Verkehrsexperten aus ganz Deutschland und Europa haben sich beim 60. Verkehrsgerichtstag in Goslar getroffen. In vielen Debatten und Arbeitskreisen wurden Themen behandelt, bei denen es nach der Meinung der Sachkundigen Nachholbedarf gibt. Herausgekommen sind verschiedene Empfehlungen an den Gesetzgeber:
Neuer THC-Grenzwert: Der Grenzwert von Cannabis im Straßenverkehr soll angehoben werden. Dieser liege momentan bei 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum. Nach Angaben des Arbeitskreises, der sich mit dem Thema beschäftigte, sei dieser Wert so niedrig, dass er lediglich einen Cannabiskonsum nachweise. Ob der Konsument oder die Konsumentin dadurch jedoch beim Fahren beeinträchtigt sei, lasse sich wissenschaftlich nicht beweisen. Wie hoch der Wert in Zukunft sein soll, ließ der Arbeitskreis offen. Die Wirkung von Cannabis beim Autofahren sei noch lange nicht so gut untersucht wie die von Alkohol. Prinzipiell sei jedoch der Konsum von beidem von der Teilnahme im Straßenverkehr zu trennen.
Flexibilität bei der Bestrafung von Verstößen: Zur Vermeidung von Fahrverboten sollen Verkehrssünder in Zukunft die Chance bekommen, an alternativen Maßnahmen teilzunehmen. So sollen auch Bußgelder unter anderem durch Fahrsicherheitstrainings, Kursen bei der Verkehrswacht oder Unterricht in Fahrschulen ersetzt werden können. Auch ein Fahrverbot auf Bewährung soll eingeführt werden. Die Höhe von Geldstrafen soll verhältnismäßiger gestaltet werden. Dies würde zu mehr Akzeptanz unter den Verkehrsteilnehmern führen.
Sicherer Radverkehr: Für mehr Sicherheit im Radverkehr sollen die Zweiräder aus ihrer «Sandwich-Position» zwischen Autoverkehr und Fußgängern herauskommen. Dafür müsse mehr Platz für sicher befahrbare Wege geschaffen werden. Ein Mindeststandard bei Neubauten, aber auch bei bestehenden Wegen soll umgesetzt werden. Der zuständige Arbeitskreis sieht zudem einen großen Schulbedarf bei jugendlichen Radfahrern und den Nutzern von Pedelecs. Außerdem sollen künftig die Abmessungen und das Gewicht von Fahrrädern, insbesondere aber auch von Pedelecs, Lastenrädern und Gespannen, begrenzt werden.
Haftung von langsameren Fahrzeugen: In Zukunft sollen die Halter und Fahrer von langsameren Fahrzeugen, die nur zwischen sechs und zwanzig Stundenkilometer fahren können, bei Unfällen auch haftbar gemacht werden können. Dazu zählen neben Baumaschinen auch die immer weiter verbreiteten E-Scooter. Bisher sei dies nur möglich, wenn explizit eine Schuld oder Teilschuld nachgewiesen werden kann. Durch die heutigen Ausmaße und Ausstattungen solcher Fahrzeuge sei die aktuelle Gesetzeslage nicht mehr zeitgemäß, die in Grundsätzen noch aus einer Zeit stamme, in denen Kutschen den Straßenverkehr in Deutschland bestimmten.
Der Gerichtstag war am Mittwoch in Goslar gestartet. In diesem Jahr nehmen knapp 1.300 Teilnehmer aus mehreren europäischen Ländern teil. Eigentlich sollte der Kongress im Januar stattfinden. Wegen der Pandemie wurde er in den August verschoben. Er zählt zu den wichtigsten Treffen von Fachleuten für Verkehrssicherheit und Verkehrsrecht in Deutschland.