Sachmängelhaftung: Druckmittel Transportkostenvorschuss

In der Praxis häufen sich zuletzt die Fälle, in denen pfiffige Anwaltskollegen Mängelbehebungsverlangen ihrer Mandantschaft aus Neu- oder Gebrauchtwagenkaufverträgen mit der Aufforderung verbinden, vorab erhebliche Beträge als Vorschuss für die Fahrzeugverbringungskosten zu überweisen. Dies betrifft insbesondere Fälle mit großer Distanz zwischen dem Wohnsitz des Käufers und dem Geschäftssitz des Verkäufers. Durchgesetzt werden soll damit das Anliegen des Kunden, die gewünschte Reparatur möglichst bei ihm vor Ort auf Kosten des Verkäufers vornehmen lassen zu können. Tatsächlich geschuldet werden solche Vorschussbeträge nicht und es kann allenfalls in Ausnahmefällen über das Bestehen einer Anspruchsgrundlage diskutiert werden. Die Fälle Meist geht es um Gebrauchtfahrzeuge, die per Internet einen Käufer mit Wohnsitz in größerer Entfernung gefunden haben, also beispielsweise um einen Mercedes SL, der das Zeug zum künftigen Klassiker hat und aus dem Münchner Raum an einen Sammler in Hamburg verkauft wurde. Oder aber um ein Fahrzeug, das der aus Leipzig stammende Käufer beim Händler im Raum Stuttgart erworben hat. Die Abläufe sind oft ähnlich: Nach dem Kauf wird das Fahrzeug vom Käufer bei sich vor Ort mit oder ohne Veranlassung zur Überprüfung in eine Werkstätte des eigenen Vertrauens gegeben. Diese stellt Reparaturbedarf fest und liefert einen entsprechenden Kostenvoranschlag. Der Kunde fordert den Händler - oftmals gleich mit Anwaltsschreiben - zur Erteilung des entsprechenden Reparaturauftrages und zur Übernahme der Kosten auf. Nur hilfsweise erfolgt die Aufforderung, die reklamierten Mängel bis Datum "X" selbst zu beheben. In vielen Fällen ist diese Aufforderung nicht korrekt gestellt, da nicht angeboten wird, das Fahrzeug zum Händler zu verbringen. Neuerdings enthalten Anwaltsschreiben vermehrt gleich von Anfang an oder nach erklärter Bereitschaft des Händlers zur Prüfung die Forderung, vorab beispielsweise 900 Euro als Vorschuss für die anfallenden Transportkosten zu überweisen, damit das Fahrzeug dem Händler überstellt werden kann. In einem Fall verlangte ein Kunde zuletzt sogar 1.200 Euro für einen geschlossenen Einzeltransport. Die Kunden berufen sich auf Kostenangebote von Speditionen oder auf Berechnungen mit Kilometern und Zeitaufwand. Argumentiert wird damit, dass die Nacherfüllung für den Kunden kostenfrei zu erfolgen hat und der Händler in diesem Zusammenhang auch verpflichtet ist, anfallende Transportkosten zu tragen. Der richtige Weg Im "Normalfall" - d. h. wenn keine besonderen Vereinbarungen getroffen wurden und keine besonderen Umstände vorliegen - hat der Händler berechtigte Nacherfüllungsansprüche am Ort seines Geschäftssitzes zu erfüllen, wo auch der Verkauf des Fahrzeugs erfolgte. Wenn also die Aufforderung zur Reparatur durch den Händler mit der erklärten Bereitschaft verbunden ist, das Fahrzeug beim Verkäufer zur Verfügung zu stellen, muss dieser spätestens reagieren. Kann ein Kompromiss nicht gefunden werden, hat er sich zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, der Diagnose der Werkstatt des Kunden zu vertrauen und zur Vermeidung eigenen Aufwands überpflichtmäßig eine Übernahme der Reparaturkosten zuzusagen. Oftmals erscheinen die Forderungen aber auch nicht plausibel oder stark überzogen und eigene Reparaturmöglichkeiten günstiger. Dann ist die eigene Prüfung anzubieten, ob behauptete Mängel vorliegen und ob sie der Sachmängelhaftung aus dem Kaufvertrag unterfallen. Eine Reparaturzusage bereits vor einer solchen eigenen Prüfung wird oft verlangt, ist aber nicht geschuldet. Von der Forderung, einen Transportkostenvorschuss zu leisten, sollte sich der Händler im Rahmen der von ihm zu treffenden Entscheidungen nicht beeindrucken und vor allem nicht täuschen lassen. Ein Vorschuss muss normalerweise nicht bezahlt werden. Hierauf wird nachfolgend noch näher eingegangen. Aus der Höhe der Forderung lässt sich jedoch vorab entnehmen, ob der Kunde den erforderlichen Aufwand realistisch beurteilt. Es kann sich auch ein Anhaltspunkt ergeben, mit welchem Aufwand diesbezüglich bei berechtigtem Reparaturverlangen zu rechnen ist. Es bleibt dem Händler in diesem Zusammenhang unbenommen, vorab alternativ günstigere Transportmöglichkeiten aufzuzeigen oder anzubieten, die für den Kunden jedoch zumutbar sein müssen. Im Fall des oben genannten Sammlerfahrzeuges war beispielsweise darüber zu diskutieren, ob eine vom Händler angebotene Abholung des Fahrzeuges und Verbringung auf der eigenen Achse wegen der zu fahrenden Kilometer