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VW-Betriebsrat: Überzogene CO2-Grenzwerte gefährden viele Jobs

23.11.2018 12:11 Uhr
Bernd Osterloh
VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh sieht durch überzogene CO2-Grenzwerte Zehntausende Jobs gefährdet.
© Foto: VW

Was bedeuten strengere Klimaschutzvorgaben für die Autoindustrie - und ihre Beschäftigten? Schon die künftigen E-Autos dürften Arbeitsplätze kosten, weil sie schneller zu montieren sind. VW-Betriebsratschef Osterloh hat eine klare Meinung dazu.

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Im Streit um schärfere Klimaschutzvorgaben für die Autobranche hat VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh eindringlich vor überzogenen Zielen gewarnt. Ohne realistische Ziele könne es keinen sozialverträglichen Übergang in die Elektromobilität geben, betonte er am Freitag. "Dann sind allein bei Volkswagen Zehntausende Arbeitsplätze nicht zu halten." Osterloh warf der Politik einen "teilweise aberwitzigen Bieterwettstreit um die weitere Absenkung der CO2-Grenzwerte" vor. Zuvor hatte Konzernchef Herbert Diess vor zu schnellem Wandel gewarnt – binnen zehn Jahren müsse sonst ein Viertel der Jobs bei VW entfallen.

Nach langen Verhandlungen hatten sich die EU-Staaten im Oktober darauf verständigt, dass Neuwagen im Jahr 2030 im Schnitt 35 Prozent weniger CO2 ausstoßen sollen als 2020. Deutschland trug dies mit, obwohl es über die Ziele der Bundesregierung hinausging. Diese wollte nur 30 Prozent Minderung, dies hatte die EU-Kommission auch vorgeschlagen – ein Wert, den die deutsche Autoindustrie als machbar ansah. Andere Länder sprachen sich für einen Rückgang um 40 Prozent und mehr aus. Bis 2025 sollen mindestens 15 Prozent erreicht sein. EU-Staaten, EU-Kommission und Europaparlament ringen nun um eine gemeinsame Position.

Die Arbeitnehmervertreter bei Volkswagen machten sich weiterhin für eine maximale Absenkung der CO2-Grenzwerte um 30 Prozent bis 2030 stark, betonte Osterloh. "Schon dieses Ziel verlangt den Kolleginnen und Kollegen in unserer Technischen Entwicklung alles ab und auch schon dieses Ziel wird Arbeitsplätze kosten – der Abbau bliebe aber noch beherrschbar", sagte er. Mit Blick auf "Dieselgate" mahnte er, die Politik dürfe nicht die Belegschaften für Fehler im Management bestrafen.

Produktionsaufwand reduziert sich

Den Angaben zufolge sind die CO2-Vorgaben nur mit einem Zuwachs bei E-Autos zu erreichen. Damit reduziere sich allerdings der Aufwand in der Produktion, weil E-Autos weniger komplex seien – es verschwinde ein Teil der Arbeit. Zudem entfielen nach und nach die klassischen Verbrennungsmotoren und Getriebe, die in den VW-Komponentenwerken gefertigt würden. Kürzlich hatte Volkswagen bekanntgegeben, dass neben Zwickau künftig auch in Hannover und Emden Elektroautos gebaut werden sollen. Vereinbart wurde eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2028, gleichzeitig soll dort aber die Beschäftigtenzahl über Altersteilzeitregelungen sinken.

