Ein Gerichtsprozess ist nicht nur nervlich belastend, sondern kann auch erhebliche Kosten nach sich ziehen. Daher stellt sich die Frage, ob die privaten Prozesskosten in der Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung angesetzt werden können. Nach § 33 EStG liegt eine außergewöhnliche Belastung vor, wenn den Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen treffen als die überwiegende Mehrzahl vergleichbarer Steuerpflichtiger.
Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) waren Prozesskosten grundsätzlich nicht abzugsfähig, da sie nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG seien. Jeder Steuerpflichtige könne sich frei entscheiden, ob er einen Prozess führt und sich damit dem Prozesskostenrisiko aussetzt oder eben nicht. Der BFH ließ lediglich eine Ausnahme zu, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr läuft seine Existenzgrundlage zu verlieren.
Durch Urteil vom 12. Mai 2011 hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und Prozesskosten für steuerlich abzugsfähig erklärt. Er begründet dies damit, dass das staatliche Gewaltmonopol die Steuerpflichtigen zur Durchsetzung ihrer Ansprüche zwingt, sich der staatlichen Gerichte zu bedienen und keine Selbstjustiz auszuüben. Folglich erwachsen dem Kläger wie auch dem Beklagten die Prozesskosten zwangsläufig aus rechtlichen Gründen.
Es ist aber zu beachten, dass private Prozesskosten nach dem BFH nur als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat, d. h. die Klageerhebung oder die Verteidigung als Beklagter müssen mindestens eine 50:50-Chance haben. So muss der Steuerpflichtige im Vorfeld das Für und Wider eines Prozesses und des Kostenrisikos abgewogen haben. Bezüglich der Höhe der Kosten führt der BFH aus, dass Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung nur abzugsfähig sind, wenn sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Dies bedeutet, dass nur die gesetzlichen Anwaltsgebühren berücksichtigt werden können, jedoch nicht darüber hinausgehende Honorarvereinbarungen.
Tipp: Dokumentieren oder lassen Sie durch ihren Anwalt dokumentieren, dass im Vorfeld des Prozesses die Erfolgsaussichten und das Kostenrisiko abgewogen worden sind.
Weiterhin bleibt festzuhalten, dass auch Kosten aus Finanz-, Verwaltungs- und Sozialgerichtsprozessen sowie Strafprozessen absetzbar sein können, da das staatliche Gewaltmonopol in allen Bereichen gilt.
Leider gibt es aber einen Wermutstropfen. Wie so oft bei steuerbegünstigenden Urteilen hat das Bundesministerium der Finanzen durch einen Nichtanwendungserlass vom 20.12.2011 entschieden, dass obiges Urteil nicht über den Einzelfall hinaus anwendbar ist. Weiterhin wird in dem Schreiben ausgeführt, dass mit einer Gesetzesänderung in diesem Bereich zu rechnen sei.
Tipp bis zu einer möglichen Änderung der Gesetzeslage: Wenn Sie ihre Prozesskosten ansetzen und das Finanzamt versagt Ihnen die Abziehbarkeit, legen Sie Einspruch ein! Im Falle eines späteren Rechtsstreites sind die Gerichte nicht an den Nichtanwendungserlass gebunden.