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TÜV Süd: Test für Roboterautos

19.10.2020 15:51 Uhr
TÜV Süd: Test für Roboterautos
Christian Gnandt, zuständig für den Bereich Highly Automated Driving bei TÜV Süd.
© Foto: TÜV SÜD

Das israelische Unternehmen Mobileye testet in einem Pilotprojekt selbstfahrende Autos. TÜV Süd ist als unabhängige Prüforganisation daran beteiligt.

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Von Dietmar Winkler/AUTOHAUS

Das zum Chip-Hersteller Intel gehörende Technologieunternehmen Mobileye testet im Rahmen eines Pilotprojektes selbstfahrende Autos in Deutschland. Die Fahrzeuge sind in München und Umgebung unterwegs, mit Sicherheitsfahrern am Lenkrad. "Das ist für uns ein wichtiger Schritt zur globalen Abdeckung", sagte Mobileye-Manager Johann Jungwirth der Deutschen Presse-Agentur.

Fahrten im Stadtverkehr, auf Autobahnen sowie auf Landstraßen werden durchgeführt. Mobileye gilt als ein führender Anbieter von Software für Fahrerassistenzsysteme (Advanced Driver Assist Systems, ADAS) und beliefert zahlreiche Automobilhersteller mit seiner Technologie. Basierend auf den Erfahrungen mit ADAS hat Mobileye Technologien entwickelt, die Anwendungen für das vollautomatisierte Fahren unterstützen.

Mobileye will im Jahr 2022 einen komplett automatischen Robotaxi-Service in Israel starten. Der Zeitpunkt für den Start eines solchen Dienstes in Deutschland hänge vor allem von der gesetzlichen Grundlage ab, zeigte sich Jungwirth überzeugt. Für die begonnenen Testfahrten in Deutschland bekam Mobileye ein Gutachten der Prüforganisation TÜV Süd. Die aufgerüsteten Fahrzeuge des Modells Ford Fusion sind mit zwölf Kameras für Rundum-Sicht ausgestattet.

Technik auf breiter Front im Einsatz

Mobileye-Technik kommt bereits heute auf breiter Front bei Fahrassistenzsystemen zum Einsatz. Bilder von Fahrzeug-Kameras nutzt die Firma dabei, um hochpräzise Straßenkarten zu erstellen und aktuell zu halten. Das ist eine zentrale Voraussetzung für automatisiertes Fahren.

Zu den Plänen von Mobileye gehört auch, selbstfahrende Autos auf den Plattformen von Fahrdienstleistern wie Uber oder Lyft bereitzustellen. Die Firma arbeitet auch an Konzepten für privat genutzte selbstfahrende Autos.

 

Wir sprachen mit Christian Gnandt, der bei TÜV Süd für den Bereich Highly Automated Driving zuständig ist.

AUTOHAUS: Inwieweit begleitet TÜV Süd das Projekt mit Mobileye?

Christian Gnandt: Die Aufgabe seitens TÜV Süd bestand darin, den Kunden Mobileye entlang des Zulassungsprozess für die zum Einsatz kommenden Versuchsfahrzeuge zu begleiten. Hier hat TÜV Süd als unabhängige Prüforganisation die notwendigen Bewertungen und Gutachten zur Erlangung einer Betriebserlaubnis für den öffentlichen Straßenverkehr erstellt.

AU: Was genau hat TÜV Süd im Vorfeld des Projekts begutachtet?

C. Gnandt: Bisher hat noch kein Land weltweit Vorschriften definiert und umgesetzt, die eine Typgenehmigung für automatisierte Serienfahrzeuge ermöglichen. Im Bereich HAD (Highly Automated Driving) bei TÜV Süd haben wir mit unserem Dienstleistungsprodukt "AV-Permit" eine Vorgehensweise entwickelt, die es uns ermöglicht, Einzelfahrzeuge mit automatisierten Fahrfunktionen innerhalb geltender nationaler Rechtsrahmen zu begutachten. Dieser Prozess schließt die Lücke fehlender rechtlicher Grundlagen durch die Bewertung der Betriebssicherheit mit Hilfe der Funktionalen Sicherheit, SOTIF (Safety Of The Intended Functionality; Sicherheit der Sollfunktion) und Cybersecurity. Die Vorgehensweise ermöglicht es dem Kunden, eine Betriebserlaubnis für Einzelfahrzeuge bei den Genehmigungsbehörden zu erlangen. Der Ansatz ist inzwischen im Rahmen diverser internationaler Projekte bei einer Vielzahl von automatisierten Mobilitätslösungen erprobt worden. Eines der ersten Projekte war zum Beispiel das Projekt in Bad Birnbach, wo die ersten öffentlich fahrenden automatisierten Busse, sogenannte "peoplemover", auf die Straße gebracht wurden.

AH: Welche Erfahrungen hat TÜV Süd hier aus anderen Projekten einzubringen?

C Gnandt: TÜV Süd hat sich die letzten vier Jahre proaktiv mit dem Thema automatisiertes und vernetztes Fahren beschäftigt. Um die Entwicklung von Technologien für das automatisierte Fahren zu fördern, waren wir bereits seit 2017 in nationalen und internationalen Projekten und Gremien tätig und haben unsere Expertise ausgebaut. Dabei wollen wir stets globale Lösungsansätze finden und schnell praktikable Methoden entwickeln und etablieren, um die Mobilität der Zukunft zu fördern. Denn auch wenn der Rechtsrahmen von Land zu Land unterschiedlich ist, kann dennoch dieselbe Methode zur Bewertung der Sicherheit des automatisierten Fahrzeugs angewendet werden. Das Ziel aller unserer Projekte war und ist es, neue Technologien sicher zuzulassen und im bestehenden Rechtsrahmen auf die Straße zu bringen.

