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Tradition: 70 Jahre Alfa Romeo Giulietta

09.04.2024 08:40 Uhr | Lesezeit: 4 min
Es wird gefeiert: 70 Jahre Alfa Romeo Giulietta
© Foto: Alfa Romeo

Es waren Unternehmen wie Alfa Romeo, die Mailand zu einer globalen Kapitale modernen Industriedesigns machten. Alfa trug Milano im Logo und lancierte 1954 die elegante Giulietta als erstes Großserienmodell, das von gleich drei legendären Designern – Bertone, Pininfarina und Zagato – in unvergänglich schöne Formen gebracht wurde.

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Heute liegt der Sitz von Alfa Romeo in Turin, aber alle Alfisti wissen: Die Wurzeln der Traditionsmarke finden sich in Mailand, diesem nicht nur zur Milano Design Week global gefeierten Hotspot avantgardistischen italienischen Industriedesigns. Vor genau 70 Jahren war es das erste echte Volumenmodell von Alfa Romeo, das den Aufstieg Mailands zur internationalen Designkapitale beschleunigte: Die Giulietta wurde von der Fachwelt als „bella figlia di Milano“ – Mailands schöne Tochter – gefeiert. Tatsächlich begeisterten die ebenso grazilen wie eleganten Formen der gerade einmal 3,80 bis 4,12 Meter messenden Giulietta-Modelle nicht nur in Europa, auch in Nordamerika erregten die kompakten Alfa Aufsehen.

Sogar Japans Designer bewunderten die Giulietta, dank der sich Alfa Romeo von der Nobelmarke zum Großserienhersteller mit Premiumimage transformierte. Eine ganze Galerie genialer Formenkünstler beteiligte sich an der Kreation der insgesamt sechs Karosseriekonzepte für die Giulietta. Den Anfang machte das Coupé Giulietta Sprint, gezeichnet von Mario Boano und gebaut bei Nuccio Bertone, dessen Meinung über Coupés Legende ist: „Ein Traum für jeden Designer, das Schönste, was es gibt“. Es folgte 1955 die filigrane viertürige Giulietta Berlina, die mit 1,3-Liter-Motor aus der Werkstatt des Alfa-Chef-Technikers Orazio Satta Puglia zum Urmaß der späteren GTI-Fraktion avancierte. Pininfarina lieferte 1956 einen Spider für sonnensüchtige US-Kunden, die Carrozzeria Colli lancierte 1957 den Kombi, Zagato einen Leichtmetall-Renner, und die Giulietta Sprint Speciale zitierte die aerodynamischen Alfa B.A.T. Modelle des Franco Scaglione.

Beginn einer Erfolgsgeschichte

Allerdings war dies nur der Beginn einer außergewöhnlichen Erfolgsgeschichte, denn auf die erste Giulietta (Tipo 750/101, gebaut 1954-1965) folgte die von Ermanno Cressoni keilförmig gezeichnete Nuova Giulietta (Tipo 116, gebaut 1977-1985) und schließlich eine fünftürige Giulietta (Tipo 940, gebaut 2010-2020), die wieder als Einstiegsmodell in die Alfa-Welt fungierte und mit der die Giulietta-Baureihe nach drei Generationen die magische Marke von einer Million produzierter Einheiten knackte. Gerüchte wussten schon bei dieser von Alessandro Maccolino in rundlichen Konturen gestalteten Giulietta, dass Alfa Romeo sein Einstiegsmodell eigentlich Milano nennen wollte. Dazu kommt es allerdings erst heute: Der erste vollelektrische Alfa trägt nun tatsächlich den Namen Milano und zollt so der Heimat von Alfa Romeo Referenz.


70 Jahre Alfa Romeo Giulietta

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Zurück zu den Wurzeln also, damals als die erste Giulietta das Alfa-Stammwerk in Mailand in die Ära der Massenproduktion katapultierte und die italienischen Modelle erstmals in größeren Zahlen nach Germania kamen. Importiert wurde das "Julchen", wie deutsche Tifosi Alfas Sportfamilie aus Coupé, Cabrio, Berlina und Gran Turisme nannten, ab 1954 zunächst von Auto-König in München. Dann sorgten 1958 die Neckarsulmer NSU-Werke für Schlagzeilen: Der Zweiradgigant und Kleinwagenspezialist (NSU Prinz) ergänzte sein Vertriebsportfolio plötzlich um Alfa Romeo, "eine der bestrenommierten Automobilmarken der Welt, die mit NSU eine Seelenverwandtschaft gemein hat, die sich in ihrer Liebe zu sportlichen Motoren und Renn- und Sporterfolgen manifestiert."

