Paukenschlag in Wolfsburg: Herbert Diess tritt als Vorstandschef des Volkswagen-Konzerns ab. Der 63-Jährige habe sich mit dem Aufsichtsrat darauf verständigt, zum 1. September 2022 auszuscheiden, teilte das Unternehmen am Freitagabend überraschend mit. Nachfolger werde Porsche-Chef Oliver Blume.
Die Entscheidung sei "im gegenseitigen Einvernehmen" erfolgt, hieß es aus der Unternehmenszentrale. Der frühere Bosch- und BMW-Manager Diess war Mitte 2015 zu Volkswagen gekommen. Zunächst fungierte er als Vorsitzender des Markenvorstands VW Pkw, im April 2018 übernahm er die Konzernleitung von Matthias Müller.
Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch dankte Diess. Dieser habe "sowohl in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Marke Volkswagen als auch des Konzerns die Transformation des Unternehmens maßgeblich vorangetrieben." Diess schob den Umbau von VW in der E-Mobilität maßgeblich voran. Allerdings gab es zuletzt auch etliche Probleme, vor allem bei der stockenden und sich nochmals verteuernden Entwicklung eigener Software- und IT-Systeme.
Der Konzern und seine Marken seien zukunftsfähig aufgestellt, die Innovations- und Ertragskraft gestärkt, betonte Pötsch. Mit der Personalentscheidung leite der Aufsichtsrat zugleich einen Generationswechsel im Topmanagement ein.
Wie der Konzern weiter mitteilte, soll Blume in Personalunion Porsche-Chef bleiben und den Stuttgarter Hersteller auch nach einem möglichen Börsengang führen. Die Kontrolleure hätten bei ihrer Sitzung zudem beschlossen, dass VW-Finanzchef Arno Antlitz ihn "im operativen Tagesgeschäft" unterstütze.
Oliver Blume ist Produktionsexperte
Blume ist seit 1994 im Konzern. Er arbeitete auch schon für Audi und Seat. 2015 wurde er Chef der renditestarken Tochter Porsche. 2018 bekam er einen Sitz im Konzernvorstand. Der 54-Jährige ist Experte für Produktion und hat enge Kontakte sowohl zu den Eigentümerfamilien Porsche/Piëch als auch zur Belegschaftsvertretung.
Blume hatte bereits länger als möglicher Nachfolger von Diess gegolten. Sein Name war hinter den Kulissen mehrmals gefallen, als sich ein Konflikt zwischen Diess und dem mächtigen Betriebsrat um mögliche neue Sparprogramme im vergangenen Jahr hochschaukelte. Bereits davor hatte es heftige Meinungsverschiedenheiten mit Teilen des Aufsichtsrats über die weitere Strategie und über einen möglichen drastischen Arbeitsplatzabbau beim größten Autohersteller Europas gegeben.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der das Land als zweitwichtigsten Eigner im Aufsichtsrat vertritt, zollte Diess Respekt. Er habe dem Unternehmen den Anstoß für wesentliche neue Vorhaben gegeben. Über Blume sagte Weil: "Ich bin zuversichtlich, dass er den Konzern mit Umsicht und Weitblick im Team mit dem Vorstand, in guter Kooperation mit dem Betriebsrat und mit sehr viel Wertschätzung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen wird."
Der IG-Metall-Vorsitzende und Vizechef des Aufsichtsrats, Jörg Hofmann, betonte, Volkswagen müsse "neben seiner technologischen Favoritenrolle auch der sozialen Vorbildrolle gerecht werden". Ähnlich äußerte sich Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Der Umbruch in der Branche sei schwierig. VW müsse gestärkt aus ihm hervorgehen. "Unser Anspruch ist es aber ebenso, dass dabei trotz der großen Herausforderungen Beschäftigungssicherung und Wirtschaftlichkeit gleichrangige Unternehmensziele bleiben."
Rudi S.
Henry
Annotator