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VW im Abgas-Skandal: Kampf um die Zukunft

26.11.2018 19:30 Uhr
Die juristischen Folgen des Abgasskandals halten den VW-Konzern in Atem.
© Foto: picture alliance / Julian Stratenschulte/dpa

Mit Macht in die automobile Moderne, alles auf Strom: Volkswagen geht nach "Dieselgate" in die Offensive. Doch die Zukunft wird überschattet von der Vergangenheit: Die juristischen Folgen des Abgasskandals halten den Konzern in Atem.

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Von Thomas Strünkelnberg/dpa

Milliardeninvestitionen in die automobile Zukunft, die E-Auto-Offensive kurz vor dem Start und große Pläne für vollvernetzte Autos: mit aller Macht versucht Volkswagen nach vorne zu blicken. Gleichzeitig peilt der Autogigant erneut Rekordzahlen bei den Auslieferungen an - trotz herber Rückschläge im September und Oktober wegen Schwierigkeiten mit dem neuen Abgas-Prüfstandard WLTP.

All dies lässt beinahe vergessen, dass der Abgasskandal mit Millionen manipulierter Dieselmotoren VW noch lange beschäftigen wird. Denn die Liste der juristischen Fronten, an der VW kämpfen muss, ist lang.

Anlegerkagen:

Gut 27 Milliarden Euro hat der Abgas-Skandal Volkswagen schon gekostet. Aber auch VW-Investoren hat die Affäre um viel Geld gebracht. Denn nach Aufdeckung des Abgasbetrugs durch US-Behörden im September 2015 brach der Kurs der VW-Aktie ein - zeitweise verloren die Vorzugspapiere fast die Hälfte ihres Wertes. Anleger erlitten hohe Verluste, Investoren verlangen Schadenersatz.

Der Vorwurf: VW habe die Märkte zu spät über das Dieseldrama informiert. Das Musterverfahren am Oberlandesgericht Braunschweig geht an diesem Montag nach zweimonatiger Unterbrechung weiter.

Musterbeklagte sind Volkswagen und der VW-Hauptaktionär Porsche SE, Musterklägerin ist die Fondsgesellschaft Deka Investment. Insgesamt machen die Kläger rund neun Milliarden Euro Schadenersatz geltend. Wie ist das möglich? Laut Gesetz müssen Nachrichten, die den Firmenwert beeinflussen können, umgehend ("ad hoc") veröffentlicht werden. Dies habe Volkswagen versäumt, lautet der Vorwurf der Klägerseite. Aus VW-Sicht gab es keine konkreten Anhaltspunkte für eine Kursrelevanz, bis die US-Umweltbehörde EPA am 18. September 2015 mit ihren Anschuldigungen an die Öffentlichkeit ging. Der Konzern übermittelte der Finanzwelt am 22. September 2015 die entsprechende Nachricht.

Allerdings hatte Richter Christian Jäde im Braunschweiger Musterverfahren als vorläufige Einschätzung erklärt, dass der Autoriese den Kapitalmarkt zu spät informiert haben könnte. Er bezog sich dabei auf das VW-Eingeständnis gegenüber US-Behörden vom 19. August 2015, Dieselmotoren manipuliert zu haben - dies könnte eine kursrelevante Information gewesen sein.

Strafrecht:

Es laufen Ermittlungsverfahren gegen VW-Mitarbeiter, darunter frühere oder aktuelle Manager. Ermittelt wird gegen 52 Beschuldigte - gegen 42 wegen Verdachts der Software-Manipulation rund um den Stickstoffdioxidausstoß, gegen 6 im Zusammenhang mit falschen CO2- und Verbrauchsangaben. In drei Fällen geht es um Marktmanipulation, hinzu kommen Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter, der zum Löschen von Daten aufgerufen haben soll.

Bis jedoch eine Entscheidung über eine mögliche Anklage fällt, dürfte es gerade im Fall der Marktmanipulation dauern. In dem Zusammenhang sei die Einlassungsfrist auf Antrag der Anwälte von Mitte November auf Ende März 2019 verlängert worden, sagt der Braunschweiger Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe. "Die Baustelle liegt nicht in der Winterruhe brach, aber die Fertigstellung wird noch etwas länger dauern."

Die Anklagebehörde ermittelt unter anderem gegen Ex-VW-Konzernchef Martin Winterkorn sowie gegen den amtierenden Vorstandschef Herbert Diess und den Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch wegen möglicher Marktmanipulation. Bei Winterkorn geht es zusätzlich um möglichen Betrug.

Zivilklagen:

Was wäre, wenn Volkswagen seine Kunden in Europa wie in den USA nach der Abgas-Affäre hätte entschädigen müssen? Eine Reihe von Diesel-Besitzern in Deutschland will es wissen: Laut Volkswagen sind gut 28.000 Verfahren von Diesel-Besitzern gegen Händler oder Hersteller anhängig. Rund 9.000 Urteile seien ergangen, Klagen von Volkswagen-Kunden blieben "überwiegend erfolglos". Auf der Ebene der Oberlandesgerichte gebe es bisher 13 Urteile, alle im Sinne des Unternehmens beziehungsweise seiner Händler.

Die US-Kanzlei Hausfeld, die VW-Kunden in dem Skandal vertritt, forderte den Autobauer auf, in Deutschland zugelassene Diesel mit Betrugssoftware zurückzunehmen. Im März urteilte das Landgericht Hamburg, ein VW-Händler müsse ein Fahrzeug mit Schummelsoftware zurücknehmen und dem Kunden einen einwandfreien Neuwagen geben. Das Oberlandesgericht Hamburg dagegen sah dies Mitte November etwas anders - der Senat werde die Klage abweisen.

In einem anderen Fall entschied das Landgericht Augsburg, dass VW dem Besitzer eines Diesel-Autos den vollen Kaufpreis zuzüglich Zinsen zurückerstatten muss. Volkswagen bezeichnete das Urteil als "rechtsfehlerhaft". In einem Statement hieß es: "Wir werden dagegen Berufung einlegen und gehen davon aus, dass das vorliegende Urteil in der Berufungsinstanz korrigiert werden wird." Laut VW gibt es keine Rechtsgrundlage für Kundenklagen. Die Kunden hätten weder Verluste noch Schäden erlitten, die Autos seien sicher und fahrbereit.

Musterfeststellungsklage:

Seit November tun sich mit Hilfe der Musterfeststellungsklage für Klagewillige neue Möglichkeiten auf. Verbraucherschützer können seitdem stellvertretend für viele Betroffene gegen Unternehmen klagen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband will mit Hilfe des neuen Instruments VW das Fürchten lehren. Die Verbraucherschützer wollen, dass Dieselfahrer für den Wertverlust ihrer Fahrzeuge entschädigt werden. Maximalziel ist, dass sie den Kaufpreis erstattet bekommen. VW sieht dafür wenig Chancen - wer sich der Musterfeststellungsklage anschließe, müsse sich außerdem auf ein jahrelanges Verfahren einstellen, warnt der Autobauer.

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