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R+V-Langzeitstudie: Hohe Staatsverschuldung schürt Geldsorgen der Deutschen

13.09.2021 04:57 Uhr | Lesezeit: 11 min
R+V-Langzeitstudie: Hohe Staatsverschuldung schürt Geldsorgen der Deutschen
Die Befragung zur R+V Langzeitstudie wurde am 4. Juli 2021 abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Umweltsorgen der Menschen auf Platz 8 mit 41 Prozent und außerhalb dieser Rankingliste. Eine Online-Zusatzbefragung Ende Juli nach der Flutkatastrophe vor allem in NRW und Rheinland-Pfalz katapultierte die Angst vor Naturkatastrophen und Extremwetter dann allerdings auf punktuell 69 Prozent hoch (siehe auch Grafik am Ende des Beitrages).
© Foto: R+V

Die Mehrheit der Deutschen fürchtet, dass der Staat sie für die Milliarden-Schulden der Corona-Krise zur Kasse bittet. Dagegen scheint die Angst vor Rezession und Konjunktureinbruch gebannt. Die Umwelt wurde erst durch die Flutkatastrophe zum Topthema, so die Kern-Ergebnisse der R+V-Langzeitstudie "Die Ängste der Deutschen 2021".

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Zum 30. Mal hat das Infocenter der R+V Versicherung rund 2.400 Menschen nach ihren größten Sorgen rund um Politik, Wirtschaft, Umwelt, Familie und Gesundheit befragt. "Der Schuldenberg, der sich bei Bund, Ländern und Kommunen zur Bewältigung der Corona-Pandemie aufgetürmt hat, bereitet den Deutschen in diesem Jahr die größten Sorgen", sagte Brigitte Römstedt, Leiterin des R+V-Infocenters, anlässlich der Pressekonferenz vergangenen Donnerstag in Berlin. 53 Prozent der Deutschen haben Angst davor, dass der Staat wegen der Schuldenlast aus der Corona-Krise dauerhaft Steuern erhöht oder Leistungen kürzt – Platz eins der diesjährigen Umfrage.

Top-Ängste Schulden und Lebenshaltungskosten

Die Sorge um die persönlichen Finanzen spiegeln auch die Plätze zwei und drei der Umfrage wider: Jeder zweite Deutsche befürchtet, dass die Lebenshaltungskosten steigen (Vorjahr: 51 Prozent) und dass die Steuerzahler für die EU-Schuldenkrise zur Kasse gebeten werden (Vorjahr: 49 Prozent). "Die Top-Ängste zeugen vom Realismus der Befragten – und vom Vorrang ihrer materiellen Interessen", kommentierte Prof. Dr. Manfred G. Schmidt, Politikwissenschaftler an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg. Er berät das R+V-Infocenter seit fast zwei Jahrzehnten bei der Auswertung der Ängste-Studie.

"Die Staatsschulden, die infolge von Corona erheblich gewachsen sind, erfordern beträchtliche Abgabenerhöhungen oder erhebliche Kürzungen öffentlicher Leistungen oder beides – und zwar dauerhaft", sagte Schmidt. "Das sieht die Mehrheit der Befragten in aller Klarheit." Die Staatsschulden sind in diesem Jahr auf den Rekordwert von mehr als 2,2 Billionen Euro gestiegen. "Zusätzlich drohen den deutschen Steuerzahlern hohe Lasten durch die EU-Schuldenkrise, da Deutschland in großem Umfang für die Rettung überschuldeter EU-Mitgliedsstaaten haftet." Auch die Sorge vor höheren Lebenshaltungskosten bildet die Realität ab: Seit Jahresbeginn steigen die Verbraucherpreise kontinuierlich. Professor Schmidt monierte, dass die Politiker auch hier nicht Position beziehen: "Um kräftig steigende Inflationsraten machen Wahlkämpfer gerne einen Bogen – und drücken sich vor der Erörterung von Therapien der Inflationsbekämpfung."

Sorgenrückgang bei Wirtschaftsflaute und Arbeitslosigkeit

Die Sorge um die Wirtschaftslage in Deutschland ist jedoch geringer geworden. Sie liegt mit 40 Prozent auf Platz zehn des Rankings. Im vergangenen Jahr – als das Geschäftsleben während der Pandemie erlahmte – lag sie mit 48 Prozent auf Platz vier der Umfrage. "Offensichtlich sind die Befragten erleichtert, dass die Wirtschaft nach dem stärksten Einbruch in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wieder in Schwung kommt", erläuterte Schmidt. Mit dem Konjunkturaufschwung sinkt auch die Angst vor Arbeitslosigkeit: Nur knapp ein Drittel der Befragten (31 Prozent; Vorjahr: 40 Prozent) befürchtet steigende Arbeitslosenzahlen. Noch geringer ist die Angst vor dem Verlust des eigenen Jobs (24 Prozent; Vorjahr: 25 Prozent).

