Gleichzeitig mit der Neugründung der intern als "NAU" abgekürzten Nürnberger AutoMobil Versicherungsdienst GmbH überführte der mittelfränkische Versicherungskonzern seine 400 angestellten Mitarbeiter des branchenweit bekannten "Vertriebswegs Autohaus" in die neue Tochtergesellschaft NAU. Welche Überlegungen nach 50 Jahren zu dieser Veränderung beigetragen haben und welche Effekte die Neuausrichtung bis dato gezeitigt hat, erklären im folgenden Exklusiv-Interview Konzernvorstand Peter Meier und der NAU-Geschäftsführer Bernhard Heusl.
AH: Herr Meier, Sie haben zusammen mit Ihren Führungskräften das Corona-Jahr 2020 offenbar dazu genutzt, eine Reihe von Innovationen neu aufzusetzen, auf die wir im Laufe dieses Gespräches noch eingehen werden. Lassen Sie uns jetzt beginnen mit Ihrem "Klassiker", dem Vertriebsweg Autohaus: Er gehört in der 137-jährigen Geschichte der Nürnberger, die 1884 in Mittelfranken startete, zu Ihren unternehmerischen Eckpfeilern. Als einzige Assekuranz Deutschlands sind Sie zudem "berufsständischer Versicherer des Kfz-Gewerbes" und genießen damit sowohl beim ZDK als auch bei mehr als 2.300 Partner-Autohäusern eine erstklassige Reputation. Brauchte es da wirklich eine Veränderung?
Neue Rolle als Mehrfachvermittler
P. Meier: Ja. Natürlich hat sich der "Vertriebsweg Autohaus" bis heute bewährt. Er ist und bleibt unser größtes Asset und sichert uns den Zugang zu den Autohäusern. Hier unterscheiden wir uns nachhaltig auch vom übrigen Versicherungsmarkt. Mit der neuen Nürnberger AutoMobil Versicherungsdienst GmbH kommt seit Oktober 2020 nicht nur die Bedeutung des Kraftfahrtgeschäftes deutlicher als bisher zum Ausdruck. Auch das "M" im Wort AutoMobil wird bewusst groß geschrieben, um gegenüber Kunden, Geschäftspartnern im Kfz-Handel, eigenen Mitarbeitern und Aktionären noch klarer aufzuzeigen, welchen Stellenwert neue Mobilitätsformen inzwischen bei uns haben. Diese hohe Spezialisierung innerhalb eines Geschäftsbereiches kann man im übergeordneten Namen eines Unternehmens wie dem unseren, das über die Lebens-, Kranken- und Sachversicherung sämtliche Sparten abdeckt, niemals so prägnant zum Ausdruck bringen. Deshalb die neue Tochtergesellschaft mit dem unmissverständlichen Namen.
B. Heusl: Und weil wir bei Kfz-Versicherungen mit Autohäusern eine einzigartige Rolle im Markt einnehmen, wurden nahezu sämtliche Mitarbeiter unseres Vertriebsweges Autohaus mit all ihren Rechten nach § 613 a BGB übergeführt in die neue NAU GmbH. Damit haben wir gleichzeitig nun auch die Stellung als Mehrfachvermittler erhalten.
Welchen Vorteil haben Sie davon konkret?
P. Meier: Rechtlich ist uns dadurch gestattet, jetzt auch Kunden in Autohäusern anzusprechen, die beispielsweise bereits mit einer sogenannten Flatrate-Kfz-Police der herstellereigenen Captive eingedeckt sind. In der bisherigen Konstellation war uns aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung DSGVO der Zugang zu diesen Kunden nicht mehr möglich. Als Mehrfachvermittler können wir ihnen jetzt aber auch eine Rechtsschutz-, Lebens-, Kranken- und jede sonstige Versicherung anbieten.
Ist damit die Garanta obsolet geworden?
P. Meier: Nein, die Garanta ist nach wie vor der preisgünstige Versicherer für das Kfz-Gewerbe sowie dessen Kunden und Mitarbeiter – und auch der Risikoträger des Geschäftes, der den Deckungsschutz bereitstellt. In den Verträgen steht unmissverständlich deshalb "Nürnberger Autoversicherung, Risikoträger Garanta" oben drüber. Die NAU ist der betreuende Vermittler im Autohaus, der sich vor Ort um die Betriebe und die Autohaus-Kunden kümmert.
