Das Schicksal der umstrittenen Pkw-Maut in Deutschland liegt jetzt in Händen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die EU-Kommission kündigte am Donnerstag an, Deutschland wegen Benachteiligung von Ausländern zu verklagen. Damit geht sie den nächsten Schritt, nachdem ein monatelanges rechtliches Verfahren mit der Bundesregierung keine Verständigung brachte.
Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) begrüßte, dass damit bald Klarheit herrschen werde. Er bekräftigte, das Modell sei rechtmäßig. Die Opposition forderte das Aus für die derzeit auf Eis liegenden Maut-Pläne.
Die EU-Kommission erklärte, trotz zahlreicher Kontakte mit den deutschen Behörden seien die grundsätzlichen Bedenken nicht ausgeräumt worden. Brüssel hatte im Juni 2015 ein Verfahren wegen Verletzung von EU-Recht gegen Deutschland eingeleitet. Die Kommission sieht in dem deutschen Modell eine verbotene Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit. Zwar sollen Inländer wie Pkw-Fahrer aus dem Ausland Maut zahlen. Allein Inländer werden aber im Gegenzug bei der Kfz-Steuer entlastet, und zwar genau in Höhe ihrer Mautgebühren.
Dobrindt sagte: "Endlich macht die Kommission den nächsten Schritt im Streit um die Infrastrukturabgabe. Das ist eine gute Nachricht." Die Maut sei europarechtskonform, das werde der Europäische Gerichtshof bestätigen. Er erwarte jetzt ein zügiges Verfahren, damit die Maut danach technisch umgesetzt werden könne.
SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte: «Wenn die EU-Kommission Bedenken hat, die durch die Bundesregierung nicht ausgeräumt werden können, müssen diese geklärt werden.» Für die SPD sei klar, dass es keine zusätzliche Belastungen für deutsche Autofahrer geben dürfe. "Daran wird nicht gerüttelt."
Grünen-Faktionschef Anton Hofreiter sagte: "Diese Klage ist eine Klatsche mit Ansage und hochnotpeinlich für die Bundesregierung." Es sei überfällig, die Maut endlich zurückzuziehen, um noch größeren Schaden zu vermeiden. Der Linke-Verkehrsexperte Herbert Behrens sagte, bis auf einen bayerischen Minister sei allen klar, dass die Maut grob rechtswidrig sei. "Um dem Spuk ein Ende zu setzen, sollte das Mautgesetz sofort aufgehoben werden."
Das Gesetz ist längst beschlossen, wird wegen des EU-Verfahrens aber noch nicht angewendet. Wann eine Umsetzung starten könnte, ist weiterhin offen. Das Modell sieht vor, dass inländische Autobesitzer auf Autobahnen und Bundesstraßen eine "Infrastrukturabgabe" zahlen sollen, Pkw-Fahrer aus dem Ausland auf Autobahnen. Nach Abzug der Systemkosten sollen jährlich 500 Millionen Euro hereinkommen.
Wenn die Maut umgesetzt würde, führte sie de facto dazu, dass nur deutsche Autohalter von der Nutzungsgebühr befreit seien, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission. Sie gab sich zugleich gesprächsbereit. "Wir werden weiter in engem Kontakt mit den deutschen Behörden bleiben, damit eine einvernehmliche Lösung gefunden werden kann." Kritisch sieht Brüssel auch die Preise für die geplante Kurzzeitmaut für zehn Tage und zwei Monate, die ausländische Fahrer kaufen können. Diese Preise seien im Vergleich zur Jahresmaut teils unverhältnismäßig hoch.
Nach europäischem Recht dürfen EU-Staaten Gebühren für Lkw und Pkw einführen. "Eine Straßennutzungsgebühr ist nur dann EU-rechtskonform, wenn sie nicht auf Grund der Staatsangehörigkeit diskriminiert", hatte EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc bereits bei der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens im Jahr 2015 gesagt. (dpa)