Sachmangel Kraftstoff-Mehrverbrauch: Minderungsansprüche bei Mehrverbrauch

Die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zum Kraftstoffmehrverbrauch bei Neufahrzeugen liegt zwischenzeitlich 10 Jahre zurück. Im Streit stand ein Dieselfahrzeug, dessen Kraftstoffverbrauch mit 3,0 bis 3,2 l auf 100 km nach der Richtlinie 93/116/EG angegeben worden war. Tatsächlich wurde ein Kraftstoffmehrverbrauch von 11 Prozent im städtischen, 7 Prozent im außerstädtischen Verkehr und 6 Prozent im Durchschnitt der Fahrzyklen festgestellt. Das Autohaus untersuchte daraufhin das Fahrzeug in seiner Werkstatt und verwies darauf, dass zur Mangelanerkennung eine weitergehende Untersuchung durch den TÜV erforderlich sei, die der Käufer abgelehnt hat. Eine auf Rückabwicklung gerichtete Klage wurde in erster Instanz mit der Begründung abgewiesen, dass es an einer - nicht entbehrlichen - Fristsetzung zur Nacherfüllung fehle. Nachdem auch die Berufung zurückgewiesen wurde, landete der Fall schließlich beim Bundesgerichtshof. 10-Prozent-Grenze Dieser hat mit dem Berufungsgericht eine nur unerhebliche Pflichtverletzung angenommen, die nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB nicht zum Rücktritt berechtigt. Abgestellt wurde dabei auf die seinerzeitige Rechtsprechung des BGH zu § 459 Abs. 1 S. 2 BGB a.F., wonach es nur eine unerhebliche Minderung des Fahrzeugwertes darstellt, wenn der Kraftstoffverbrauch eines verkauften Neufahrzeugs um weniger als 10 Prozent vom Durchschnittswert der Herstellerangaben abweicht. Aus den Gesetzesmaterialien zum Schuldrechtmodernisierungsgesetz ergebe sich eindeutig, dass § 323 Abs. 5 S 2 BGB gerade in den früheren Fällen des § 459 Abs. 1 S 2 BGB a.F. Anwendung finden soll. Klargestellt wurde in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der 10-Prozent-Grenze um keine technische oder physikalische Toleranzgrenze handelt. Entscheidend sind vielmehr die Auswirkungen, die der Kraftstoffmehrverbrauch für den Käufer im Hinblick auf den Fahrzeugwert hat. Diese sind auch für die Beantwortung der Frage maßgeblich, ob eine nachteilige Abweichung von der nach § 434 BGB geschuldeten Beschaffenheit des Fahrzeugs eine unerhebliche Pflichtverletzung i.S.d. § 323 Abs. 5 S 2 BGB darstellt. Minderung Dass diese 10-Prozent-Grenze nur bei der Rückabwicklung maßgeblich sein kann und die anderweitigen Sachmängelansprüche unberührt lässt, liegt auf der Hand. Wie bei einem Kraftstoffmehrverbrauch die Höhe der Minderung nach § 441 BGB zu berechnen ist, hat das Landgericht Kiel mit Urteil vom 29.12.2015 entschieden. In der Sache ging es um einen Neuwagen, nach dessen Konformitätserklärung der Kraftstoffverbrauch innerorts mit 6,5 l, außerorts 4,2 l und im Mischbetrieb 5,1 l pro 100 Kilometer angegeben wurde. Nachdem der tatsächliche Kraftstoffverbrauch über diesen Werten lag, setzte der Käufer eine Frist zur Nachbesserung und verklagte den Händler nach erfolglosem Fristablauf auf Minderung des Kaufpreises. Die Verbrauchsmehrkosten für sein Fahrzeug beliefen sich bezogen auf eine Laufleistung von mind. 300.000 km und einem durchschnittlichen Dieselpreis von 1,25/l Euro auf 1.125 Euro im Mischbetrieb und 3.375 Euro im innerörtlichen Bereich. Der beklagte Händler hat demgegenüber einen verbrauchsbedingten Mangel ebenso wie eine Wertminderung bestritten, da die Verbrauchsangaben im Prospekt nur dem Zweck dienten, einen Vergleich zwischen verschiedenen Fahrzeugen zu ermöglichen. Die Klage war zum überwiegenden Teil erfolgreich, weil der Kraftstoffverbrauch einen Mangel i.S.d. §§ 434, 437 BGB begründet. Ein solcher liegt