Produktportfolio über allen Sparten
Ihr Erfolgsmodell in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten war immer auch das Cross-Selling-Geschäft. Kann ich dann als Autohaus-Kunde bei einem Ihrer 400 Mitarbeiter neben einer Kfz- auch z. B. eine Wohngebäude-, Haus- und Grundbesitzer- oder sogar Hundehaftpflicht-Versicherung abschließen?
B. Heusl: Absolut. Das genau ist in der Tat unser zweiter, singulärer Ansatz, bei dem wir uns erneut von anderen Gesellschaften unterscheiden: Bei unserem NAU-Außendienst können Sie bis hin zu einer Lebens-und Krankenversicherung alles abschließen, was Sie – auch in Ihrer jeweiligen Lebensphase ganz spezifisch – benötigen. Gerade durch unsere Experten vor Ort sind wir zudem nicht davon abhängig, dass ein Automobilverkäufer – der sich bereits um einen Kauf-, Finanzierungs- oder Leasingvertrag zu kümmern hat und weitere Umsätze mit Sonderzubehör generieren soll – noch eine zusätzliche Versicherungspolice im Fokus behält. Mit unseren eigenen Möglichkeiten können wir die betreffenden Kunden im Autohaus optimal beraten und die Automobilverkäufer sich auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren.
Wir sorgen ergänzend für die Zufriedenheit und Bindung der Kunden an den Betrieb mit maßgeschneiderten Lösungen. Nicht zu vergessen: Zu unserem Betreuungskonzept gesellen sich zusätzlich noch eine Telefon-Hotline und verschiedene digitale Konzepte mit hinzu.
Maßgeschneiderte gewerbliche Angebote
Lassen Sie uns an dieser Stelle einen Schwenk machen zu den Autohäusern per se: Ihre Versicherungsangebote beschränken sich ja nicht nur auf deren Kunden?
P. Meier: Nein. Wie bereits kurz angesprochen, haben wir auch für die Betriebe, deren Inhaber und natürlich deren Mitarbeiter branchenspezifische Angebote im gewerblichen wie privaten Bereich.
Können Sie ein paar Beispiele nennen?
P. Meier: Für den Betrieb des Autohauses haben wir unsere bekannte Multirisk-Police, die Garanta-Spezial, im Angebot. Darüber hinaus bieten wir zahlreiche weitere Vorsorgesysteme an, die beispielsweise die Kfz-Rente (Betriebsrente), ein betriebliches Krankenversicherungsmanagement mit Gruppentarifen ohne Gesundheitsfragen und die Möglichkeit der Mitversicherung von Angehörigen beinhalten.
NAU & TVD – zwei Töchter wuchten 60 % des Kfz-Geschäfts
Durch die Auslagerung des Vertriebswegs Autohaus in die neue NAU agieren Sie nun im Kfz-Handel de facto mit zwei Tochtergesellschaften, da 1972 mit Gründung der Techno Einkauf GmbH auch die Techno Versicherungsdienst GmbH, kurz TVD, entstand, an der die Nürnberger 80 und die Techno Gesellschafter 20 Prozent der Anteile halten. "Beißt" sich das nicht im Markt?
B. Heusl: Keineswegs, schließlich betreuen wir mit weiteren rund 100 eigenen Mitarbeitern unseres Hauses über den TVD ja exklusiv die mit uns kooperierenden Autohäuser der Techno. Unser Angebots- und Leistungsportfolio ist weitgehend vergleichbar zu dem, was wir auch den Autohäusern, die nicht von Techno-Gesellschaftern geführt werden, über die NAU anbieten.
Jetzt mal Hand aufs Herz, Herr Meier und Herr Heusl: Tradition ist das eine, aber lohnt sich der hohe Aufwand, den Sie mit NAU und TVD betreiben, heute noch wirtschaftlich für Sie?