Osterloh machte auch erneut klar, dass aus seiner Sicht der moderne Diesel Teil der Lösung und bei der CO2-Bilanz im Vergleich mit E-Autos über Jahre wettbewerbsfähig sei. "Und mit ihnen müssen wir übrigens das nötige Geld für den Wandel erst noch verdienen." Der CDU-Europaparlamentarier Jens Gieseke kritisierte in Wolfsburg, eine zu starke Verschärfung der Grenzwerte sei "nichts anderes als eine völlig unrealistische Zwangsquote für Elektrofahrzeuge durch die Hintertür". (dpa)

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KOMMENTARE


M Lohr

05.12.2018 - 14:25 Uhr

wieder mal schlägt ein Vertreter der Autobranche, diesmal VW-Betriebsratschef Osterloh, davor, dass strengere Abgasgrenzwerte, in diesem Fall zu CO2-Emissionen, zu massiven Jobverlusten führen werden. Die genannten Zahlen sind erstens ungenau („Zehntausende“) und zweitens reine Spekulation. Die Hauptbegründung Osterlohs ist, dass die neuen Grenzwerte zu mehr Elektroautos führen werden und jene durch ihre geringere Komplexität weniger Arbeitsplätze brauchen. Dies mag stimmen, wenn man die wichtigsten Komponenten wie Akkus, Motoren und Steuerelemente zukauft, was leider bisher die meisten deutschen Hersteller bei ihren wenigen bereits verfügbaren Elektroautos tun.Selbst wenn einige tausend Jobs bei dieser Umstellung verloren gehen sollten, ist dies mit folgenden Argumenten relativierbar: Erstens sind in der deutschen Solarindustrie, die vor rund zehn Jahren Weltmarktführer war, rund 100.000 und damit noch weit mehr Jobs verloren gegangen. Hauptgründe waren die sehr sprunghafte, oft verfehlte Politik der Förderung erneuerbarer Energien und der mangelnde Schutz der europäischen Solarindustrie vor massiv subventionierter chinesischer Konkurrenz. Die EU führte zwar, nachdem bereits zehntausende Jobs verloren gegangen waren, Schutzmechanismen gegen die Billig-Importe ein, doch diese wurden nur sehr halbherzig angewandt und blieben daher weitgehend wirkungslos. Der große Aufschrei blieb aus, als der Verlust von 40.000 deutschen Jobs in der Photovoltaikbranche für das Jahr 2012 gemeldet wurde – die Solarlobby ist offensichtlich deutlich kleiner. Dabei ging es hier nicht nur um Jobs, sondern auch um Klimaschutz. Dagegen, und damit komme ich zum zweiten Argument, trägt die Autoindustrie zum Gegenteil, nämlich zur Verstärkung des Klimawandels bei. Die von der EU angepeilten verschärften Grenzwerte sind eigentlich noch viel zu wenig ambitioniert, um das Ziel zu erreichen, die Klimaerwärmung bis zum Jahr 2100 unter 2° zu halten. Aber es ist klar, dass sie mit den viel zu schweren, übermotorisierten und hoch bauenden SUV, die die deutschen Hersteller massiv bewerben, nicht einzuhalten sind. Der Klimawandel ist vielleicht die größte Herausforderung der Menschheit. Wenn er nicht deutlich gebremst wird, kostet er uns nicht nur sehr viel Geld, sondern er bringt auch Ernteausfälle, Unwetterschäden, Hitzewellen, Schädlingsplagen, neue Krankheiten, riesige Flüchtlingsströme und er wird auch immer mehr Menschenleben kosten. Im Vergleich dazu wirkt das Problem der befürchteten Jobverluste unbedeutend.Vor den Folgen des Klimawandels haben gerade in diesen Tagen der Klimaforscher Mojib Latif, die UN-Organisation der Meteorologen und die Kattowitzer Klimakonferenz gewarnt. Die Bundeskanzlerin hat dagegen in den letzten Jahren mehr als einmal in Brüssel interveniert, um die deutsche Industrie vor nach deren Meinung zu strengen Grenzwerten zu schützen. Der „Erfolg“ ist sichtbar: Die CO2-Emissionen nehmen weiter zu, das Erreichen der selbst gesteckten Ziele Deutschlands (und der Welt) für 2020 und auch für 2030 wird immer unwahrscheinlicher. Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel voll zu spüren bekommt, und die letzte, die ihn noch halbwegs aufhalten kann!


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