HB ohne Filter vom 7. Dezember 2007
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Datum:
07.12.2007Heute mit den Themen: Diesel teurer als Super, Mindestlohn, Markenexklusivität, Netzbereinigungen, Kostenverlagerungen
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3. Dezember – Montag
Diesel teurer als Super. Erst wird seitens der Mineralöler das Normalbenzin zum gleichen Preis wie das Super-Benzin verkauft und jetzt wird Diesel nicht nur immer teurer, sondern überspringt gar den Super-Preis. Eine verrückte Welt. Das Verwirrspiel ist perfekt. Für den einen sind es die Spekulanten, für die anderen der internationale Rohölpreis, für Dritte die veränderte Nachfrage, für Vierte die internationalen Einkaufspreise für Fertigprodukte wie Benzin, Heizöl und Diesel, für Fünfte der Preiswettbewerb an den Tankstellen, für Siebte die steigende Heizölnachfrage.
Man suche es sich beliebig zusammen! Die Mineralölwirtschaft äußert sich in unterschiedlicher Diktion. Man kommt sich für dumm verkauft vor. Wo bleiben – wie bei den Strompreisen – die klaren Empfehlungen der Politik? Noch mehr, die Senkung der Mineralölsteuer? Gut für die Wirkung auf dem Automobilmarkt ist das alles nicht. Frau Künasts Empfehlung: Elektroautos mit Solarzellen fahren, die Benziner und Dieselfahrzeuge stehen lassen und streiken!
Ein vergleichbares Phänomen obliegt den knickerigen Krankenkassen. Sie erwirtschaften 2007 einen Überschuss von 1,7 Mrd. Euro und halten mit aller Kraft an ihren Rekord-Beiträgen von 14,8 Prozent fest. Und wer fordert eine Beitragssenkung? Frau Künast? Oder ihr Nachfolger als Verbraucherminister, Herr Seehofer? Von der Gesundheitsministerin ganz zu schweigen. Und darin liegt ein Stück politischer Unglaubwürdigkeit. Eine Beitragserhöhung wird durchgesetzt, aber eine Reduktion bei erfüllter Zielsetzung bleibt jeweils aus. Das wird mit Kostensteigerung im Arzneibereich, drohenden Steigerungen der Ärztehonorare, dem Gesundheitsfonds ab 2009 oder gar dem Schuldenstand aus der Vergangenheit begründet. Ergo: Man baut vor und lässt kräftig weiterzahlen! Und die Lohnnebenkosten sinken abermals nicht, die verfügbaren Mittel der arbeitenden Klasse bleiben weiterhin flach, sehr flach.
4. Dezember – Dienstag
Mindestlohn. Die Entscheidung um den Mindestlohn pro Stunde für 9,80 Euro zeigt einen grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Teufelskreis in dem wir alle stecken. Einerseits gönnen wir jedem, der bei entsprechendem Winterwetter Briefe austrägt gerne aus solidarischen Gründen einen Mindestlohn von 9,80 Euro, wohl wissend, dass die meisten Briefträger bei der Post mehr als diesen Satz verdienen. Das grundlegende Problem, das es zu lösen gilt besteht darin, dass immer mehr Menschen vom Lohn ihres Vollzeitjobs nicht mehr leben können.
Andererseits führt der Mindestlohn zumindest im Übergangsstadium zu Konkursen und Entlassungen im Niedriglohnsektor. Ist aber umgekehrt ein wettbewerbsorientiertes Geschäftsmodell solide, das auf fünf Euro Stundenlohn aufbaut und dem Staat einen Teil der Lohnkosten auflädt? Wo beginnt die Grenze der Ausbeutung oder gar jener Punkt, ab dem sich ein Briefträger lieber als "Hartz-Empfänger" betätigt und lieber schwarz aktiv ist? Höhere Mindestlöhne – wie verabschiedet – führen automatisch zu Preiserhöhungen. Da sind dann all jene, die Mindestlöhne fordern als Erste wieder entrüstet.
Man hat nun das Unternehmen Post in puncto Wettbewerb über den Mindestlohn geschützt. Weitere Branchen werden folgen. Zuletzt wird die Politik den gesetzlichen Mindestlohn auf die Agenda schreiben müssen. Und wann steht die IG-Metall für das Kfz-Gewerbe auf der Matte? Gerade das Phänomen Mindestlohn zeigt, wie schwer es ist, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen.