Umweltängste moderat – bis zur Flutkatastrophe

In der regulären Umfrage bleiben die Umweltsorgen etwa auf dem Niveau des Vorjahres: 41 Prozent der Befragten haben große Angst vor häufigeren Naturkatastrophen und Wetterextremen (Platz 8; Vorjahr: 44 Prozent, Platz 5). Vor den Auswirkungen des Klimawandels fürchten sich wie im vergangenen Jahr 40 Prozent der Deutschen. "Die Unwetter im Juni haben die Ängste nicht geschürt, obwohl schon zu dieser Zeit Starkregen, Sturm und Hagel in vielen Teilen Deutschlands schwere Schäden anrichteten", sagte Römstedt.

Das änderte sich jedoch nach der verheerenden Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. "Da die Ängste-Umfrage zu dieser Zeit bereits abgeschlossen war, haben wir Ende Juli in einer Online-Umfrage weitere 1.000 Bürger nach ihren Umweltängsten befragt", so Römstedt. "Die dramatischen Bilder von zerstörten Häusern und die Nachrichten über zahlreiche Tote und Vermisste haben die Umweltängste auf Rekordwerte getrieben."

7 von 10 Menschen fürchten Elementarschäden

Naturkatastrophen und Extremwetter ängstigen nun 69 Prozent aller Bürger. 61 Prozent der Befragten sind besorgt, dass der Klimawandel dramatische Folgen für die Menschheit hat. Damit liegen die Ängste bei der Online-Umfrage um mehr als 20 Prozentpunkte über den Normalwerten. "Diese Ergebnisse dokumentieren den Schock, den die entsetzliche Flut bei den Menschen ausgelöst hat. Ob die Katastrophe längerfristige Auswirkungen auf die Umweltängste hat, wird sich allerdings erst im kommenden Jahr zeigen", erläuterte Professor Schmidt. Im Verlauf der Langzeitstudie hat die Furcht vor Naturkatastrophen die 60-Prozent-Marke zuvor nur einmal überschritten. Sie stieg auf den bisherigen Höchstwert von 64 Prozent, als 2010 der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull in Island und die gigantische Ölpest im Golf von Mexiko wochenlang die Nachrichten bestimmten.

Schulnote 3,8 für die Politiker im Wahljahr

2021 befürchten 41 Prozent der Deutschen, dass die Politiker von ihren Aufgaben überfordert sind. Für ein Wahljahr dennoch ein moderater Wert. Zum Vergleich: Bei der Wahl vor vier Jahren zweifelten 55 Prozent der Befragten daran, dass die Politiker ihren Aufgaben gewachsen sind. Im Osten hadern die Bürger mehr mit den Politikern als im Westen (Ost: 50 Prozent, West: 39 Prozent).

Traditionell trauen die Deutschen den Politikern wenig zu. Das spiegelt sich auch in den Schulnoten wider, die die Befragten den Politikern für ihre Leistungen vergeben. Demnach erhalten sie im Jahreszeugnis im Schnitt eine 3,8. Auffällig: die Noten "mangelhaft" und "ungenügend" finden sich mit fast 25 Prozent mehr als doppelt so oft im Politiker-Zeugnis wie "sehr gut" oder "gut".

Größter Ost-West-Unterschied bei "Zuwanderung"

Zu den größten Ängsten der Deutschen zählen nach wie vor die Zuwanderungsthemen. 45 Prozent der Befragten befürchten, dass die große Zahl der Geflüchteten die Deutschen und ihre Behörden überfordert (Platz vier; Vorjahr: 43 Prozent, Platz sieben). Auch die Sorge vor Konflikten durch weitere Zuwanderung bleibt präsent (42 Prozent; Vorjahr: 43 Prozent). Bei beiden Ängsten gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Ost und West: 42 Prozent der Westdeutschen befürchten, dass der Staat durch die Geflüchteten überfordert ist (Rang fünf). Im Osten bleibt dies mit 58 Prozent die Top-Angst. Erhebliche Unterschiede gibt es auch bei der Angst vor Konflikten durch weitere Zuwanderung (Ost: 52 Prozent, West: 40 Prozent). Über alle Ängste hinweg gilt: Im Osten machen sich die Befragten mehr Sorgen als im Westen.

