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Assekuranz-Regulierung: Mehr Schlichtungsfälle denn je

28.04.2025 05:48 Uhr | Lesezeit: 5 min
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"Die Schlichtung hat sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt", sagt Sibylle Kessal-Wulf, seit April 2024 Versicherungsombudsfrau.
© Foto: GDV

Die Versicherungsombudsfrau Sibylle Kessal-Wulf erreichten 2024 so viele Schlichtungsfälle wie noch nie. Warum die Entwicklung nicht unbedingt auf größere Probleme bei Versicherern hindeutet, erklärt sie im nachfolgenden Interview, das Karsten Röbisch ganz aktuell mit ihr führte.

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K. Röbisch: Frau Kessal-Wulf, die Beschwerdezahlen sind 2024 um rund 20 Prozent auf 21.500 gestiegen. So viele wie noch nie. Ist das noch ein Aufholeffekt nach Ende der Corona-Pandemie?

S. Kessal-Wulf: Wenn wir auf den Fünf-Jahres-Durchschnitt blicken, der bei rund 18.000 Beschwerden liegt, sind wir deutlich darüber. Es ist also kein Aufholeffekt, so wie noch 2023. 

Woran liegt es dann?

Kessal-Wulf: Den einen Grund gibt es nicht. Es gibt keine Sondereffekte, der Anstieg betrifft auch alle Sparten. Für uns bleiben nur zwei Erklärungen: Zum einen, dass Schlichtungsanträge heute viel schneller gestellt werden, was möglicherweise mit der gestiegenen Erwartungshaltung der Versicherungsnehmer zu tun hat. Wenn dann etwas nicht so schnell klappt, wie sie sich das vorgestellt haben, wird eben mal eher ein Schlichtungsantrag gestellt.

Und die andere Erklärung?

Kessal-Wulf: Dass die Schlichtungsstelle in den 24 Jahren ihres Bestehens immer bekannter geworden ist. Nicht nur bei den Versicherten. Auch Anwälte schätzen unsere Expertise im Versicherungsrecht und nutzen zunehmend die Möglichkeit der Schlichtung, um für ihre Mandaten schneller etwas zu erreichen. Rund zehn Prozent unserer Fälle finden unter anwaltlicher Beteiligung statt. 

Mehr Fälle als Zeichen der größeren Bekanntheit?

Kessal-Wulf: Durchaus. Die Entwicklung zeigt sich auch bei anderen Schlichtungsstellen. Die Schlichtung hat sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Für Versicherungsnehmer ist sie eine gute Möglichkeit, kostenfrei und letztlich ohne Risiko Streitfälle beizulegen. Etwa 80 Prozent unserer Fälle liegen unter einem Streitwert von 5.000 Euro.

Gibt es Themen, die 2024 neu aufgepoppt sind?

Kessal-Wulf: Ein neuer Themenkomplex sind Datenlecks bei Social-Media-Plattformen. Betroffene machen gegenüber den Unternehmen dann unter anderem auch Schadenersatzansprüche geltend. Das ist dann ein Fall für die Rechtsschutzversicherung und führt häufig zu Konflikten. Da geht es zum einen um die Frage, wann der Rechtsschutzfall eingetreten ist und ob der Versicherer leisten muss. Tritt der Leistungsfall schon ein, wenn man sich auf einer Plattform anmeldet, die Datensicherungsstandards nicht einhält? Oder erst, wenn die Daten tatsächlich abgegriffen werden? Strittig ist auch die Höhe des Schmerzensgeldes. Da wurden teilweise 5.000 Euro angemeldet, das haben die Versicherer wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt. Die Rechtsprechung war dazu lange uneinheitlich, deshalb haben wir oft sagen müssen, dass diese Fälle für eine Schlichtung ungeeignet sind. Zum Jahresende hat der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Sie besagt, dass schon der Kontrollverlust über Daten ausreicht, um immaterielle Ansprüche daran zu knüpfen. Der BGH hat den Anspruch auch größenmäßig ein bisschen eingeordnet. Damit hat sich das Thema für uns ein wenig entschärft. 

Ein Thema, das Sie wie schon im Vorjahr in ihrem Jahresbericht erwähnen, ist die verspätete Reaktion von Versicherern. Wie groß ist das Problem?

Kessal-Wulf: Die Fälle sind noch überschaubar. Es ist aber eine zunehmende Tendenz, dass Versicherungsnehmer ihre Beschwerde allein darauf stützen, dass sie keinen Kontakt zu ihrem Anbieter bekommen. Dass sie länger auf Antworten warten müssen, zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall, wenn es um die Reparaturfreigabe geht. Dann kommen sie zu uns. Wir weisen niemanden ab, auch wenn es eigentlich nicht unsere Aufgabe ist, diese Erstvermittlung zu machen. Wir bemerken die verzögerte Reaktion der Versicherer im Übrigen auch bei der Bearbeitung der Schlichtungsanträge. Wir müssen teilweise Fristverlängerungen gewähren und mehrfach bei einem Versicherer nachfragen, weil Fragen von uns nicht so vollständig beantwortet werden wie früher. 

Fallen einzelne Unternehmen oder Sparten besonders auf?

Kessal-Wulf: Wir stellen das in der Breite fest, spartenübergreifend. Wie gesagt, es ist kein Massenphänomen. Wir haben es aber im Jahresbericht erwähnt, um an die Versicherer zu appellieren, mehr auf eine schnelle Reaktion zu achten. Damit eben auch die Schlichtung zeitlich funktioniert.

Womit begründen die Versicherer die Verzögerungen?

Kessal-Wulf: Es hat mit der allgemeinen Personalsituation zu tun. Für die Unternehmen ist es schwieriger geworden, Mitarbeiter zu finden, vor allem qualifizierte. Dazu kommen hohe Krankenstände. Das ist nicht nur ein Problem der Versicherer, das hören wir auch von anderen Schlichtungsstellen.

Sie sind seit 2024 Versicherungsombudsfrau. Was ist Ihr Fazit nach einem Jahr im Amt?

Kessal-Wulf: Was mich erfreut und in dieser Dimension überrascht hat, ist die Erfolgsquote bei den Schlichtungen. Wenn man die Lebensversicherung herausnimmt, die wegen ihrer Komplexität eigenen Regeln folgt, liegen wir bei rund 50 Prozent. Als Zivilrichterin kenne ich das so nicht: Die Zivilprozessordnung lässt weniger Spielraum für gütliche Einigungen, da steht die rechtliche Lösung im Vordergrund. Was mich außerdem sehr positiv eingenommen hat und mir Freude an der Tätigkeit vermittelt, das sind die sehr engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in jedem Bereich der Schlichtungsstelle.

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