vor bei einer Abweichung des tatsächlichen Zustands der Sache von dem Zustand, den die Parteien vereinbart haben. Ob, wie die Beklagte meint, die Angaben zum Kraftstoffverbrauch nach ihrem Verständnis lediglich für einen Vergleich mit anderen Fahrzeugen dienen sollten, kann dabei mit Blick auf die Konformitätserklärung offen bleiben. Dort ist nirgendwo davon die Rede, dass diese Angaben zum Kraftstoffverbrauch in irgendeiner Weise eingeschränkt worden wären. Jedenfalls durfte der Kläger als objektiver Empfänger diese Herstellerangaben als auch für sein Fahrzeug im normalen Fahrbetrieb - und nicht nur auf dem Prüfstand - als verbindlich verstehen. Nachdem das Minderungsrecht nach § 441 Abs. 1 S 2 BGB auch für einen unerheblichen Mangel gilt, kommt es auf die sog. 10-Prozent-Grenze nicht an. Der Maßstab Zur Ermittlung der Minderungshöhe sei der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Als Basis für die nach § 441 Abs. 3 S 2 BGB i.V.m. § 287 ZPO vorzunehmende Schätzung des Minderungswerts zog das Gericht die Mehrkosten des Klägers heran, die er deswegen aufzuwenden hat, weil das Fahrzeug die in der Konformitätsbescheinigung angegebenen Eigenschaften nicht aufweist. Nach den Feststellungen des Sachverständigen beläuft sich der Kraftstoffmehrverbrauch innerorts auf 0,9 l pro 100 km und außerorts auf 0,1 l pro 100 km. Da der Kläger sein Fahrzeug vorwiegend innerorts nutzt, ging das Gericht von einem Verhältnis mit ¾ innerorts zu ¼ außerorts aus. Danach würden bei der vom Sachverständigen bestätigten Gesamtlaufleistung von 300.000 km innerorts 225.000 km zu einem Mehrverbrauch von 2.025 l (0,9 l/100 km x 200.000 km) und 100.000 km außerorts zu einem Mehrverbrauch von 75 l (0,1 l/100 km x 100.000 km) führen. Legt man ferner einen bisherigen und zukünftigen Dieselpreis von durchschnittlich Euro 1,25 zugrunde, ergibt sich der mit der Klage zugesprochene Minderungsbetrag von 2.625 Euro. Kurzfassung 1. Die 10-Prozent-Grenze beim Kraftstoff-Mehrverbrauch kommt nur bei der Rückabwicklung zur Anwendung und lässt die anderweitigen Sachmängelansprüche des Käufers unberührt.2. Ein im Vergleich zur Konformitätserklärung erhöhter Kraftstoffverbrauch begründet einen Sachmangel und Minderungsanspruch des Käufers.3. Die Höhe dieses Minderungsanspruchs kann vom Gericht auf der Basis der Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges und dem individuellen Mehrverbrauch des Käufers geschätzt werden. Kommentar Auch wenn sich das nebenstehend besprochene Urteil nicht mit dem sog. "Abgasskandal" beschäftigt, ist es für die Folgeproblematik durchaus interessant. Namentlich geht es dabei um die Frage, welche Ansprüche denjenigen Käufern zustehen, deren Fahrzeuge nach einer Rückrufaktion wegen der Abgaswerte zu einem höheren Kraftstoffverbrauch führen. Das Landgericht Kiel hat den Minderungsbetrag auf der Basis der Mehrkosten geschätzt, die auf den Käufer für die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs zukommen. Ob der Minderungsbetrag aber tatsächlich anhand des subjektiven Fahrverhaltens des Käufers, hier also der überwiegenden Stadtnutzung zu bestimmen ist, wird man mit Blick auf § 441 Abs. 3 S 1 BGB bezweifeln dürfen. Danach berechnet sich die Minderung nach dem Verhältnis der Sache in mangelfreiem Zustand zum tatsächlichen bzw. objektiven Verkehrswert. Diese gesetzliche Wertung spricht dafür, dass sich die Höhe der Minderung nicht an dem individuellen Fahrverhalten des Käufers, sondern dem Mehrverbrauch im Mischbetrieb ausrichtet.Rechtsanwalt Walter Sattler

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