Nach dem Marktstart der ersten Elektroautos rechnen Experten schon bald mit einer boomenden Nachfrage in Deutschland. Statt des von der Bundesregierung ausgegebenen Ziels von mindestens einer Million Elektrofahrzeugen bis 2020 dürften es eher 4,5 Millionen werden, sagte der Geschäftsführer des Bundesverband eMobilität, Frank Müller, der Nachrichtenagentur dpa. "Wenn die Fahrzeuge erstmal auf der Straße sind, wird es eine Art Dominoeffekt geben." Anfangs dürfte das Elektroauto dabei vor allem als Zweitwagen für die Stadt gefragt sein.
Vom 19. bis 21. Oktober steht die Elektromobilität in München im Mittelpunkt der Messe eCarTec. Für die Fahrzeuge sprächen die vergleichsweise günstigen Mobilitätskosten, sagte Müller. "Wir haben bei einem Elektroauto im Schnitt eine Kostengrößenordnung von 2,50 bis drei Euro auf 100 Kilometer. Da wird niemals ein Benzinauto hinkommen." Im Gegenteil: Der Unterschied dürfte noch größer werden, weil der Benzinpreis weiter steigen werde. Bei einem günstigen Diesel lägen diese Kosten bei sechs bis zehn Euro, beim Benziner noch deutlich darüber.
Hinzu komme, dass Strecken von weniger als 50 Kilometern Länge einen Großteil der Autofahrten in Deutschland ausmachten. "Im Winter haben Benzin- und Dieselfahrzeuge, da sie auf dieser kurzen Strecke nie richtig warm werden, noch einen deutlich höheren Verbrauch als das, was immer in der Presse kommuniziert wird." Bei Elektroautos gebe es dagegen deutlich weniger Schwankungen, auch wenn der Verbrauch durch das Einschalten der Heizung bei Kälte etwas steige.
"Ungeschriebenes Gesetz": Ökostrom nutzen
Die Marktentwicklung muss nach Überzeugung von Müller Hand in Hand gehen mit der Verbreitung erneuerbarer Energien. "Jeder Elektroautobesitzer sollte nach unserer Meinung wirklich zwingend Ökostrom nutzen beziehungsweise seinen eigenen Strom von seiner Photovoltaikanlage", forderte Müller. Die ersten Nutzer befolgten dieses "ungeschriebene Gesetz" auch bereits. Entscheidender Vorteil der Fahrzeuge sei aber vor allem, dass sie nahezu emissionsfrei seien. Anhand des gängigen Strommixes lasse sich zwar ein CO2-Ausstoß von etwa 70 Gramm pro Kilometer für Elektroautos errechnen. «Aber das wichtigste ist doch, dass der urbane Bereich, wo die Menschen leben, ohne Ausstoß von Schadstoffen von den Fahrzeugen ist.»
Um breitere Erfahrungen mit Elektroautos und der dafür nötigen Infrastruktur zu sammeln, mahnte Müller auch für Deutschland eine Förderung an. In Ländern wie Italien, Frankreich, Holland und Dänemark werde der Marktstart unterstützt, sie dürften einen großen Vorsprung bekommen, wenn Deutschland nicht nachziehe. Deshalb sollte die Politik über eine Förderung für etwa 100.000 Fahrzeuge nachdenken, "um hier auf dem gleichen Level wie unsere europäischen Nachbarländer zu liegen".
Aber auch die Autohersteller müssten die Entwicklung mit deutlich größeren Stückzahlen vorantreiben. Sie hätten schon deutlich früher Testmodelle in größerer Zahl in die Spur schicken müssen, sagte Müller. "Hier muss die Industrie stark nachholen, um wirklich auf ein internationales Level zu kommen wie die Japaner, wie die Franzosen, die ab 2011 größere Stückzahlen von Elektroautos produzieren." Müller sieht darin auch einen Grund für die Zurückhaltung der Bundesregierung beim Thema Förderung: Sie habe vermutlich nicht wieder wie im Falle der Abwrackprämie vor allem Fahrzeuge aus dem Ausland mit Steuergeldern unterstützen wollen.