Post-Chef Zumwinkel hat sich zumindest den durch die Mindestlohnentscheidung gestiegen Aktienkurs privat zu eigen gemacht und sein Aktienpaket für 4,73 Mio. Euro veräußert. Der Staat, der 31 Prozent der Postaktien hält, kann allerdings auch eine Wertsteigerung von 1,3 Mrd. Euro verzeichnen. Bedenklich bleibt, dass der Postchef aus der Wettbewerbs-Abschottung Kapital zieht und so die Entscheidung zum Mindestlohn einen fürchterlichen Beigeschmack erhält.
Und vergleichbar verhält es sich auch mit den Jahrespfründen von 70 Mio. Euro für Porsche-Chef Wiedeking. Er weiß, warum er die genaue Summe immer noch unter der Decke hält. Es sei ihm auch für den aktuell ersichtlichen Erfolg ein kräftiger Aufschlag gegönnt. Nur, der Hauptgewinn von Porsche in 2006/2007 resultierte aus der VW-Kurssteigerung. Doch welch "schweißtreibende" Eigenleistung steht dahinter? Herr Wiedeking weiß zur Stunde überhaupt nicht, ob sein VW-Engagement auf Dauer eine gute Entscheidung sein wird. Das hat Herr Schrempp bei der "Ehe im Himmel" mit Chrysler 1998 auch geglaubt! Und was war zehn Jahre später der Fall? Wir werden sehen.
Nachdem Herr Wiedeking stets Toyota zum Vorbild nimmt weiß er, dass dort die Erträge des Konzerns noch viel üppiger als bei Porsche sind. Er möge sich die Toyota-Vorstandsgehälter zum Vorbild nehmen. Da wird er dann das 20-fache eines Arbeitereinkommens ausmachen. Bei ihm reden wir vom 2.000-fachen. Mit Vorbild, mit Elite, mit Angemessenheit hat das alles nichts zu tun. Ich bin ganz sicher, dass Bundespräsident Köhler mit seiner Kritik zum Thema Managergehälter sehr wohl auch Herrn Wiedeking gemeint hat. Abermals, wo bleibt die Stimme der Gewerkschaft, auch in den Aufsichtsräten?
5. Dezember – Mittwoch
Markenexklusivität. Die Gründe für den Mehrmarkenhandel sind vielschichtig. Die zentrale Frage wird unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten die sein, ob über die Mehrmenge der verschiedenen Fabrikate auch unterm Strich mehr verdient wird als bei exklusivem Betriebstyp. Dieser Nachweis ist bislang nicht in jedem Falle gelungen. Die Hersteller versuchen Mehrmarken-Konglomerate, erst recht außerhalb von Konzernmarken über den CI-Bonus zu verhindern. Wenn aber beispielsweise die MAHAG zukünftig auf Markenexklusivität setzt und die Handelsmarke MAHAG zurücknimmt, liegt das wohl eher daran, dass über diese strategische Entscheidung der Tag vorbereitet wird, an dem die MAHAG diesmal ganz an Volkswagen oder an die PIA-Gruppe, sprich an Porsche-Piëch zu Salzburg verkauft werden wird.
Die Nürnberger Versicherungsgruppe hatte ihren Anteil, den sie einst von Fritz Haberl gekauft hat, bereits an VW gegeben, bevor Frau Papst, die Schwester von Fritz Haberl von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machte. Ähnliche Überlegungen stellen die Hersteller auch bei anderen großen Handelsgruppen an. Wer ist am Tage X in der Lage, derartig große Handelsgebilde überhaupt finanziell zu übernehmen? Entweder ganz wenige große Handelsgruppen bzw. externe Großinvestoren oder eben der Hersteller selbst.
Es geht gar nicht darum, ob beispielsweise Volkswagen kein Netz von flächendeckenden Metropolen möchte. Sie werden aufgrund gegebener Wettbewerbssituationen vor Ort so und so oft sich engagieren müssen. Sie lassen den Handel solange agieren, bis dort selbstredend die Luft ausgeht. Das geht Zug um Zug. Es steht sogar Strategie dahinter. Auch für die Großbetriebe im Handel. Werden diese zu mächtig, dreht der Hersteller das Rad zurück.
Nachdem die Hersteller/Importeure allem voran die Kundenzufriedenheit stellen, sollte der Handel hier viel gezielter über örtliche Kundenbefragungen feststellen, was wirklich Sache ist. Ich bin überzeugt, dass sich 85 Prozent der Kunden gar nicht daran stören, wenn mehrere Marken unter einem Dach verkauft werden. Das gilt besonders für Konzernmarken. Und Herr Piëch macht das ja in Salzburg vor, wie gut und wirtschaftlich die Konzernmarken erfolgreich an einem Standort platziert werden können. Der Verkauf über Internet wird ohnehin eines Tages dafür sorgen, dass es noch weitere Vertriebstypen geben wird. Gesucht ist dabei nicht allein das "5-Sterne-Hotel", sondern vielmehr der Discount-Handel.
