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Abgas-Skandal: 830 Millionen für VW-Dieselkunden

14.02.2020 15:01 Uhr
Abgas-Skandal: 830 Millionen für VW-Dieselkunden
Das Musterverfahren gegen VW im Dieselskandal wurde abgebrochen. Kunden sollen trotzdem Geld bekommen.
© Foto: picture alliance / McPHOTO / C. Ohde / blickwinkel

Kläger im Diesel-Musterverfahren sollen jetzt doch Geld von VW bekommen. Konzern und Verbraucherschützer zoffen sich aber heftig. Und noch weiß niemand, wie die Kunden an ihr Geld kommen.

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Entschädigung auch für deutsche VW-Dieselkunden im Abgasskandal: Die Kläger im Musterverfahren am Braunschweiger Oberlandesgericht sollen nun doch Geld vom Konzern bekommen. Insgesamt wolle man eine Summe von bis zu 830 Millionen Euro bereitstellen, teilte Volkswagen am Freitag mit. Zuvor hatte das Unternehmen die offiziellen Vergleichsverhandlungen mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) aufgekündigt - VW will die Sache lieber ohne die Verbraucherschützer regeln. Wie genau die Dieselfahrer an ihr Geld kommen sollen, steht allerdings noch nicht fest - darüber sowie über den Grund für das formale Platzen der Gespräche gibt es Streit.

Was die Einigung den Dieselfahrern konkret bringen soll

Verbraucherschützer hatten nach dem Auffliegen des Abgasskandals in den USA 2015 verlangt, auch Autofahrern in Europa eine Entschädigung für den Wertverlust betroffener Dieselfahrzeuge zuzusprechen. Die zur Musterfeststellungsklage in Braunschweig angemeldeten VW-Kunden dürften nun voraussichtlich um die 2.000 Euro pro Kopf erhalten - wenn sie dem Vergleich zustimmen. Die genaue Verteilung der Summe von 830 Millionen Euro hängt davon ab, wie viele Kunden zuletzt für das Verfahren registriert waren - Angaben dazu schwanken zwischen 400.000 und 470.000.

Das Vergleichspaket richtet sich nur an diejenigen VW-Dieselfahrer, die auch an der Musterklage teilnehmen. Falls sie den Vergleich ablehnen, können sie weiter auf die Musterfeststellungsklage setzen.

"Ich freue mich über jeden Euro, den Volkswagen in Anerkennen seines Dieselbetrugs den Verbrauchern auszahlt", sagte Verbraucherzentralen-Chef Klaus Müller am Freitag. Trotzdem wolle der Verband nicht aufgeben. Wer dem Vergleich jetzt zustimme, könne keine weiteren Ansprüche geltend machen, falls der Verband mit seiner Klage eine höhere Entschädigung erstreite.

Kunden, die Einzelprozesse vor Amts-, Land- oder Oberlandesgerichten (OLG) laufen haben, können nicht auf das Vergleichsangebot von VW setzen. Viele von ihnen hoffen auf eine erste Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), die Anfang Mai erwartet wird.

Aber sind die Vergleichsgespräche nun gescheitert oder nicht?

Vom Ergebnis her wohl nicht, denn Dieselfahrer sollen ja Geld erhalten. Vom Ablauf her wohl schon, denn zu einer formalen Einigung beider Seiten kam es am Ende nicht. Volkswagen und vzbv schieben sich gegenseitig die Schuld für den Abbruch ihrer Gespräche zu.

Laut VW wurden Forderungen von Anwälten der Verbraucherschützer nach einer Pauschalvergütung von 50 Millionen Euro nicht ausreichend begründet. Das Honorar sollte demnach in die Abwicklung der Zahlungen fließen. Müller entgegnete, die Gespräche seien geplatzt, weil VW kein transparentes, vertrauenswürdiges und sicheres System der Abwicklung ermöglichen wollte. Die Verbraucherschützer wollten die Abwicklung der Entschädigung am liebsten selbst in der Hand haben, zumindest aber kontrollieren - das habe VW nicht gewollt. Ihr Anwalt Marco Rogert betonte: "Volkswagen wollte die Entschädigung zu einer eigenen Werbeveranstaltung machen - ohne Transparenz, Kontrolle und Einspruchsmöglichkeiten der Verbraucher."