Als einzige technische Sachverständigenorganisation waren wir zum Beispiel am Projekt PEGASUS des Bundesministeriums für Wissenschaft und Energie (BMWi) beteiligt. Gemeinsam mit 16 weiteren Partnern aus Industrie und Wissenschaft arbeiteten unsere Prüfexperten an der Bewertung und Validierung von hochautomatisierten Fahrsystemen auf Autobahnen.  Der Entwicklung von neuen Regularien und der funktionalen Sicherheit von autonomen Fahrzeugen im städtischen Raum widmet sich ein Projekt in Singapur zusammen mit dem Centre of Excellence for Testing and Research of Autonomous Vehicles (CETRAN). Hier waren wir an der Entwicklung der ersten weltweit nationalen Leitlinien für die Entwicklung vollautomatisierter Fahrzeuge (TR 68) beteiligt.

TÜV Süd ist des Weiteren Gründungsmitglied der International Alliance for Mobility Testing and Standardization (IAMTS), um global standardisierte Testmethoden und einheitlich anerkannte Standards rund um das automatisierte Fahren zu harmonisieren. Hierbei entwickeln und etablieren wir zusammen mit führenden Unternehmen und Institutionen Best Practices und modernste Test- und Validierungsmethoden für Hersteller und Mobility-as-a-Service Unternehmen und stellen ihnen eine Reihe von physischen und virtuellen Testumgebungen zur Verfügung.

AH: Wie weit sind die gesetzlichen Grundlagen in Deutschland für automatisierte Fahrzeuge?

C. Gnandt: Deutschland ist eines der ersten Länder, welche das automatisierte Fahren im Straßenverkehrsgesetz entsprechend dem überarbeiteten Wiener Übereinkommen verankert hat. Leider fehlen noch anwendbare rechtliche Grundlagen für automatisierte Fahrfunktion gemäß SAE Level 3, 4 und 5. Der serienmäßige Einsatz solcher Technologien ist daher heute noch nicht möglich. Aber erste UNECE Regelungen, wie die für automatisierte Spurhaltesysteme (ALKS), wurden Mitte des Jahres in Genf verabschiedet. Unsere TÜV Süd Experten sind in den entsprechenden Arbeitsgruppen der UNECE beteiligt. Die Bundesregierung hat jedoch auf dem letzten Autogipfel eindeutig ein Votum für die Umsetzung von Verordnungen, die das automatisierte Fahren in D ermöglichen, abgegeben.

AH: Das Mobileye-Projekt startet in München. Wird es auch in anderen Städten künftig Dienstleistungen mit automatisierten Fahrzeugen geben?

C. Gnandt: Mobileye kann die automatisierten Fahrzeuge in allen Regionen und Städten in Deutschland erproben. Aktuell gibt es allerdings noch keine Möglichkeit, automatisierte Fahrzeuge im Regelbetrieb für derartige Dienste außerhalb von Pilotprojekten und Versuchsfahrten einzusetzen, bei denen die Fahrzeuge durch Sicherheitsfahrer begleitet werden. Hierzu fehlen wie gesagt noch die entsprechenden Regularien.

AH: Wo liegt die größte Herausforderung, damit automatisierte Fahrzeuge verlässlich funktionieren?

C. Gnandt: Die prinzipielle Herausforderung liegt in der Übertragung der Verantwortung vom menschlichen Fahrer auf das Fahrzeug. Wenn man bedenkt, dass im Straßenverkehr zum Beispiel durch das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer oder durch unterschiedliche Wetterbedingungen sehr viele unterschiedliche Situationen eintreten können, ist die Anzahl der zu beherrschenden Situationen enorm. Oder denken Sie an die Herausforderungen wie wir Sie auf vielen deutschen Alleen erleben – unterschiedliche Sonneneinstrahlung, Nebel, Bäume. In jeder dieser Situationen muss das Fahrzeug im automatisierten Fahrmodus jegliche Fahraufgabe bzgl. Längs- und Querführung eigenverantwortlich, sicher und ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und der Insassen im Fahrzeug absolvieren.

AH: Wie wird die Funktionstüchtigkeit von automatisierten Systemen überprüft und welche Rolle spielen dabei die Prüforganisationen?

C. Gnandt: Heute werden die Einzelfahrzeuge im Rahmen des AV-Permits durch unsere TÜV Süd Experten hinsichtlich Fahrzeugsicherheit, Funktionaler Sicherheit und Cybersecurity neben den konventionell bestehenden gesetzlichen Anforderungen begutachtet. TÜV Süd als unabhängige Prüforganisation nimmt hier zwei Rollen ein: Zum einen werden wir unserem Auftrag gerecht, solche Fahrzeuge, Konzepte, Produkte objektiv hinsichtlich ihrer Sicherheit und Vorschriftsmäßigkeit zu bewerten, um eine Zulassungsempfehlung für den Kunden zu erstellen. Zum anderen möchten wir als TÜV Süd unserer ursprünglichen Rolle gerecht werden: Menschen, Umwelt und Sachgüter vor den nachteiligen Auswirkungen der Technik zu schützen. Seit über 150 Jahren tragen wir mit Lösungen im Bereich Qualität, Sicherheit und Nachhaltigkeit dazu bei, das Vertrauen in neue Technologien und Innovationen zu fördern – und die Menschen darin zu bestärken, sie anzunehmen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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