Ausgabe 17/2007: Kostenschraube

Garantie / Händler klagen aktuell verstärkt über verschärfte Garantierevisionen und Rückzahlungsforderungen seitens der Hersteller. KostenschraubeVon Sabine TilpMomentan gibt es quer durch alle Marken offenbar die Tendenz sich häufender Garantierevisionen – und damit auch der Fälle, dass Händler mit Rückzahlungsforderungen konfrontiert sind. Das ist umso bedenklicher, wenn man in Betracht zieht, dass diese Rückzahlungen nicht zwingend durch vorsätzliche Manipulationen verursacht und damit berechtigt wären, sondern oftmals reine Formfehler den Ausschlag geben.Dass eine Revision seitens der Hersteller ein beliebtes Mittel ist, um unbequemen Partnern einen Warnschuss zu verpassen, weiß jeder, der sich über einige Zeit im Automobilhandel bewegt. Dieser Umstand wird von Herstellerseite natürlich vehement bestritten – von Händlerseite hingegen mehrfach bestätigt. Aber auch ganz unabhängig von dieser nur schwerlich beweisbaren Facette gibt es nachweislich die Entwicklung, dass Garantieüberprüfungen – übrigens genau wie die Überprüfungen von gezahlten Verkaufsprämien etc. – gehäuft auftreten. Der allgemeine Händler-Tenor: Eine Garantierevision des Herstellers ist schlimmer als die Betriebsprüfung durch das Finanzamt!Zwei SichtweisenUnzweifelhaft leiden Hersteller und Importeure unter einem teilweise enormen internen Kostendruck – in allen Bereichen wird gespart. Damit rücken automatisch auch die an die Händler geflossenen Zahlungen in den Fokus der Controlling-Abteilungen, hier wird offenbar immenses Optimierungspotenzial vermutet. Die Händler wiederum befinden sich in der Situation, dass Werkstattumsätze zurückgehen – durch verlängerte Wartungsintervalle, sinkende Loyalität der Kunden und nicht zuletzt auch durch rückläufige Garantieumsätze. Während vor einigen Jahren gehäuft Fahrzeuge mit quasi serienmäßigen Mängeln unterwegs waren, deren Beseitigung im Rahmen der Garantie bzw. Gewährleistung einen je nach Marke beträchtlichen Anteil an der gesamten Werkstattauslastung in den Autohäusern hatte, hat sich die Produktqualität größtenteils deutlich verbessert. Was einerseits sehr erfreulich ist, wie beispielsweise Opel-Händler bestätigen: "Wir unterhalten uns heute beim Neuwagenverkauf mit den Kunden wieder über neue Fahrzeuge, über moderne Technik – und nicht darüber, was alles nicht funktioniert." Was für den Verkauf und das Markenimage positive Auswirkungen hat, kommt aber quasi für viele Händler als betriebswirtschaftlicher Bumerang durchs Werkstatt- bzw. Lagertor: Die bessere Produktqualität hat zur Folge, dass sowohl die Werkstattauslastung als auch die Garantieumsätze bei Teilen und Lohn deutlich sinken. Daraus hat sich bisweilen eine gewisse Kreativität in der Gestaltung der Garantieanträge entwickelt …Elektronische Such-Hilfen Genau an diesem Punkt setzen die Hersteller aktuell offenbar an. Während in der weiteren Vergangenheit Auffälligkeiten nur stichprobenartig entdeckt wurden, hat sich seit der Einführung der Garantiebeantragung auf elektronischem Weg die Situation deutlich verändert: im elektronischen Format vorliegende Anträge sind mit einem vergleichsweise geringen Aufwand nach den verschiedensten Kriterien auswertbar. Mit wenigen Mausklicks können Filter gesetzt und verändert werden, automatische Prüfroutinen im Hintergrund sortieren eingegangene Anträge in die Rubriken "unbedenklich" und "auffällig". Im Prinzip ist an dieser Stelle der Vergleich mit dem Finanzamt durchaus wieder angebracht: Seit dem Prüfungszeitraum 2002 können Betriebsprüfer die Herausgabe von Daten und Belegen (nach bestimmten Kriterien) in elektronischer Form verlangen, um sie mittels einer speziellen Prüfsoftware (IDEA) zu analysieren. Während vorher die Trefferquote der Prüfer hauptsächlich von Branchen- und Berufserfahrung sowie einem glücklichen Händchen bei Stichproben abhing, können über die elektronische Prüfung Anomalien deutlich einfacher und vor allem umfassender entdeckt werden. Nichts anderes passiert im Hintergrund aktuell in den Garantieabteilungen der Hersteller. Infolgedessen wird deutlich gezielter in den Autohäusern gesucht – und nicht selten gefunden.Formaler WahnsinnWährend im Hinblick auf die Garantie-Kreativität der Händler nachvollziehbar ist, dass die Hersteller hier den Spielraum so weit wie möglich einengen wollen, ist die Rückbelastung