HB ohne Filter vom 18. Februar 2011
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18.02.2011Heute mit den Themen: Chaos-Zeiten bei "New Lancia", Preisschlacht garantiert Kundenzufriedenheit sowie Landesbank und Formel 1-Chef Ecclestone
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15. Februar – Dienstag
Chaos-Zeiten bei "New Lancia". Erlauben sie mir vorweg eine Grundsatzfrage an die Fiat-Zentrale in Deutschland, Frankfurt: Können Sie mir irgendeinen benennen, der dort wirklich an "New Lancia" glaubt? Da schreibt der Brand Country Manager für Chrysler, Jeep und Dodge am 13. Januar 2011 an seine Partner: "Ich bin überzeugt, dass die Marken Jeep und Lancia eine Erfolgsgeschichte im deutschen Automobilmarkt werden." Am 25. Januar muss man in AUTOHAUS Online zur Kenntnis nehmen: "Haico van der Luyt verlässt Fiat" Wenn selbiger Herr von der Erfolgsgeschichte innerlich so durchdrungen gewesen wäre wie er schreibt, würde er nicht zur Bavaria Yachtbau in Giebelstadt (Würzburg) wechseln. Der Erfolgsredner van der Luyt, holländischer Altadel, macht sich vom Acker, wie der ehemalige Bundespräsident, wie diverse Ministerpräsidenten, wie weiland der Bundesbankpräsident! Mal sehen, welche Präsidenten sich in diesem Jahr noch ihrer Verantwortung entledigen werden?
Der Teufel will es, dass genau in unmittelbarer Nachbarschaft zu van der Luyts neuer Heimat in Giebelstadt ein weiterer Schandpfahl von Fiat steht, das "Fiat-Outlet-Center", über das der Hersteller einen höchst fragwürdigen Vertriebskanal direkt via Italien betreibt (siehe www.automobil-outlet.de). Da ist im Internet offen nachzulesen: Das Automobil-Outlet hat sich auf die regionale und überregionale Vermarktung von Fahrzeug-Überbeständen spezialisiert. Die Firmenphilosophie besteht darin, dem Kunden den maximal möglichen Preisvorteil gegenüber den Unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers (UPE) zu verschaffen bzw. die Fahrzeuge zum überregional vergleichbar geringsten Preis anzubieten. Dies wird vor allem durch unabhängigen Großeinkauf direkt bei den Fahrzeugherstellern realisiert. Kostengünstige und optisch ansprechende Lagerhaltung statt teurer Autopaläste und Konzentration auf das Wesentliche sind das Motto.
Ich habe darüber ja in AUTOHAUS berichtet. Von Fiat aus Frankfurt war dazu keine Stellungnahme zu erhalten. Man hüllte sich in Schweigen, weil diese Achse von Turin aus gezielt gefördert wird. Nennen wir diesen Unterweltkanal zu Giebelstadt "Mafiosi totale". Über die Nachfolgeregelung von Haico van der Luyt will Fiat – so das Schreiben vom 24. Januar 2011 – kurzfristig informieren. Kurzfristig! Ob die da noch eine mutige, tapfere Persönlichkeit finden? Von spezifischer Qualifikation ist gar nicht die Rede.
Neue Händlerverträge
Ich komme zurück auf meinen Kommentar "HB ohne Filter vom 4. Juni 2010". Der Chrysler-Händlerverband hatte ein Integrationspapier zum 31. Mai 2011 (!) vorbereitet und maßgebliche Fragestellungen zusammengetragen, nachdem Überflieger Sergio Marcionne am 20. Mai 2010 den Fiat-Chrysler-Verbund strategisch festlegte und seither regelmäßig von neuen Visionen übermannt wird. Angeblich will er jetzt den Firmensitz von Turin nach Detroit verlegen. Auch unser Spezialfreud Jürgen Schrempp hatte sich 1998 ff. mit der "Ehe im Himmel" zwischen Mercedes und Chrysler um gigantische Milliardenbeträge vergaloppiert.
Die Frage für die betroffenen Chrysler-Händler war nun 2010, ob Fiat die bestehenden Chrysler-Vertriebsverträge mit allen Rechten und Pflichten bis zum 31. Mai 2011 übernimmt? Es sollte bis zum 21. Januar 2011 dauern, bis beispielsweise die Händlerverträge inkl. der Standards für "New-Lancia" und der Zusammenführung der Marken Lancia und Chrysler bei den Händlern angekommen sind. Das größte Motivationsfeld für einen Händler ist sein Gewinn, den er aus seinem Markenverbund ziehen kann. Die "New Lancia"-Manager legen nun einen Vertrag vor, aber keine Margenregelung. Sprich, was mich als Händler am meisten interessiert, was ich in Zukunft verdienen kann, wie ich Kosten und Risiko abwägen kann, wird erst einmal ausgespart. Du unterschreibst dein Todesurteil in der Hoffnung, dass sie dich hinterher nicht hängen. Welche Geister sind hier am Werk? Ohne Frage, wenn wir Europa harmonisieren wollen, bedarf es einer einheitlicheren Vertragsausrichtung. Aber doch nicht so! Welcher Händler hat die Zeit und die inhaltliche Kraft, 200 Seiten Juristentext qualifiziert zu beurteilen? Sie setzen voraus, dass das niemand kann. Sie probieren es einfach.
