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Würdigung: Hans-Erdmann Schönbeck - zum 100. Jubeltag

09.09.2022 10:30 Uhr | Lesezeit: 5 min
Würdigung: Hans-Erdmann Schönbeck - zum 100. Jubeltag
Er hat ein ganzes Jahrhundert gesehen: Hans-Erdmann Schönbeck (Archivbild)
© Foto: Prof. Hannes Brachat

Stalingrad-Überlebender, Widerstandskämpfer, Automobilverkäufer, Top-Manager, VDA-Präsident - die Lebenstationen von Hans-Erdmann Schönbeck sind gewaltig. AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat gratuliert dem Zeitzeugen zum 100. Geburtstag.

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Um die markanten automobilen Eckdaten des Jubilars vorab zu benennen: Hans-Erdmann Schönbeck war von 1974 bis 1984 BMW-Vertriebsvorstand und danach bis 1988 für zwei Perioden VDA-Präsident. Er setzte auf seinem Lebensweg aber noch ganz andere Zeichen. Schönbeck gehört zu den letzten Zeitzeugen derer, die die Vernichtung der 6. Armee im Winter 1942/43 in Stalingrad erlebt und überlebt haben. Bitte, als 20-Jähriger! Der Panzeroffizier, abgemagert auf 45 Kilogramm und erblindet, wurde mit der letzten Maschine aus Stalingrad ausgeflogen. Danach begann seine Zeit im Umfeld der Widerstandskämpfer.

Der automobile Lauf der Dinge

Eigentlich wollte er auf dem elterlichen Gutshof in Breslau Landwirt werden. Doch er "landete" in München-Gräfelfing. Katharina Haberl hatte ihn bei der MAHAG eingestellt. Erst in der Werkstatt, aber nach kurzer Zeit wechselte Schönbeck gleich in den Verkauf. Dort fiel er Mitte der Fünfzigerjahre mit einem Großabnehmerauftrag über 500 Einheiten in Wolfsburg auf. Das entsprach damals einer Tagesproduktion. In der MAHAG traf er auf Fritz Haberl, der aus Amerika ins elterliche Unternehmen zurückgekehrt war, und sie einigten sich einvernehmlich ab 1957 getrennte Wege zu gehen, sie blieben ein Leben lang Freunde. An Haberls Trauerfeier 2012 nahm auch Schönbeck teil.

Nach seiner MAHAG-Zeit wurde Schönbeck bei Auto Union und NSU Vertriebsvorstand. Danach folgten die angesprochenen Stationen bei BMW, als Präsident des VDA sowie des Verbandes der Europäischen Automobilindustrie. Zu seinem 90. Geburtstag durfte ich mit ihm im "Augustinum" in München, wo er heute noch im elften Stockwerk zu Hause ist, ein Interview führen. Sie können es über diesen Link nachlesen. (AUTOHAUS 17/2012)

Schönbeck: "Ich hätte mir gewünscht, mir weniger Sorgen im Leben zu machen."
© Foto: Prof. Hannes Brachat

Die besondere Buch-Biografie

Tim Bröse schrieb rechtzeitig mit dem Jubilar zu dessen 100. Geburtstag eine Buchausgabe, die beim "Spiegel" auf der Bestseller-Liste steht. Buchtitel: "und nie kann ich vergessen". In 19 Begegnungen mit Schönbeck schaffte Pröse eine Darstellung einmaliger Art. Die letzten 30 Jahre seines Lebens beobachtete der ehemalige Top-Manager vorwiegend das deutsche gesellschaftliche Leben aus seiner einschlägigen Lebenserfahrung. Nicht nur die besonderen schicksalhaften Stationen um Stalingrad, dann sein automobilspezifischer Weg - Pröse lässt in seiner schriftstellerischen Biografie über Schönbeck dessen gesamte Persönlichkeit, dessen Blicke in die Gesellschaft, in die Politik, auch in dessen persönliche Sphäre in großer Offenheit aufleben.

Der Autor Pröse selbst schreibt über Schönbeck: "Es berührt und erhebt, diesen Mann dabei zuzusehen, wie viel Dank und Demut in seinem Gesicht steht, wenn er sich all die Jahre danach erinnert. Er versinkt Überstunden in der Erinnerung und kippt da mit einem Lächeln zurück ins Hier und Jetzt. Weil Lachen einer der schönsten Beweise ist, dass man am Leben ist. Und weil er zu leben versteht. Schönbeck hat das, was die Franzosen 'Savoir vivre' nennen. Und er strahlt es aus mit seinem Wesen, seinen Gesten und seiner Art zu sprechen."

