Von Thorsten Barg, Geschäftsführer Schwacke
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts schafft wichtige rechtliche Rahmenbedingungen. Die entscheidenden politischen und markttechnischen Maßnahmen sind aber noch längst nicht ausreichend getroffen. Es werden Grundlagen geschaffen für mögliche kommende rechtliche Schritte in einzelnen Kommunen oder gar bundesweit – nicht mehr aber auch nicht weniger.
So werden wir als Marktbeobachter weiterhin verunsicherte Kunden sehen, die nun sicher verstärkt gebraucht wie neu tendenziell eher zu Benzinern greifen, auch wenn Euro 6-Diesel beispielsweise von Fahrverboten wohl nicht betroffen wären. Ebenso verunsicherte Fuhrparkbetreiber, die für ihre Neuverträge jetzt ganz genau nachrechnen sollten, ob Diesel bei steigenden Leasingraten gesamtkostentechnisch durch geringere Betriebskosten immer noch kostengünstiger sind als Benziner oder alternativ angetriebene Fahrzeuge. Weiterhin werden sich Besitzer von älteren Benzinern vermeintlich sicher wähnen, obwohl auch hier mehrere Millionen Fahrzeuge bundesweit unterhalb der Euro 3-Norm unterwegs sind, und von einem Fahrverbot getroffen werden könnten.
Die Preise gebrauchter Diesel werden weiter nachgeben, weil zum einen existierende Volumina von Dieseln als Flotten-/Leasing-/Vermiet-Rückläufern nach ihrer Vertragsdauer vermarktet werden müssen und zum anderen eben auch verunsicherte Diesel-Besitzer versuchen werden, ihre älteren Fahrzeuge loszuwerden. Bei gleichzeitig abnehmender Kaufbereitschaft, wird ein Schuh – oder besser ein Risiko – draus. Alternative Antriebe kommen mangels konzertierter Anstrengungen zwar in der Akzeptanz und mengenmäßig voran, zum Teil für manchen sogar überraschend plötzlich. Sie leiden aber auf den Gesamtmarkt betrachtet noch unter mangelndem Vertrauen, dünner Infrastruktur und geringer finanzieller Attraktivität.
Solange also keine klaren politischen Entscheidungen gefällt werden wie z.B. bundesweite Fahrverbote ("Blaue Plakette"), verpflichtende (Hardware-)Nachrüstung, Anpassung der Mineralöl- und Kfz-Steuer oder massive Investitionen in Erwerb und Infrastruktur von alternativen Antrieben, bleibt es bei Einzelfallentscheidungen von Gerichten wie in Stuttgart und Düsseldorf mit unterschiedlichen Auswirkungen und Konsequenzen. Daran ändert auch die plötzlich bekannt gewordene Planung zur Schaffung einer "Rechtsgrundlage für streckenbezogene Verkehrsverbote oder -beschränkungen" des Bundesverkehrsministeriums nichts, da sie nur die bisher notwendige Bindung von Fahrverboten an Luftreinhaltungspläne aufhebt.
Eine solche Unsicherheit erzeugt schlecht abschätzbare Risiken in den Büchern von Händlern, Banken und Leasinggesellschaften. Klare politische Entscheidungen würden voraussichtlich zwar die Restwerte punktuell deutlicher nachgeben lassen, böten aber die Möglichkeit, alle Anstrengungen auf ein Ziel auszurichten und für alle Beteiligten mehr Planungssicherheit und für den Markt verlässlichere Prognosen.
Es gibt also auch nach diesem Urteil noch zahlreiche Fragen zu klären und Entscheidungen zu treffen – irgendwann muss man allerdings auch damit beginnen.
Jörg Herrmann
Habl