P. Meier: Wir haben insgesamt fünf verschiedene Vertriebswege, die seit einigen Jahren auch im Kraftfahrtgeschäft wieder stark prosperieren und uns Freude bereiten. Freilich wissen wir, dass sich unsere Wettbewerber heute keinen Außendienst mit insgesamt 500 Mitarbeitern mehr "antun", so wie wir das mit NAU und TVD tun. Aber seien Sie sicher, dass gerade diese beiden Gesellschaften unser Top-Alleinstellungsmerkmal sind, das sich für uns wie unsere Geschäftspartner auch lohnt. Alleine in den zurückliegenden fünf Jahren konnten unsere Mitarbeiter die Produktivität beständig steigern. Betriebswirtschaftlich sind wir da absolut auf dem richtigen Weg. Insgesamt haben wir heute 514.000 Kraftfahrzeuge unter Vertrag mit gut einer Million versicherter Risiken, da wir auch in der Vollkasko einen recht hohen Anteil haben. Rund 60 Prozent des Kraftfahrtgeschäftes kommt dabei direkt aus den Autohäusern, also über den TVD sowie die heutige NAU.
Auch das Cross-Selling prosperiert
Was kommt da noch per Cross-Selling mit hinzu, Herr Heusl?
B. Heusl: Zu jeder Kraftfahrtpolice generieren wir heute bei den Kunden im Autohaus in aller Regel mindestens einen weiteren Versicherungsvertrag. Ich glaube, das macht deutlich, welchen Sinn dieses Geschäft über unsere beiden Gesellschaften tatsächlich macht. Und je enger Sie dadurch eine Bindung zum Kunden schaffen, umso loyaler verhält er sich letztlich auch gegenüber seinem Autohaus.
Hat das zuletzt auch während der Corona-Pandemie funktioniert?
B. Heusl: Ja, 2020 hat das Autohaus-Geschäft sogar um 2,5 Prozent zugelegt – ein Wachstum, das wir bereits im laufenden Jahr vergleichbar beobachten. Wir stimmen uns mit den Kunden vorher ab, ob eine Besprechung unter Einhaltung aller Abstands- und Hygieneregeln bei ihm, im Autohaus, einer unserer bundesweit zwölf Geschäftsstellen oder auf digitalem Weg gewünscht wird. Wichtig ist, dass Sie für den Kunden in dieser Zeit da sind und ihn nicht alleine lassen. Von daher nimmt es nicht Wunder, dass unsere Bestandshaltequote über dem Marktdurchschnitt liegt. Auch das ist eine Winwin-Situation für das Autohaus gleichermaßen.
Schäden bleiben im Partner-Autohaus
Was Sie ja ebenfalls gerne betonen, ist die verlässliche Schadenrückführung ins Autohaus.
B. Heusl: Das ist ein ganz wesentlicher USP, ja. Den mit uns kooperierenden Autohäusern geben wir selbstverständlich die Sicherheit, dass sie auch das Geschäft mit Unfallfahrzeugen direkt bekommen und logischerweise keine Aussteuerung erfolgen kann.
Wie lief eigentlich während der bisherigen Corona-Pandemie die Begutachtung von Unfallschäden?
P. Meier: Das regeln wir – kontaktlos – entweder direkt mit den Autohäusern oder es erfolgt eine Vor-Ort-Besichtigung durch die Sachverständigen-Organisation Carexpert, in die wir, ähnlich wie andere Versicherer auch, vor etlichen Jahren unsere früher angestellten SV mit eingebracht haben.
Die nächsten Innovationen
Zum Abschluss unseres Gespräches wollten Sie uns noch weitere Neuigkeiten aus Ihrem Haus berichten, Herr Meier. Was kommt da in 2021 noch aus Nürnberg?
P. Meier: Zunächst kann ich Ihnen an dieser Stelle sagen, dass wir unser Kraftfahrtgeschäft überarbeiten und neu auf die Bedürfnisse des Marktes ausrichten. So werden wir beispielsweise zur Jahresmitte unsere Schadenfreiheitsklassen bis auf SF 50 ausweiten, da es tatsächlich nicht wenige Fahrzeughalter gibt, die auf bis zu 50 schadenfreie Jahre zurückblicken können. Auch unser bereits bestehendes Angebot für E-Fahrzeuge werden wir weiter mit sinnvollen Leistungserweiterungen ausbauen und uns zudem mit weiteren modernen Antriebssystemen produktseitig beschäftigen. Um noch mehr Schnelligkeit in der Vertrags- und Schadenabwicklung gewährleisten zu können, erneuern wir im Augenblick in allen Sparten zudem unsere komplette Technik und IT. Im Kraftfahrtgeschäft läuft heute bereits alles weitgehend automatisiert, ohne dass ein Sachbearbeiter die Akten noch manuell bearbeiten muss.
Vielen Dank, Herr Meier und Herr Heusl, für dieses informative Gespräch! (kaf)