Welcher Hersteller fängt damit an? Dem Kunden ist eine fundierte Beratung hundertmal wichtiger als glänzende Fußböden oder aufwändige Fassaden. Im Gegenteil: Wo gestylte Fassaden sind, erwartet man obligatorisch gestylte Beratung. Ist es das, was der Kunde will? Wirklich bei weitem nicht jeder! Daher ist Händlerindividualismus gefordert. Und der sieht beispielsweise in einer Großstadt anders als auf dem Lande aus. Also: Wir brauchen individuelle Lösungen und nicht uniformierte Formate! Obendrein muss die Spielregel immer noch so lauten, dass der Risikoträger entscheidet, wie er was umsetzen möchte. Oder der Hersteller/Importeur möge mit ins Risiko gehen und substanziell investive Mittel zur Verfügung stellen.
Der Mehrmarkenhandel ist – wie oben angedeutet – auch von der jeweiligen Marke abhängig, die vertreten wird. Bei Marken unter sechs Prozent Bundesmarktanteil ist die Exklusivität schon von der Menge her vielfach nicht mehr darstellbar.
6. Dezember – Nikolaustag
Netzbereinigungen. Ich staune immer wieder, mit welcher Selbstverständlichkeit der Branchenkonzentration das Wort geredet wird. Jeder 7. Neuwagen wird bereits von einem der 50 größten Händlergruppen verkauft. Schaut man das genauer an, dann entsprechen dem aufgerundet ganze 15 Prozent der Zulassungen. Noch laufen 85 Prozent über andere Kanäle. Nochmals, 85 Prozent! Wer sich die 50 größten Händler ansieht, wird feststellen, dass es sich vorrangig um Volumen-, Ballungsraum- und wenige Ausnahmehändler handelt. Bitte, 52 Prozent der Neuwagenzulassungen werden in Orten bzw. Städten von 1 bis 50.000 Einwohner getätigt. Da wird auch künftig der einzelne Händlerstandort weniger Fahrzeuge als in einer Millionenstadt verkaufen können.
Ferner sollte man die Aussage zur Branchenkonzentration dringlich markenspezifisch sehen. Gerade Nissan musste erkennen, dass man gewachsene Strukturen nicht einfach aufgeben kann.
7. Dezember – Freitag
Kostenverlagerungen. Wer aufmerksam die Kauflandschaft beobachtet stellt fest, dass überall versucht wird, mehr und mehr an Kosten an den Konsumenten selbst abzuwälzen. Bei Ikea hat der seine Möbelteile selbst zu ergreifen, selbst zu verladen, selbst zusammen zu bauen. In den Lebensmittelläden hat der Konsument die Ware selbst auf das Kassenlaufband zu legen, das Online-Banking ersetzt die Mitarbeiterin bei der Bank, die der Oma bislang die Überweisung ausfüllte, der Fernseher wird nicht mehr geliefert und angeschlossen, sondern angeblich idiotensicher durchgereicht etc.
Gleiches macht der Hersteller immer häufiger mit seinen Händlern. Ein praktisch-subtiles Beispiel: SkodaAuto Deutschland hat die Online-Abfrage von Wegfahrsperre-Codes oder Radio-Codes durch den Motortester eingeführt. "Geko" (Geheimnis- und Komponentenschutz) heißt das System. Hierbei erhält jeder Werkstattmitarbeiter, der die Codes abfragt, personalisierte Zugangsdaten. Der erste Zugang ist kostenfrei, der zweite kostet schon 15 Euro. Und ab dem dritten Mitarbeiter werden dem Händler 50 Euro (!) abgebucht. Die Datenerfassung dauert höchstens fünf Minuten. Der Hersteller spart über die Einführung des Systems Personalkosten und lässt sich das System auch noch vom Handel bezahlen. Diese Beispiele mehren sich und tragen zur weiteren Ertragsminderung bei.
Spruch der Woche:
"Wenn das Versagen von Spitzenkräften mit Fantasieabfindungen vergoldet wird, dann untergräbt das das Vertrauen in das soziale Gleichgewicht unseres Landes." – Angela Merkel
Mit meinen besten Adventsgrüßen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Eduard Daetwyler
M. Janowski
N. Burmester
Alex. B
Heinrich Boller