Der von der US-Justiz zur Aufarbeitung des Abgasskandals eingesetzte Aufpasser Larry Thompson hat Volkswagen laut "Spiegel" vor weiteren Rechtsverstößen gewarnt. "Einer Sache bin ich mir sicher: Einen zweiten Dieselskandal würde Volkswagen nicht überleben", sagte Thompson dem Nachrichtenmagazin. Der Autogigant müsse so umgebaut werden, dass kein zweiter Skandal geschehen könne:
"Der Konzern bewegt sich, aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, wie viel harte Arbeit noch vor uns liegt." Er müsse beurteilen, ob Programme wie eine Hotline für anonyme Hinweisgeber funktionierten - "und nicht abrupt enden, sobald ich wieder nach Atlanta abreise".
Ende August 2018 hatte Thompson seinen ersten Zwischenbericht vorgestellt. Dort wurden auch zwei Verstöße gegen die Auflagen festgestellt. Volkswagen-Rechtsvorstand Hiltrud Werner erklärte damals, es gebe große Fortschritte - aber auch immer noch Schwächen.
Thompson forderte Volkswagen auf, sämtliche Informationen zeitnah zur Verfügung zu stellen. Vereinzelt sei er mit der Zurückhaltung bei der Übermittlung bestimmter Informationen nicht einverstanden.
VW drei Jahre lang auf die Finger schauen
Aufgabe des früheren US-Staatssekretärs Thompson und seines rund 60-köpfigen Teams ist es, Volkswagen drei Jahre lang auf die Finger zu schauen, damit sich kriminelles Verhalten wie im Abgasskandal nicht wiederholt. Im Detail: Der Kontrolleur überwacht, ob der Autobauer den mit den US-Behörden geschlossenen Milliardenvergleich einhält. Volkswagen hatte im September 2015 zugegeben, in den USA die Abgasreinigung von Autos mit Dieselmotor manipuliert und so Kunden und Behörden betrogen zu haben.
Prüfen muss Thompson laut "Spiegel", ob VW allen Hinweisen auf Verstöße nachgehe und sie in angemessener Zeit bearbeite. Nach Angaben von Hiltrud Werner stieg die Zahl der der Hinweise über die Hotline in den vergangenen zwölf Monaten auf über 1.100 - nach früher 80 bis 90 pro Jahr. Darunter seien drei Dutzend ernsthafte Rechtsverletzungen gewesen, diese würden formal untersucht. Mit Blick auf den Dieselskandal sagte sie aber auch: "Drei Jahre später sind wir in einem weitaus besseren Zustand als damals." Der Konzern sei dezentraler aufgestellt und setze voll auf E-Mobilität.
VW-Konzernchef Herbert Diess hatte Mitte vergangenen Jahres mit Blick auf die Dieselaffäre festgestellt, dass im Konzern "ethische Maßstäbe verrückt" worden oder aus dem Blick geraten seien. Er forderte vor Führungskräften ein fest verankertes Bewusstsein für Richtig und Falsch und eine Kultur des konstruktiven Widerspruchs. Zudem sprach er sich für Strukturen aus, die "einwandfreies, regelkonformes Verhalten sicherstellen". Nur so könne VW Vertrauen zurückgewinnen.
"Einige professionelle Differenzen"
Thompson sagte dem Nachrichtenmagazin, zeitweise habe es Unstimmigkeiten zwischen ihm und VW gegeben: "Wir hatten zu Beginn einige professionelle Differenzen in der Frage, welche Dokumente ich einsehen darf und welche nicht." Das Unternehmen habe aber Prozesse gestartet, um sicherzustellen, dass so etwas wie "Dieselgate" nicht noch einmal passiere. Er betonte: "Für alle Unternehmen gilt: Sie müssen Gesetzesbrecher für ihr Fehlverhalten zur Verantwortung ziehen."
Dass Diess Manager des Konzerns mit dem Satz "Ebit macht frei" auf straffe Gewinnziele eingeschworen und sich damit Ärger eingehandelt hat, bezeichnete Werner als "falsche Wortwahl". Diess hatte den Ausspruch im Zusammenhang mit der operativen Rendite verschiedener Konzernmarken verwendet - die Wortwahl erinnert an den Schriftzug "Arbeit macht frei", den die Nationalsozialisten an den Toren mehrerer Konzentrationslager angebracht hatten. Diess entschuldigte sich für den Satz. Werner fand die Aussage aus einem weiteren Grund unglücklich: "Darin schwang ein Lob mit für die Marken im Konzern, die ihre eigenen Gewinne höher bewerten als das Wohl der Gruppe." Thompson bezeichnete Diess als "besonnenen und anständigen Menschen". (dpa)
Herbie