Mit dem Auto von Deutschland durch die Schweiz nach Italien in zwei bis drei Stunden: Rein theoretisch wäre das zu schaffen. Selbst auf der vergleichsweise langen Strecke zwischen Basel an der deutschen Grenze und dem italienischen Como sind es gerade mal rund 300 Kilometer. Doch wer ernsthaft den Bleifuß einsetzt, kann in einem Schweizer Gefängnis landen – und seinem Auto für immer Ade sagen. Für Straßenrowdys kennen die Eidgenossen keine Gnade mehr.
Das bekommt jetzt wieder ein deutscher Autofahrer zu spüren. Weil er mit 215 Kilometern pro Stunde über die A1 im Kanton Aargau bretterte, wurde dem 59-Jährigen am Sonntag seine PS-starke Karosse weggenommen. Erlaubt ist in der Schweiz maximal Tempo 120. "Sein Fahrzeug wird gemäß Schweizer Verkehrsrecht zugunsten der Staatskasse verkauft", sagte eine Behördensprecherin der Nachrichtenagentur dpa. "Sollte dem Besitzer sehr an dem schon etwas älteren Mercedes liegen, könnte er ihn auch selbst zurückkaufen."
Einen Preisnachlass für Vorbesitzer gibt es aber nicht. Obendrein wird der Mann wohl viel Geld in die Hand nehmen müssen, um die Anwalts- und Gerichtskosten des Prozesses begleichen zu können, der wahrscheinlich noch dieses Jahr beim Bezirksgericht in Baden (Kanton Aargau) über die Bühne geht. Wenn er dabei ganz großes Pech hat, muss er sogar für längeren Zeit in den Knast.
Bis zu vier Jahre Haft
Seitdem die Schweiz zum 1. Januar 2013 ihr Verkehrsrecht "Via Sicura" dramatisch verschärft hat, bleibt den Strafverfolgungsbehörden keine Wahl. "Wir sind per Gesetz gezwungen, eine Haftstrafe zwischen einem und vier Jahren zu verlangen", erklärt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Elisabeth Strebel.
Bisher haben Schweizer Richter in ungefähr vergleichbaren Fällen Gefängnisstrafen zwischen 15 und 24 Monaten verhängt. Darunter auch gegen einige wenige Deutsche, wobei alle diese Strafen zur Bewährung ausgesetzt wurden. Bei der Entscheidung berücksichtigt das Gericht den "automobilistischen Leumund". "Wir erfragen bei deutschen Behörden, ob die betreffende Person bereits ein einschlägiges Vorstrafenregister hat", sagt Strebel. "Wenn ja, wirkt das auch hier strafverschärfend."
Fußballprofi verliert seinen Maserati
Entsprechende Erfahrungen musste im Mai Rául Bobadilla, Fußballprofi beim FC Augsburg, machen. Das Amtsgericht Dorneck-Thierstein verurteilte den Argentinier, weil er trotz eines Tempolimits von 50 Kilometern pro Stunde mit seinem Sportwagen 111 Sachen fuhr, zu 16 Monaten Haft auf Bewährung. Den teuren Maserati des Stürmers zogen die Schweizer ein. Obendrein wurden Bobadilla für das Verfahren sowie ältere Geldbußen insgesamt rund 43.000 Franken (rund 35.000 Euro) in Rechnung gestellt. Bei der Urteilsfindung spielte eine Rolle, dass er zuvor in Deutschland und der Schweiz wegen verschiedener Verkehrsdelikte belangt worden war.
Autobeschlagnahme und Gefängnishaft riskiert in der Schweiz seit Anfang 2013, wer in Tempo-30-Zonen mehr als 70, in Ortschaften mehr als 100, auf Landstraßen mehr als 140 und auf Autobahnen mehr als 200 Stundenkilometer fährt. Ausgedacht hat sich das nicht etwa eine schikanöse Obrigkeit. Vielmehr schloss sich die Regierung einer Volksinitiative unter dem Motto "Schutz vor Rasern" an, als sich dafür eine große Mehrheit abzeichnete.
Verglichen mit "Via Sicura" wirkt Deutschlands Verkehrsstrafenkatalog immer noch recht milde. Und so mancher Schweizer tritt schon mal das Gaspedal durch, sobald seine Grenze im Rückspiegel zu sehen ist. Dass deutsche Autobahnen bei den daheim "ausgebremsten" Eidgenossen beliebt sind, ist kein Geheimnis.
Einkaufen statt rasen
Meist drücken sie jedoch nur auf den Abschnitten ohne Geschwindigkeitsbegrenzung auf die Tube. Jedenfalls werden Eidgenossen laut Behördenangaben im Grenzland Baden-Württemberg auch nicht häufiger geblitzt als Deutsche. Die meisten Schweizer kommen eher wegen der günstigeren Preise zum Einkaufen und Schlemmen nach Deutschland – und nicht wegen der geringeren Raserstrafen. (dpa)
Detlef Rüdel
Michael Kühn
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