Deutschland geht bei den umstrittenen EU-Klimaschutzvorgaben für Autos auf Blockadekurs. Auf deutschen Druck hin verschoben die EU-Botschafter eine für Donnerstag geplante endgültige Festlegung auf härtere Kohlendioxid-Grenzwerte bei Neuwagen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzte sich dabei persönlich für die Interessen der deutschen Oberklasse-Hersteller ein, hieß es übereinstimmend in Brüssel und Berlin.
Eine Abstimmung in Brüssel gab es nicht, Irland als Vorsitz der EU-Staaten vertagte das Thema. Mehrere Botschafter hätten um Verschiebung gebeten. Die EU hatte erst Anfang der Woche einen Kompromiss gefunden. Der Grenzwert für den Treibhausgas-Ausstoß für Neuwagen soll von 2015 bis 2020 von 130 Gramm Kohlendioxid je Kilometer im Schnitt auf 95 Gramm sinken.
In Brüssel war zu hören, Deutschland habe massiven Einfluss auf die anderen EU-Staaten ausgeübt, um einen Verzögerung der Entscheidung zu erreichen. Ein Diplomat sagte, Merkel persönlich habe zum Hörer gegriffen und unter anderem Irlands Premierminister Enda Kenny angerufen. Sein Land hat als EU-Ratspräsidentschaft eine wichtige Rolle bei der Organisation des politischen Kalenders. Möglicherweise werde Deutschland später einen neuen Vorschlag machen.
VDA: "Sorgfalt vor Schnelligkeit"
Die deutschen Autobauer zeigten sich zufrieden über die Verschiebung. "Bei einer so wichtigen industriepolitischen Entscheidung muss Sorgfalt vor Schnelligkeit gehen", teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) in Berlin mit. "Deswegen ist es richtig, dass die irische Ratspräsidentschaft jetzt nichts übers Knie bricht und den EU-Mitgliedsländern ausreichend Zeit zur Prüfung des Kompromissvorschlages einräumt." Die CO2-Regulierung stelle langfristig Weichen für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Autobranche. Gerade in der derzeit unsicheren Wirtschaftslage sei hier Augenmaß gefragt.
Deutschlands Autoindustrie ist mit Mercedes, BMW und der VW-Tochter Audi vor allem in der Oberklasse stark vertreten. Sie tut sich schwerer mit Klimaschutzauflagen als Hersteller, die stärker auf Kleinwagen setzen.
Kritik an Berliner Intervention
Der Vorsitzende des Umweltausschusses im Europaparlament, der SPD-Abgeordnete Matthias Groote, zeigte sich empört über die Berliner Intervention. "Sie haben einen mühsam erarbeiteten Kompromiss kaputt geschlagen. Das ist das Dreisteste, was ich in acht Jahren Brüssel erlebt habe", sagte Groote, der die Verhandlungen um den CO2-Kompromiss für das Parlament geleitet hatte. Ein Diplomat erklärte, damit sei der Abschluss der Verhandlungen ungewiss.
Der EU-Verbraucherverband Beuc drängte auf eine Entscheidung. "Es wäre ein herber Schlag für Verbraucher, falls der Kompromiss noch scheitern sollte", sagte ein Sprecher. "Die Politik kann durch strengere CO2-Grenzwerte den Verbrauchern Spriteinsparungen bescheren. In Zeiten hoher Spritpreise würden Verbraucher die Zeche dafür zahlen, wenn einzelne Mitgliedstaaten jetzt noch versuchen sollten, den Vorschlag zu kippen."
Die Vertreter der EU-Staaten, des Europaparlaments und der EU-Kommission hatten sich am späten Montagabend auf die Fahrtrichtung nach dem Jahr 2020 geeinigt: So soll es auch längerfristig – wie jetzt schon – Obergrenzen für den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) geben. Dank Extra-Anreizen für Elektroautos und andere schadstoffarme Wagen sollen die Autobauer die CO2-Ziele aber leichter erreichen können. (dpa)
Metz
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