Biografien, so wie vom Bestsellerautor Tim Pröse dargestellt, haben eine ganz besondere Faszination. Nachdem ich Hans-Erdmann Schönbeck mehrfach persönlich auf seinem Weg erleben durfte, lässt die vorliegende Ausgabe das gesamte Lebensspektrum von Schönbeck aufleben. Hier einige Buch-Kapitel: Stalingrad, Auge in Auge mit Hitler, Staufenbergs Aura; Rau, Schmidt, Strauß, Genscher; Wo ist Gott?!; Der Wiederaufbau; Was ich liebte?; Hans im Glück; Ich bin bereit!

Persönliche Anmerkungen des Jubilars

Schönbeck lässt da in den einzelnen Kapiteln viel Persönliches einfließen. Gelebte Lebenserfahrung! Beispiele: Seine Liebe zu den Mozart- und Chopin-Klaviersonaten. Seine große Liebe zum Tanzen: "Ich habe je nach Veranstaltung immer meine Tanzschuhe mitgenommen. Ja, das Tanzen fehlt mir heute." Seine kulturelle Ader galt auch dem Theater und der Kunst.

In Pröses Darstellung geht es auch um den Lebensalltag. Seine Frage an den Jubilar: "Wie wird man zufrieden im Leben?" Schönbeck: "In dem man ein sehr positives Leben führt und immer wieder versucht, aus dem nicht so gut, das einem im Leben begegnet, doch noch etwas Gutes zu gestalten. Man braucht dazu sehr viel Disziplin. Auch sich selbst gegenüber."

In dem Zeitzeugenbericht "... und nie kann ich vergessen" schildert Schönbeck seine Erinnerungen.
© Foto: Heyne

Schönbeck weiter ganz offen: "Ich hätte mir gewünscht, mir weniger Sorgen im Leben zu machen. Da war ich nicht stark. Bis heute nicht. Und das hat in den vergangenen Jahren noch einmal stark zugenommen. Ich kann Sorgen nur schwer verdauen oder wegstecken. Wir leben gerade in einer Welt von Sorgen."

Was im Leben noch wichtig ist, das ist die Liebe. Seine beiden Ehen sind gescheitert. Die eine nach 18 Jahren, die andere nach 23 Jahren. Schönbeck: "Mit 62 Jahren hörte ich bei BMW auf. Als ich Ende 60 meine Aufsichtsratsmandate aufgegeben habe, verließ mich meine zweite Frau. Sie sagte wir trennen uns. Dennoch, der Zusammenhalt der Schönbecks ist groß. Bis heute. Umso mehr nahmen mich die Trennungen von meinen beiden Ehefrauen mit. Trotz allem, ich bin auf beide besonders stolz." Schönbeck schildert auch in seiner vornehmen Art die Entwicklungen seiner drei Kinder. Die Lektüre dieser Biografie wird jeden Leser "fesseln", innerlich berühren, weil auch er viel Tröstliches mitteilt.

Referenz dem Autohandel

Der Autohandel sollte ihm zu seinem Ehrentag besondere Referenz erweisen. Schönbeck war einst selber als Automobilverkäufer im Handel tätig. Er steht bis heute - selbst bei BMW - immer zu seiner Auffassung: "Ich bin Angestellter. Ja, ein hoher Angestellter. Sie, werter Autohändler, sie sind, auch wenn ihr Autohaus noch so klein ist, sie sind ein Unternehmer. Sie haben eine viel größere Verantwortung als ich. Sie sind Risikoträger." Er zeigte und lebte die Wertschätzung bei so vielen persönlichen Begegnungen wie bei einschlägigen Händlertagungen. Auch als die BMW-Händler 1986 bei der ersten Langversion der 7er-Reihe mit Smoking in der Münchener Oper anzutreten hatten.

Gratulieren wir diesem großartigen Zeitzeugen. Er schenkt uns zu seinem 100. Geburtstag ein so großartiges Dokument, eben auch sehr historisches Dokument. Und das wird von bleibender Wirkung sein!

Für AUTOHAUS gratuliert in besonderer Verbundenheit

Prof. Hannes Brachat (Herausgeber)

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KOMMENTARE


Christoph Wolf

24.10.2022 - 21:36 Uhr

Dem Bericht ist zuzufügen, dass Herr Schoenbeck am 18.Oktober 2022 verstorben ist. Die Beisetzung findet am 27.Oktober 2022 auf dem Waldfriedhof in München statt.


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