beweisbar durchgeführter Arbeiten aufgrund von formalen Fehlern äußerst fragwürdig. Quer durch alle Marken berichten Händler, dass Anträge bei Revisionen nachträglich abgelehnt werden und damit bereits geflossene Zahlungen storniert werden, weil beispielsweise die Unterschrift des Kunden auf dem falschen Formular erfolgte oder weil der Auftragstext falsch formuliert wurde. Ein Beispiel: Ein Kunde bleibt mit einem Motorschaden liegen, der "Totalschaden" des Motors ist offensichtlich. Vermerkt der Serviceberater bereits bei der Annahme auf dem Auftrag "Motor austauschen", wird ihm dieser Antrag nicht abgerechnet bzw. rückbelastet. Er hätte vielmehr sinngemäß z. B. schreiben müssen: "Fahrzeug geht bei 180 km/h aus, springt nicht mehr an." usw. Ähnliche Spitzfindigkeiten gelten bei manchen Marken auch hinsichtlich der Stempelzeiten. Werden beispielsweise Diagnose- und Reparaturzeit nicht als getrennte Positionen, sondern zusammen gestempelt, wird zwar die Festzeit des reinen Teilewechsels vergütet, die Diagnosezeit jedoch rigoros gekürzt – obwohl aus der Stempelzeit hervorgeht, dass die Arbeiten durchgeführt sind und die Zeit benötigt wurde. Eine Kürzung nicht wegen Betrug, sondern nur wegen eines Formfehlers.An der Arbeitszeitenschraube dreht derzeit offenbar auch VW. Hier gibt es neben dem "herkömmlichen" Arbeitspositionskatalog ELSA eine Erweiterung, die momentan zwischen Händlerverband und Hersteller diskutiert wird. Die Arbeitszeiten des erweiterten Kataloges sind um die Anteile der so genannten Rüst- oder Verbundarbeiten reduziert – was in der Praxis bedeutet, dass die mögliche zu verrechnende Arbeitszeit geringer wird.Sinkende ErstattungsbeträgeEin anderer Punkt, der immer wieder für Diskussionen sorgt, ist die Frage, in welcher Höhe Lohn, Teile und Bestellkosten vergütet werden. Während es lange Zeit weitestgehend üblich war, dass Garantiearbeiten im Wesentlichen zu den jeweiligen Kundenverrechnungssätzen der einzelnen Klassen vergütet wurden, gibt es seit einiger Zeit Bestrebungen, für Garantiearbeiten gesonderte, in der Regel meist niedrigere Stundensätze zu vergüten. Hier zeigt sich eine gewisse Schizophrenie: Hersteller verurteilen die Schadensteuerung von Versicherungen und die damit verbundenen Rabatte auf Lohn und Teile, ebenso wird den Händlern nahe gelegt, unterschiedliche Kundenverrechnungssätze für beispielsweise einfache mechanische Arbeiten, Elektronik, Karosserie etc. zu haben. Aber offenbar gilt das nicht im Innenverhältnis Hersteller-Händler. Im Ersatzteilbereich ist die Bandbreite dessen, was der Händler vergütet bekommt, je nach Marke relativ breit, sie reicht von akzeptabler Marge bis zur Quasi-Null-Nummer. Eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen hier auch Transportkosten für Teilebestellungen. Diese differieren gewöhnlich stark – je eiliger, umso teurer. An dieser Stelle hat der Händler bei manchen Marken einen wirklichen Zielkonflikt: am Nachmittag das Teil per Eilorder bestellen, dem Kunden am nächsten Tag weiterhelfen und etwas für dessen Zufriedenheit tun, aber nichts verdienen bzw. sogar unter Umständen Geld mitbringen – oder den Kunden warten lassen. Wohlgemerkt, die Ursache für den Fehler liegt beim Hersteller, nicht beim Händler …HochrechnungEine ausgesprochen tückische Vertragsklausel haben beispielsweise Peugeot-Händler mit ihren Händlerverträgen unterschrieben. Diese besagt sinngemäß, dass bei einer Garantierevision rund zehn Prozent der Anträge eines Zeitraumes als Stichprobe geprüft werden. Dieses Ergebnis wiederum wird hochgerechnet auf 100 Prozent – daraus ergibt sich die fällige Rückzahlung. Auch hier liegt der Vergleich zur Steuerschätzung der Finanzverwaltung nahe. Der Händler hat zwar theoretisch die Möglichkeit, sich gegen die Garantieschätzung zu wehren – die Kosten für eine komplette Prüfung aller Anträge (Beratertage x Tagessatz) gehen jedoch zu seinen Lasten.Das einzige Mittel für den Händler, um fragwürdigen Rückbelastungen zu begegnen, ist Wachsamkeit. Die Garantieabrechnung rasch nebenher zu erledigen, wird immer schwieriger und vor allem gefährlicher. Hinsichtlich der Garantieabwicklung müssen also klare Prozesse definiert und alle betroffenen Mitarbeiter für die Tragweite sensibilisiert sein – nur so können zumindest Formfehler auf ein Minimum begrenzt werden.

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