Wie die Auszahlungen an die Kläger ablaufen sollen

Dies steht im Detail noch nicht fest. Der VW-Konzern betonte, "bereits mit Hochdruck an der Erstellung einer Plattform" zu arbeiten. Über diese sollten die "vergleichsberechtigten Kundinnen und Kunden (...) unkompliziert und schnell das auf sie zugeschnittene Angebot für eine Einmalzahlung" erhalten. Für weitere Informationen ist eine Registrierung auf der Seite vergleich.volkswagen.de möglich.

VW-Chefjustiziar Manfred Döss wies auf die lange Dauer von Folgeverfahren hin, die auf Kunden selbst nach einer erfolgreichen Musterfeststellungsklage zukämen: "Es würden weitere Jahre vergehen, bis individuelle rechtskräftige Urteile gesprochen würden."

Die Verbraucherschützer befürchten, dass die Auszahlungen intransparent werden könnten: "Ein Vergleich, der nicht zuverlässig ist oder für die Verbraucher nicht kalkulierbare Folgen hat, ist für uns in keinster Wiese tragbar", sagte vzbv-Chef Müller.

Die Vorgeschichte

In den USA, wo "Dieselgate" im September 2015 bekanntgeworden war, hatte VW Verbraucher, Händler und Behörden mit Milliardensummen entschädigt. Es gab heftige Kritik daran, dass der Konzern dies in anderen Ländern nicht in ähnlichem Umfang tat - es wäre womöglich aber auch an die finanzielle Substanz des Unternehmens gegangen.

Tausende Kunden in Deutschland entschlossen sich zu individuellen Klagen vor Gerichten, die mal für, mal gegen VW entschieden wurden. Das Kostenrisiko trägt dabei der Kläger oder eine private Versicherung.

Beim neuen Instrument der Musterfeststellungsklage zieht dagegen ein einziger Kläger stellvertretend für viele andere vor Gericht. Im Fall Volkswagen sind dies die Verbraucherzentralen, das Verfahren startete Ende September am Oberlandesgericht in Braunschweig. Der Richter deutete schon früh an, dass er außergerichtliche Gespräche befürworten würde - VW zögerte lange mit Verweis auf die mangelnde Vergleichbarkeit der vielen Einzelfälle.

Anfang Januar hatten beide Seiten dann erklärt, Vergleichsgespräche aufnehmen zu wollen. Sie nannten dabei das "gemeinsame Ziel einer pragmatischen Lösung im Sinne der Kunden". Mit den Gemeinsamkeiten ist es nun erst einmal vorbei.

Es drohen weitere Auseinandersetzungen

Mehrere Anwaltskanzleien vermuten, dass sich die Parteien unabhängig von Volkswagens Vergleichsangebot bald wieder vor Gericht treffen. Allerdings warben sie auch schon während der ersten Prozesstage in Braunschweig um neue Kundschaft - und hofften, viele Kläger würden aus dem Musterverfahren abspringen. Auch der ADAC warnt vor vorschneller Euphorie. "Das ist für betroffene Verbraucher eine denkbar schlechte Entwicklung", sagte der Rechtsexperte Markus Schäpe.

Auch mit Blick auf den Honorar- und Abwicklungsstreit sagte er: "Jetzt tritt ein, was zu einer weiteren Verdrossenheit der Betroffenen beitragen dürfte: ein langwieriger Gang durch die Instanzen." Je mehr Zeit vergeht, desto stärker sinkt auch der oft schon geringe Restwert alter VW-Dieselautos - und damit wohl auch die Wahrscheinlichkeit für eine hohe Entschädigung. (dpa)

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KOMMENTARE


Renato

14.02.2020 - 19:29 Uhr

Clever gemacht, jetzt stellt sich VW als der versöhnliche große Wohltäter dar, der auch ohne juristische Prozesse seine Kunden entschädigt.


M.Bellinger

18.02.2020 - 10:26 Uhr

„Clever gemacht“ ist auch eine Art der Betrachtung. Im Prinzip ist das eine armselige Haltung vom VW Konzern gegenüber seinen vielen bisher treuen Kunden. Über die Entschädigungssumme von 830 € Mio. Kann man sich vielleicht streiten, aber wegen der Anwaltskosten einfach den Prozess platzen zu lassen ist aus meiner Sicht mehr als eine Unverschämtheit. Aber offensichtlich ist sich das Unternehmen ohnehin sicher, das die Mehrheit der betroffenen Kunden wieder ein Konzernprodukt kaufen.


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