Standards
Setzen wir einen Kontrapunkt: Lancia hat in 2010 sage und schreibe 1.463 Einheiten in Deutschland zugelassen. Und dafür braucht man nun einen 200 Seiten-Vertrag! Jetzt kommen die Standards hinzu. Die Kosten für CI, Fließen, Lampen und Möbeln liegen pro Betrieb bei 100.000 Euro. Welche Hirne denken sich so etwas aus? Ich habe mir einmal die Standards für einen Lancia-Servicevertrag angesehen. Wer diese wirklich umsetzen möchte, kommt danach zu einem Stundenverrechnungssatz von 95 Euro plus MwSt.
Der Glaubwürdigkeit des Ganzen hat die Mitteilung vom 9. Februar 2011 die Krone aufgesetzt. Da lässt man die eigenen Vasallen lapidar mitteilen: "Jepp Cherokee: Einstellung der Produktion. Leider müssen wir Sie heute darüber informieren, dass von Seiten Fiat Group Automobiles S.p.A entschieden wurde, die Produktion für den Jeep Cherokee ab sofort für den europäischen Mark (Ausnahme: Italien) einzustellen." Nochmals die Ausnahme: Italien! Du kriegst einen Vogel! Mir tun die Mitarbeiter in Frankfurt leid, die derartige Fragwürdigkeiten "verkaufen" müssen.
Fazit: Neue Verträge in Ehren. Fiat möge im Verbund mit "New Lancia" erst einmal offenlegen, mit welchem finanziellen Engagement und mit welchen Modellen die Zukunft bewältigt werden soll. Wer seinen Chrysler-Vertrag zurückgibt und auf einen Händlerausgleichsanspruch setzt, der wird ihn an die Chrysler Deutschland GmbH richten. Schauen sie einmal nach, wie kapitalstark diese GmbH ist? Leere Hose. Du gehst leer aus. Es gibt ja auch unter den Kunden eingefleischte Chrysler-Seelen. Der 300 C heißt jetzt einfach Lancia 300 C, der Grand Voyager Lancia Grand Voyager. Das lässt sich der verwurzelte Chrysler-Kunde nicht gefallen. Man macht den Gärtner zum Bock! Man sollte sich Toyota/Daihatsu zum Vorbild nehmen und die Marke "New Lancia" in Europa – außer Italien – vom Markt nehmen. Wer als Händler immer das tut, was der Hersteller/Importeur will, ist morgen pleite! Das ist meine Erfahrung. Beispiele dafür könnte ich genügend aufzeigen.
16. Februar – Mittwoch
Preisschlacht garantiert Kundenzufriedenheit. Es sei nachstehend der Beweis erbracht, dass man wirklich nicht immer tun sollte, was der Kunde sich wünscht. AUTOHAUS führte über die puls Marktforschung eine Kundenbefragung durch. Eine Frage lautete: Welchen Rabattsatz würden sie als Neuwagennachlass als fair empfinden? Kundenantwort: 16,7 Prozent! Würde der Handel diesem Kundenwunsch entsprechen, wären wir alle pleite! Der Beweis steht immer noch aus, dass ein Autohaus mit höherer Kundenzufriedenheit auch höhere Gewinne erwirtschaftet, also ein Autohaus mit 90 Prozent Kundenzufriedenheit mehr verdient, als eines mit 80 Prozent. Das wird behauptet, trifft aber nicht zu. Man stelle sich die angestrebte Kundenzufriedenheit von 100 Prozent vor, das wäre dann Kundenbegeisterung, welches personelle Investment dazu erforderlich wäre. Welcher Kunde geht schon bei einem Werkstattbesuch und einer Inspektionsrechnung von 450 Euro mit Begeisterung vom Hof? Allenfalls psychisch Angeschlagene.
18. Februar – Freitag
Landesbank und Formel 1-Chef Ecclestone. Die Bayerische Landesbank war bis 2005 am Formel 1-Zirkus beteiligt, ehe sie ihren Anteil an einen Finanzinvestor verkaufte. Eine typische Leistungsart für eine Landesbank! Dafür soll "Zirkusdirektor" Bernie Ecclestone von der Landesbank 67 Millionen Dollar erhalten haben. Offensichtlich hat Bernie davon 50 Millionen Dollar an den früheren Risikovorstand der Bayerischen Landesbank Gerhard Gribkowsky durchgereicht. Beide Herren wollen sich bislang nicht dazu äußern. Es liegt aber ein Mahnschreiben Gribkowskys direkt an Ecclestone für diese Zahlung vor.
Was soll damit gesagt werden? Jeder weiß um die Ecclestone-Diktatur in der Formel 1. Die Automobilindustrie war immer mal wieder dabei, ihr Mitwirken an der Rennserie der gesamten Negativwirkungen wegen aufzukündigen. Wie weit ist eine Veranstaltung gekommen, wenn einer Vertragsnetze so eng ziehen kann, dass er sogar vorschreiben kann, welches Mineralwasser am Hockenheimring getrunken werden muss, der die Klodeckelhoheit in jedem Hotel hält usw.? Wie lange macht man die Preisdiktate für einen Platz im Paddoc von 4.500 Euro noch mit? Wer zerschlägt endlich dieses unsolide, falsche, spekulative, geschmierte und gierige Machwerk? Mit echtem Sport und futuristischer Automobilentwicklung hat das gerade noch am Rande zu tun.
Spruch der Woche:
"Die Weltwirtschaft kann in den nächsten fünf Jahren in größere Turbulenzen geraten als in den vergangenen zehn." (Lars Feld (44), künftiger Sachverständigenrat der Bundesregierung)
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
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