Die Vorläufer-Gesellschaften der heutigen Freeyou reichen bis ins Jahr 1975 zurück. Während diese sich vorwiegend noch mit Service- und Assistanceleistungen beschäftigten, erfolgte 1994 die Gründung der German Assistance als Versicherungs-AG mit Zulassung als Spezialversicherer in Deutschland durch das Bundesamt für das Versicherungswesen (die spätere BaFin).
100%-Anteilseigner DEVK
Nach einer ersten Kooperationsvereinbarung (2008) und einer 2009 folgenden Mehrheitsbeteiligung übernahm die DEVK Rückversicherungs- und Beteiligungs-AG mit Sitz in Köln im Jahr 2010 auch die restlichen Anteile der German Assistance Versicherung AG und ist seither alleiniger Gesellschafter des erst 2023 in Freeyou Insurance AG umbenannten Unternehmens.
Erfolgversprechender Start vor Corona
Freeyou als Markenname gibt es laut einer Unternehmenssprecherin offiziell seit 2018. Der Startschuss als rein digitale Kfz-Versicherung fiel 2019. Trotz des neuen Namens – und damit als zunächst noch weitgehend unbekanntes Start-up – konnten schnell tausende Kundinnen und Kunden gewonnen werden.
Präventive Maßnahme
Ein gutes Jahr, nachdem am 13. Februar 2023 endgültig auch die noch existente GAV Versicherungs-AG in Freeyou Insurance AG umfirmiert wurde, hat das Unternehmen nun in der vergangenen Woche beschlossen, seinen strategischen Fokus grundlegend zu ändern und das hoch defizitäre Kfz-Geschäft aufzugeben, bevor die daraus resultierenden Verluste zu einer Bedrohung für das Gesamtunternehmen werden können.
Hierzulande gibt es bekanntermaßen bereits Beispiele, wie der ein oder andere Direktversicherer mit Schaden-Kostenquoten in der Größenordnung von 280 Prozent nur durch eine Übernahme am Leben erhalten werden konnte. So konnte vor gut 13 Jahren u.a. Admiral Direkt durch Verkauf an die Itzehoer noch gerettet werden.
Gesamter Markt hoch belastet
So weit wollten es die Vorstände Karl Assing und Peter Boecker bei der Freeyou aber aktuell erst gar nicht kommen lassen und zogen jetzt die Reißleine. Und wenn man bedenkt, dass Freeyou die Kfz-Prämien zuletzt bereits weit über Marktdurchschnitt angepaßt hatte, lässt sich erahnen, wie sehr die Defizite aus 2023 und 2024 selbst große Kfz-Versicherer belasten. HUK-Coburg-Vorstandssprecher Klaus-Jürgen Heitmann beispielsweise hatte sich für die hierzulande größte Autoversicherung in diesem Jahr bereits mehrfach öffentlich erklärt und seine entsprechenden Sorgen artikuliert (wir berichteten).
Kraftfahrtgeschäft branchenweit defizitär
Von praktisch allen Kfz-Assekuranzen hierzulande werden aktuell die hohen Verluste beklagt, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) für das Kraftfahrtgeschäft 2023 mit satten drei Milliarden Euro beziffert und auch für das laufende Jahr erneut tiefrote Zahlen prognostiziert hat.
Die Kfz-Sparte ist seit vielen Jahren hart umkämpft, da sie jeder Erstversicherer auch als "Schlüsselpolice" für andere Verträge in der Sach-, Leben- und Krankenversicherung sieht. Aus just dieser Wettbewerbssituation heraus werden weiterhin die Kfz-Prämien nur zögerlich angepaßt, nicht aber auf ein mindestens kostendeckendes Niveau hochgezogen.
Wie fast alle Gesellschaften übereinstimmend erwarten, wird es auch 2024 zu einer Combined-Ratio (Schaden-Kostenquote) von über 100 Prozent kommen, was de facto bedeutet, dass jeder Versicherer erneut mehr Ausgaben statt Einnahmen generieren wird. HUK-Chef Heitmann machte aber auch die restriktive Autopolitik der Bundesregierung mit daraus resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen mit verantwortlich, dass das "Kfz-Geschäft künftig nicht mehr so sein wird, wie es noch vor Corona war".
Respekt vor einer konsequenten Entscheidung!
So ähnlich haben es vermutlich auch die Freeyou-Vorstände Assing und Boecker gesehen, wenn sie von "hohen markt- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen der letzten beiden Jahre" sprechen, die "das Geschäftsumfeld für die Freeyou Insurance AG zunehmend unattraktiv gemacht haben".
Deren Entscheidung, sich mit Freeyou deshalb komplett aus dem Kfz-Geschäft zurückzuziehen, folgt somit klaren, rationalen Überlegungen und ist von daher als absolut zukunftsorientiert zu werten! Schließlich schafft man durch diesen konsequenten Ausstieg bei allen weiteren Geschäftsfeldern bzw. Produkten eine langfristig gesunde Basis für die versicherten Kunden – und natürlich auch das eigene Unternehmen. Dies vor allem dann, wenn man Verluste nicht durch Einnahmen aus anderen Sparten ausgleichen kann, weil man diese schlicht nicht im eigenen Portfolio hat – oder ganz generell nicht das Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage bringen möchte.
In Zukunft will sich der im nordrhein-westfälischen Legden ansässige Direktversicherer verstärkt auf innovative und konventionelle Produkte im Privatkundenbereich konzentrieren. Schon bevor Freeyou im Kfz-Markt aktiv war, konnte das Unternehmen Akzente im Sachversicherungsbereich setzen – und sieht dort auch weiterhin seine Existenzberechtigung.
Fokus auf zukunftsfähige Produkte
Das aktuelle Portfolio umfasst Versicherungsprodukte wie eine Reparaturkostenversicherung für Kfz und eine Gegenstandsversicherung mit über 200 versicherbaren Produkten. Zusätzlich plant das Unternehmen, sein Angebot in Zukunft mit einer privaten Cyberversicherung und einer Mobilitätsversicherung zu erweitern.
Konzentration auf größten Mehrwert für Kunden
"Die Entscheidung, uns aus dem Kfz-Geschäft zurückzuziehen, war keine leichte, aber sie ermöglicht es uns, unsere Kräfte und Ressourcen dort zu bündeln, wo wir langfristig den größten Mehrwert für unsere Kundinnen und Kunden sehen", sagte Peter Boecker, Vorstand der Freeyou Insurance AG, vergangene Woche in einem persönlichen Gespräch mit AUTOHAUS-Schadenmanager in München.
Prozess-Optimierung bleibt Kernziel
Gestartet war Freeyou als digitaler Innovator mit dem Ziel, Prozesse zu digitalisieren und zu optimieren. "Dies ist auch weiterhin die Kernkompetenz unseres Unternehmens und wird bei der Entwicklung neuer Produkte konsequent weiterverfolgt", so Boecker. Bis die Verträge mit der Bestandskundschaft auslaufen – das werde zum Jahresende der Fall sein –, suche man "für alle Beteiligten eine attraktive Lösung".
Hans Peter Graf