Der Bundesverband freier Kfz-Händler (BVfK) lässt kein gutes Haar an den jüngsten Aussagen des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Manipulationssoftware in Dieselautos. Die BGH-Erklärung, dass ein gebrauchtes altes Modell auf Kosten der Händler gegen ein neues, aktuelles, in der Regel verbessertes und wertvolleres getauscht werden könne, sei nicht nachvollziehbar, teilte die Interessensvertretung am Freitag in Bonn mit. "Das wirft die Frage auf, ob die obersten Richter auch bedacht haben, dass die Autohändler in dieser Konstellation unverschuldet haften und sie bei jedem solchen Gewährleistungsfall mit Schäden in fünfstelliger Höhe zu rechnen hätten."Der BGH nehme den "Handel in Geiselhaft", da er machtlos gegen die Hersteller sei.
Nach Einschätzung der BVfK-Juristen dürften sich die realen Risiken für die Autohändler allerdings in Grenzen halten. Sie verwiesen darauf, dass die Betriebe den kostenlosen Tausch "alt gegen neu" mit dem berechtigten Einwand der Unverhältnismäßigkeit wohl regelmäßig ablehnen würden. Konkret betreffe der dem BGH vorgelegte Fall nur einen geringen Teil der rechtlichen Auseinandersetzungen, weil es bei den meisten Streitigkeiten nicht um Ersatzlieferung, sondern um Rückabwicklung oder Schadensersatz gehe.
Laut dem Verband werden die meisten dieser oder ähnlicher Ansprüche, gerade wenn sie erst jetzt geltend gemacht werden oder in jüngerer Zeit geltend gemacht wurden, bereits an der Verjährung scheitern. Dieser Aspekt würde lediglich dann anders zu bewerten sein, wenn arglistige Täuschung mit im Spiel wäre. Ein Vorwurf, der wohl eher gegen den jeweiligen Hersteller und nicht gegen den verkaufenden Händler erhoben werden müsste, hieß es.
Feststellungen zur Ersatzlieferung
Während der BGH-Leitsatz zur Mangelhaftigkeit eines Pkw in Folge des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung nichts Neues offenbart, nannte der BVfK die Äußerungen zur Frage der Ersatzlieferung "spektakulär und überraschend". Bisher konnte man davon ausgehen, dass dies nur möglich ist, wenn das mangelhafte Fahrzeug auch gegen ein identisches Alternativfahrzeug getauscht werden kann. Hiervon weiche das Gericht nun mit möglicherweise weitreichenden Folgen nicht nur für den Kauf von Neuwagen, sondern auch für den von Gebrauchtwagen ab.
Kritik äußerte der Verband auch an der höchstrichterlichen Argumentation, wonach eine Sache auch dann mangelhaft sein solle, wenn lediglich eine eventuelle Gefahr bestehe, vorliegend die "Gefahr einer Betriebsuntersagung". Eine solche Situation sei allerdings bei manipulierten Dieseln eher unwahrscheinlich. Zunächst müsse dem gewerblichen Verkäufer einer mangelhaften Ware die Möglichkeit der Nachbesserung gegeben werden. Zu einem Entzug der Betriebserlaubnis würde es letztendlich nur dann kommen, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung verweigern oder diese scheitern würde. Gleiches gelte, wenn die Betriebserlaubnis entzogen wird, da der Käufer die Mangelbeseitigung verweigert habe. "In diesem Fall wären die Folgen sicherlich auch nicht dem Verkäufer anzulasten", betonte der BVfK.
Der BGH hatte sich vor einer Woche erstmals mit einer rechtlichen Einschätzung im Abgas-Skandal zu Wort gemeldet (wir berichteten). Mittlerweile haben die obersten Zivilrichter ihren Beschluss in voller Länge veröffentlicht. Auf 20 Seiten legen sie dar, warum sie die illegale Abgastechnik betroffener Dieselautos als Sachmangel einstufen. Sie führen auch näher aus, weshalb Neuwagenkäufer trotz Modellwechsel einen Anspruch darauf haben könnten, dass ihnen ihr Händler ersatzweise ein mangelfreies Auto gibt (Az. VIII ZR 225/17). (rp)
Hans Kiefer
Herbie
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