Anfangs hoffte NSU sogar auf eine Montagefertigung der Giulietta in Neckarsulm, schließlich verteuerten Zoll und Steuern den Preis der sportiven Mailänderin hierzulande um rund 20 Prozent. So kostete das Giulietta Sprint Coupé mehr als ein Porsche 356, der Spider kaum weniger als der leistungsstärkere Mercedes 190 SL und die kleine viertürige Berlina war teurer als das große Opel-Flaggschiff Kapitän. Dennoch avancierte die Giulietta, speziell als 48 kW/65 PS starke Topversion t.i. (Turismo Internazionale) zum "Lieblingswagen nicht nur der Sportler, sondern auch der Geschäftsleute“, wie die Alfa-Romeo-Werbung erklärte, die zugleich auf die „verblüffende Höchstgeschwindigkeit von 155 km/h" verwies. Tatsächlich war die hübsche Mailänderin flotter unterwegs als etwa Borgwards gefeierte Isabella TS.

Alfa Romeo
© Foto: Alfa Romeo

"Ein Wagen, der alle Rennen gewinnt", jubelte die Alfa-Werbung und erklärte, warum die Giulietta längst in eine Hall of Fame des Motorsports gehörte: "Aufs geradewohl der Siegerliste des Sportjahres 1959 entnommen: 106 Siege in seiner Kategorie, 32 absolute Siege, 6 Meisterschaften außerhalb Italiens, 5 Meisterschaften in Italien. Kommentar überflüssig!" Tatsächlich war die Karriere der kompakten 1,3-Liter-Sportlimousine eindrucksvoll, aber auch als Coupé Sprint verschaffte sich die Giulietta den Respekt etablierter Rivalen wie Porsche 356 oder MGA. Jenseits des Atlantiks reüssierte die Giulietta speziell als Spider, eine Karosserievariante, die der genial erfolgreiche US-Importeur Max Hoffman (er initiierte auch den Vertrieb von Mercedes SL und BMW 507) angeregt hatte. Realisiert wurde der Dolce-Vita-Roadster durch Pininfarina und dies in derart begehrenswerten Formen, dass die Bestelleingänge für das kostspielige Cabrio die Produktionskapazität weit übertrafen.

Damit nicht genug an schönen und schnellen Mailänder Spezialitäten, mit denen sich damals Filmstars wie Sophia Loren oder der erste Formel-1-Weltmeister Giuseppe Farina schmückten. Es folgten noch die auf 74 kW / 100 PS leistungsgesteigerte Rennsportversion Giulietta Sprint Zagato (SZ) mit rundlicher Alukarosserie und die ebenso starke Giulietta Sprint Speciale (SS) in betont aerodynamischen Konturen sowie nochmals nachgeschärfte Sprint Veloce Typen von Zagato. Dagegen diente der beim Karossier Colli nur wenige Jahre gebaute Kombi Giulietta Promiscua vor allem im Behördeneinsatz. Als Alfa Romeo 1962 mit der etwas größeren Giulia eine Nachfolgerin für die Giulietta vorstellte, war deren Karriere noch nicht zu Ende. Die belle macchine durften noch drei Jahre länger leben, nahmen dafür teilweise sogar den Vornamen Giulia an.  

Alfa Romeo: Anhaltende Wertschätzung

Im Jahr 1977 wurde dann wiederum Giulia durch eine Nuova Giulietta (Tipo 116) ersetzt, die nun im neuen Werk Arese gebaut wurde. Noch ungewohnter war "La Linea", wie Alfa die markante Keilform dieser ausschließlich viertürig lieferbaren Giulietta nannte. Dann aber fuhr die schnelle Transaxle-Limousine doch noch mit Vollgas in die 1980er und gewann Deutschland als wichtigsten Exportmarkt. Dort erzielte sie mit agilen Motoren und aufwändiger De-Dion-Hinterachse bis 1985 Achtungserfolge gegen Audi und BMW. Die von 2010 bis 2020 in immerhin rund 470.000 Einheiten verkaufte dritte Giulietta bereitete dagegen den Boden für den neuen Alfa Milano.

Welche Wertschätzung die vor 70 Jahren vorgestellte Giulietta Sprint noch heute genießt, erklärt Nicolas Ziegler von der Bewertungsorganisation Classic Analytics: "Von diesem Design und dieser Technik konnten Käufer deutscher Sportcoupés in den 50er Jahren nur träumen – und beim Träumen blieb es meistens auch wegen des vergleichsweisen hohen Neupreises. Das Giulietta Coupé gehört seit Jahrzehnten zu den beliebtesten italienischen Klassikern und kostet heute im guten Zustand etwa 65.000 Euro."


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