Digitaler Wandel als neues Zukunftsthema

Die Corona-Krise hat die Bedeutung digitaler Technologien für Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft verdeutlicht. Experten sagen voraus, dass Deutschland seinen Wohlstand nur sichern kann, wenn es bei der Digitalisierung den Anschluss an die Konkurrenz im Ausland nicht verliert – und sehen hier erheblichen Nachholbedarf. "Uns interessiert, ob die Bürger dies genauso sehen. Deshalb haben wir unseren Fragenkatalog um dieses Zukunftsthema ergänzt", erklärt Römstedt. Das Ergebnis: 38 Prozent der Befragten befürchten, dass Deutschland bei der Digitalisierung hinterherhinkt – Platz zwölf der Umfrage. Doch es gibt erhebliche Unterschiede bei den Altersgruppen: Während von den 14- bis 19-Jährigen noch jeder Zweite (49 Prozent) besorgt ist, dass die Digitalisierung nicht massiv genug vorangetrieben wird, sinkt diese Angst bei den 20- bis 39-Jährigen auf 43 Prozent. Ab 60 Jahren sorgt das Thema weniger als jeden Dritten.

Weitere Ergebnisse der R+V-Studie

Angst-Index: Insgesamt sind die Deutschen 2021 gelassen. Der Durchschnitt aller abgefragten Ängste bleibt mit 36 Prozent (Vorjahr: 37 Prozent) auf ähnlich niedrigem Niveau wie im Vorjahr. Im Osten ist die durchschnittliche Angst allerdings mit 40 Prozent um fünf Prozentpunkte höher als im Westen.

Schwere Erkrankung/Corona-Infektion (Platz 14): Gering bleibt in der von Corona dominierten Zeit die Angst vor einer schweren Erkrankung (35 Prozent; Vorjahr: 32 Prozent). Ebenfalls nur etwa jeder Dritte fürchtet sich davor, dass er sich selbst oder die Menschen in seinem Umfeld mit dem Corona-Virus infizieren könnte.

Pflegebedürftigkeit (Platz sechs): Mit 43 Prozent rangiert die Angst, im Alter pflegebedürftig zu werden, weiterhin unter den Top Ten. Wie immer sind Frauen (47 Prozent) bei diesem Thema deutlich besorgter als Männer (38 Prozent).

Terror (Platz 16): 20 Jahre nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York liegt die Angst vor Terroranschlägen mit 32 Prozent weit hinten im Ranking. Ihren bisherigen Höchststand erreichte diese Sorge nach den Attentaten der Terror-Miliz IS in Europa. Seit einigen Jahren nehmen Gewaltaktionen ab, dementsprechend sinkt auch die Furcht vor terroristischen Anschlägen.

Partnerschaft (Platz 22 und wie immer Schlusslicht): Schadet die erzwungene Nähe in der Corona-Zeit der Beziehung? Die Angst vor dem Zerbrechen der Partnerschaft steigt auf 15 Prozent. Im vergangenen Jahr lag sie mit zehn Prozent noch auf Rekordtief.

Über die Studie

"Die Ängste der Deutschen" gilt bundesweit und international als einzige Umfrage, die sich über einen Zeitraum von fast 30 Jahren mit den Sorgen der Bevölkerung befasst. Seit 1992 befragt das R+V-Infocenter jährlich in persönlichen Interviews rund 2.400 Männer und Frauen der deutschsprachigen Wohnbevölkerung im Alter ab 14 Jahren nach ihren größten politischen, wirtschaftlichen, persönlichen und ökologischen Ängsten. Die repräsentative Umfrage findet immer im Sommer statt – dieses Mal lief sie vom 25. Mai bis zum 4. Juli 2021.

Am 28. Juli befragte das R+V-Infocenter zusätzlich 1.091 Personen in einer repräsentativen Online-Umfrage zu den Umweltängsten. Die Ergebnisse beider Umfragen sind aufgrund der unterschiedlichen Erhebungstechniken nur bedingt vergleichbar. Die wichtigsten Ergebnisse zur Ängste-Studie der R+V sind unter www.die-aengste-der-deutschen.de aufbereitet. (fi)

© Foto: R+V
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