Diesel-Kläger dürften sich schwertun, von VW-Konzerntöchtern wie Audi Schadenersatz im Abgasskandal zu erstreiten. Das zeichnete sich am Montag am Bundesgerichtshof (BGH) in der Verhandlung eines Musterfalls aus Sachsen-Anhalt ab. Das Urteil dürfte zeitnah verkündet werden. Den Termin dafür wollten die Karlsruher Richter noch festlegen (Az. VI ZR 505/19).
Dass Volkswagen mit dem heimlichen Einsatz einer manipulierten Abgastechnik Millionen Autokäufer systematisch getäuscht hat und dafür grundsätzlich haftet, steht seit Mai 2020 fest. Damals entschieden die obersten Zivilrichter des BGH in ihrem ersten und wichtigsten Urteil zum Diesel-Skandal, dass Kläger ihr Auto an VW zurückgeben können. Sie bekommen aber nicht den vollen Kaufpreis wieder, sondern müssen sich gefahrene Kilometer anrechnen lassen.
Audi hatte den bei VW entwickelten Skandalmotor EA189 für eigene Modelle übernommen. Anders als bei Volkswagen gehen die Richter nach ersten Beratungen aber nicht zwangsläufig davon aus, dass der Abgasbetrug bei Audi intern bekannt gewesen sein muss, wie der Senatsvorsitzende Stephan Seiters zum Verhandlungsauftakt sagte. Es gebe "keine Wissenszurechnung über Konzerngrenzen hinweg".
Konkretere Vorwürfe gegen Audi nötig
Für Audi-Besitzer, die den Autobauer direkt verklagt haben, dürfte das bedeuten, dass sie viel konkretere Vorwürfe vortragen müssen. Der Kläger in dem Fall hatte seinen Audi A6 wenige Monate vor Auffliegen des Skandals nichtsahnend gekauft und rechtzeitig Klage erhoben. Eine Klage gegen VW wäre aus heutiger Sicht wohl ein Selbstläufer gewesen.
Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg hatte ihm zuletzt rund 20.000 Euro Schadenersatz plus Zinsen von Audi zugesprochen. Dabei wird es aber kaum bleiben. Das Urteil weise Rechtsfehler auf, sagte Seiters. Sein Senat tendiere deshalb dazu, den Fall zurückzuverweisen.
In Naumburg müsste der Kläger dann seine Anschuldigungen unterfüttern, indem er zum Beispiel ausführt, welchen Anteil Audi an der Entwicklung des Motors gehabt habe oder dass Informationen über den Schadstoffausstoß mit VW ausgetauscht worden seien. Das dürfte sehr schwierig sein - auch wenn der Fall noch nicht entschieden ist.
Audi zeigte sich zuversichtlich, dass das OLG im zweiten Anlauf einen Anspruch des Klägers verneinen werde. "Aus unserer Sicht sind die Hürden hoch", teilte das Unternehmen mit. Es fehle "klar an einer sittenwidrigen Täuschungshandlung der Audi AG". Audi-Anwalt Moritz Becker sagte in Karlsruhe, im Audi-Vorstand habe von der unzulässigen Software keine Kenntnis bestanden. Das hätten interne "Sachverhaltsermittlungen und Prüfungen" ergeben.
Meisten Betroffenen haben gegen VW geklagt
Gegen Audi ist nach Unternehmensangaben eine niedrige vierstellige Zahl von Klagen anhängig. Die allermeisten Betroffenen haben VW auf Schadenersatz verklagt. Seit dem Grundsatz-Urteil des BGH hat sich der Wolfsburger Autobauer mit rund 30.000 Klägern verglichen (Stand 11. Februar). Außerdem hatten gut 245.000 Diesel-Besitzer durch einen Mustervergleich zwischen VW und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen Summen von 1.350 bis 6.257 Euro bekommen.
Trotzdem laufen immer noch Tausende Verfahren. Eigentlich hatte der BGH am Montag auch über das Software-Update verhandeln wollen, mit dem VW die unzulässige Abschalteinrichtung entfernen musste. Der Termin musste aber kurzfristig abgesagt werden, weil der klagende Käufer seine Revision zurückgezogen hatte (Az. VI ZR 513/20). (dpa)