenn 1. dem Ausbau der mangelhaften und dem Einbau der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache durch den Verkäufer ein berechtigtes Interesse des Käufers entgegensteht oder 2. der Verkäufer nicht innerhalb einer vom Käufer bestimmten angemessenen Frist erklärt hat, dass er den Aus- und Einbau selbst vornehmen werde. § 442 Abs. 1 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass für die Kenntnis des Käufers an die Stelle des Vertragsabschlusses der Einbau der mangelhaften Sache durch den Käufer tritt. Die bisherigen Abs. 3 und 4 werden die Abs. 4 und 5." Im Ergebnis wird mit dieser Gesetzesänderung die aktuelle Rechtsprechung lediglich kodifiziert. Von erheblich praktischer Bedeutung ist dabei allerdings, dass dieser erweiterte Nacherfüllungsanspruch auch dann gilt, wenn der Käufer ein Unternehmer beziehungsweise ein Handwerker ist. Von daher können auch Unternehmer gegenüber anderen Unternehmern die Aus- und Einbaukosten geltend machen, wenn der Einbau der mangelhaften Kaufsache nach der Art dieser Sache und ihrem Verwendungszweck vorgesehen ist. Regressmöglichkeit Als Ausgleich für diese erweiterte Mängelhaftung wird mit dem neu eingefügten § 445 a BGB eine Regressmöglichkeit gegenüber dem Lieferanten der mangelhaften Kaufsache geschaffen. Diese gilt allerdings nur für neu hergestellte und nicht bei gebrauchten Sachen. Zudem muss der Mangel der Kaufsache, der zum Aufwendungsersatzanspruch des Käufers gegenüber dem Verkäufer geführt hat, bereits bei Übergang der Gefahr beim Lieferanten auf den Verkäufer vorhanden gewesen sein. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift ist aber eine Fristsetzung gegenüber dem Lieferanten entbehrlich, wenn der Verkäufer die Kaufsache infolge ihrer Mangelhaftigkeit vom Käufer zurücknehmen musste oder der Käufer den Kaufpreis gemindert hat. Nach Abs. 3 finden diese Regressregelungen in der weiteren Lieferkette entsprechend Anwendung, d. h. der Lieferant kann die Kosten wiederum auf seinen Lieferanten abwälzen, wenn die Kaufsache bereits beim Gefahrübergang mangelhaft war. Die Besonderheit dieser Neuregelung ist deren künftige Anwendbarkeit auch im Verhältnis zwischen zwei Unternehmern i.S.d. § 14 BGB. Dieser Regressanspruch umfasst dann nicht nur die Kosten für den Aus- und Einbau, sondern auch den weitergehenden Aufwand, die dem Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung gegenüber dem Käufer entstehen. Nach dem neu eingefügten § 445 b BGB beträgt die Verjährungsfrist für diese Ansprüche gegenüber dem Lieferanten zwei Jahre ab dem Zeitpunkt der Ablieferung der Kaufsache. Kurzfassung 1. Nach der zum 01.01.2018 geltenden Neufassung des § 439 BGB wird die bisherige Rechtsprechung zu den sog. Ein- und Ausbaufällen gesetzlich geregelt.2. Dieser erweiterte Nacherfüllungsanspruch gilt künftig auch im Verhältnis zwischen zwei Unternehmern, wenn der Einbau der mangelhaften Kaufsache nach der Art dieser Sache und dem Verwendungszweck vorgesehen ist.3. Gemäß § 445 a BGB n.F. kann der Käufer einer mangelhaften Sache seinen Lieferanten für diese erweiterte Mängelhaftung in Regress nehmen.4. Diese Regressmöglichkeit gilt für die gesamte Lieferkette und verjährt in zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Übergabe. Kommentar Nach einer Umfrage des ZDH gehen mehr als die Hälfte der Gewährleistungsfälle auf mangelhafte Bauteile bzw. Herstellerfehler zurück. Gleichwohl blieben die Handwerksbetriebe auf den damit verbundenen Kosten oftmals sitzen, weil die Hersteller dafür nicht in Verantwortung genommen werden konnten. Die Haftungsfälle des Handwerkers für Materialfehler seiner Lieferanten hat damit insbesondere für kleine Betriebe ein existenzbedrohendes Ausmaß angenommen. Die ab dem Jahr 2018 geltende Neuregelung, wonach derjenige auch für die Ein- und Ausbaukosten haftet, der das mangelhafte Material zu verantworten hat, war deshalb längst überfällig.Rechtsanwalt Walter Sattler

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