angenommen werden muss. Die Parteien haben sich auf einen Anhängertransport verständigt. Vom Händler zu übernehmen sind im Ergebnis jedenfalls immer nur die tatsächlich erforderlichen Kosten. Kein Vorschuss auf Transportkosten Maßgebliche Anspruchsgrundlage des Sachmängelhaftungsrechts für die Übernahme von Transportkosten ist § 439 Abs. 2 BGB. Danach hat der Verkäufer "die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen". Dieses Recht zur kostenfreien Nacherfüllung umfasst zunächst den Aufwand des Verkäufers zur Mängelbehebung. Transportkosten zum Ort der Nacherfüllung sind nach der juristischen Kommentatur Aufwendungen des Käufers, die der Verkäufer zu ersetzen hat. Um die Ersatzpflicht eintreten zu lassen, muss zunächst einmal überhaupt ein sachmängelhaftungspflichtiger Mangel vorliegen und Transportkosten auch angefallen sein. Solange gar nicht feststeht, ob der Händler für die Mangelbehebung verantwortlich ist, können bei ihm vorab keine aus der Sachmängelhaftung abgeleiteten Transportkosten geltend gemacht werden. Einen Vorschuss- oder Freistellungsanspruch kennt die deutsche Gesetzeslage hier nicht. Die Vertreter einer gegenteiligen Rechtsmeinung berufen sich auf ein kurzes Zitat aus einer 27-seitigen Entscheidung des BGH vom 13.04.2011 (VIII ZR 220/10) zum Ort der Nacherfüllung. Ausgeführt wird hier, dass die Vorschriften der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zur Kostentragungspflicht des Verkäufers im Rahmen bestehender Sachmängelhaftungsansprüche keine Veranlassung dazu geben, den Ort der Nacherfüllung beim Käufer anzusiedeln. Als Ausgleich für eventuelle Nachteile des Käufers durch zunächst bei ihm anfallende Transportoder Versandkosten kommt hier für den BGH "möglicherweise" ein Vorschussanspruch in Betracht. Dies allerdings nur dann, wenn sich der Käufer ansonsten davon abgehalten sehen könnte, seine Ansprüche geltend zu machen. Genau diese Voraussetzung kann nicht generalisierend übertragen werden. Im Gegenteil hätte der Käufer eine ohne Transportkostenvorschuss eintretende Vereitelung seiner Rechte konkret darzulegen. Ein unzumutbares Erschwernis wäre hier insbesondere auch daran zu messen, dass ein Kunde, der sich für den Kauf eines Fahrzeuges bei einem Händler in großer Entfernung entscheidet, den damit verbundenen Aufwand bewusst auf sich nimmt und damit rechnen muss, entsprechenden Transportaufwand auch im Falle der Reklamation erst einmal leisten zu müssen. Dies unabhängig von bestehenden Erstattungsansprüchen im Fall berechtigter Reklamation. Zu berücksichtigen ist letztlich, dass der BGH an anderer Stelle mit seiner Entscheidung VIII ZR 310/08 ausdrücklich ein der Nacherfüllung vorausgeschaltetes Prüfrecht des Verkäufers manifestiert hat mit der Verpflichtung des Käufers, dem Verkäufer die Kaufsache zu Überprüfung der erhobenen Mängelrügen zur Verfügung zu stellen. Eine Verpflichtung des Verkäufers, unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen eines sachmängelhaftungspflichtigen Mangels im Voraus Aufwendungsersatz für Transportkosten zu bezahlen, um dann festzustellen, dass ein eintrittspflichtiger Sachmangel gar nicht vorliegt, lässt sich mit diesem Prüfrecht nicht vereinbaren. Kurzfassung 1. In der Praxis häufen sich die Fälle, in denen Transportkostenvorschüsse eingefordert werden, damit das Fahrzeug zur Prüfung bzw. Mängelbehebung beim Händler zur Verfügung gestellt wird.2. Solche Vorschusszahlungen werden grundsätzlich nicht geschuldet. Die Einforderung soll die Bereitschaft des Verkäufers erhöhen, Reparaturkosten bei einer Werkstätte nach Wahl des Kunden zu übernehmen.3. Transportkostenvorschüsse widersprechen dem der Sachmängelhaftung vorausgeschalteten Prüfungsrecht des Händlers und kommen als Ausnahme überhaupt nur dann in Frage, wenn der Kunde sonst an der Geltendmachung seiner Rechte konkret gehindert wäre. Kommentar Für den Umgang mit Kundenreklamationen dürfte jeder Händler seine eigene Geschäftsphilosophie besitzen. Große Kulanz und strikte Beurteilung - alles wird vertreten.Die Kenntnis der eigenen Rechte und Pflichten ist aber immer eine gute Sache, egal ob es darum geht, Kulanz auch werbewirksam an den Mann/die Frau zu bringen oder keine später teuren Fehler zu machen. Letztlich ist jeder Fall im Detail ein bisschen anders. Dargestellt werden mit dem Beitrag deshalb lediglich Grundlinien, wie sie sich in der täglichen Praxis bei Nachbesserungsverlangen immer wieder relevant zeigen und so als Orientierungshilfe für erste Einschätzungen dienen können.Rechtsanwalt Robert Glocker

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