In den Überschwemmungsgebieten an Ahr und Erft sowie den anderen von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Regionen ist der Wiederaufbau weiter in vollem Gang. "An unsere Kunden wurden bereits über drei Milliarden Euro ausgezahlt, um die Schäden an Hausrat, Wohngebäuden, Betrieben und Fahrzeugen zu beheben", sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, aktuell in Berlin.
Alle Schäden – der GDV rechnet derzeit mit versicherten Gesamtschäden von 8,2 Milliarden Euro – könnten allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht beglichen sein, so Asmussen weiter: "Die Versicherer zahlen nicht pauschal eine Summe aus, sie bezahlen ganz konkret den Wiederaufbau eines Gebäudes." Das geschehe so zügig wie möglich. "Aber bis alle stark geschädigten Gebäude wieder aufgebaut sind, dauert es noch. Und erst dann sind alle Mittel geflossen."
Wohin wurde bisher wieviel bezahlt?
Asmussen machte deutlich, dass sich die Betroffenen "darauf verlassen" könnten, dass die Versicherer bestehende Ansprüche erfüllen: "Glauben Sie nicht den Gerüchten in den sozialen Medien. Die Versicherungswirtschaft nimmt ihre Verpflichtungen sehr ernst."
Von den bislang ausgezahlten Leistungen erhielten Betroffene in Nordrhein-Westfalen über 1,7 Milliarden Euro. Auf Versicherungskunden in Rheinland-Pfalz entfielen rund 950 Millionen Euro, während die übrigen 350 Millionen Euro vor allem in Bayern und Sachsen ausgezahlt wurden.
Die Zahlen basieren laut Asmussen auf der aktualisierten GDV-Statistik zum Stand der Schadenregulierung nach dem Tiefdruckgebiet "Bernd", das Mitte Juli vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz große Schäden angerichtet hat. Bei der bislang folgenschwersten Naturkatastrophe in Deutschland starben auch mehr als 180 Menschen.
Vergessen werden darf bei der aktuellen Standmitteilung des GDV allerdings auch nicht, dass zum Zeitpunkt des zerstörerischen Hochwassers in Rheinland-Pfalz gerademal 37 Prozent und in Nordrhein-Westfalen 47 Prozent aller Häuser umfassend gegen Naturkatastrophen versichert waren. Konkret bedeutet dies, dass in NRW nur knapp jeder zweite Hausbesitzer Geld von seiner Versicherung für die erlittenen Schäden erhält, was – zumindest statistisch betrachtet – dagegen in Rheinland-Pfalz nur auf etwas mehr als jeden dritten Geschädigten zutrifft.
"Chance für bessere Hochwasservorsorge verpasst"
Laut Asmussen hat die Versicherungswirtschaft in den vergangenen Wochen und Monaten "große Anstrengungen unternommen", um den Wiederaufbau der zerstörten Landstriche voranzutreiben und die Betroffenen zu unterstützen. Es sei verständlich, dass die Menschen so schnell wie möglich wieder in ihre Häuser und in ein normales Leben zurückkehren wollen.
"Von der öffentlichen Hand hätten wir uns aber klare Aussagen gewünscht, an welche behördlichen Präventionsauflagen der Wiederaufbau geknüpft ist", so der GDV-Hauptgeschäftsführer. "Das betrifft vor allem das Ahrtal. Stattdessen ist in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, dass man mit den von der Landesregierung neu berechneten Gefahrenkarten für künftige Katastrophen hinreichend vorgesorgt hat. Das ist eine verpasste Chance für eine bessere Hochwasservorsorge."
GDV hält an automatischem Elementarschutz-Baustein fest
Als Folge der Flutkatastrophe haben die deutschen Versicherer konkrete Vorschläge für ein Gesamtkonzept zur Klimafolgenanpassung vorgelegt (wir berichteten). Damit einher geht auch ein neues System für den Elementarversicherungsschutz. Ziel ist eine Absicherung aller privaten Wohngebäude gegen Extremwetterrisiken. Im Kern sehen die GDV-Vorschläge vor, dass es künftig nur noch Wohngebäudeversicherungen geben soll, die auch sogenannte Elementargefahren, wie Hochwasser und Starkregen, abdecken.
Der "Elementarschutz-Baustein" könne allerdings durch den Versicherungsnehmer aktiv abgewählt werden, wodurch der GDV langwierige Diskussionen zum Thema Versicherungspflicht vermeidet. Wer allerdings von dieser Opt-Out-Möglichkeit Gebrauch macht, muss wissen, dass er dadurch bei Verlusten aus Elementarschäden definitiv keine Leistungen mehr erwarten darf. Zugleich fordert die Versicherungswirtschaft ein nachhaltiges Umsteuern der öffentlichen Hand, etwa durch klare Bauverbote in hochwassergefährdeten Gebieten.
Wenn man hier die Aussagen Asmussens richtig interpretiert, mangelte es offensichtlich schon jetzt bei einigen wiederaufgebauten Anwesen an entsprechenden Behörden-Auflagen bzw. -Vorgaben für einen künftig besseren Hochwasserschutz. Bereits in den vergangenen Monaten wurden immer wieder Zweifel daran laut, bestimmte Gebäude an exakt der gleichen Stelle überhaupt wieder neu zu errichten. (wkp)