Von Peter Maahn/SP-X
Für den echten Alfinisti ist dieses Auto wohl ein Schock. Ein hochbeiniges SUV darf das Logo einer Marke tragen, die seit Jahren auf ihre sportlichen Gene setzt. Alfa-Chef Reid Bigland, der im Fiat-Konzern auch für Maserati zuständig ist, hat schnell tröstende Worte bereit: "Unser Stelvio setzt in der kleinen Familie sportlicher SUV neue Maßstäbe. Er ist stärker und spurtschneller als ein Porsche Macan". Das gilt zumindest für den Super-Stelvio, der jetzt bei der Premiere auf der Autoshow in Los Angeles auf die Bühne rollte. Wie bei Alfa üblich trägt das Spitzenmodell den Beinamen Quadrifoglio (vierblättriges Kleeblatt) und protzt mit einer Leistung von 375 kW / 510 PS, die er aus seinem 2,9-Liter-Sechszylinder mit Doppelturbo holt. Ferrari, eine weitere Fiat-Marke, hat bei der Entwicklung hilfreich Hand angelegt. Der Motor ist schon aus der Limousine Giulia bekannt, glänzt mit einer Durchzugskraft von 600 Newtonmetern, ist sicher auch im schwereren Stelvio für Tempo 300 und einen Spurt auf 100 km/h in knapp vier Sekunden gut.
Ein Sportwagen für den Nürburgring ebenso wie für verschlammte Pisten. Denn der Neuling hat den bereits aus dem Giulia bekannten Allradantrieb geerbt. Unter Normalbedingungen wird der 4,68 Meter lange Stelvio vornehmlich von der Hinterachse her angetrieben. Geht die Haftung verloren, kann bis zu 50 Prozent der Kraft gen Bug transferiert werde. Zu dem ausgeklügelten System gehören auch noch ein elektronisches Sperrdifferential am Heck, kombiniert mit einem aktiven "Torque Vectoring" (Lenkeffekte in Kurven durch gezielte Umverteilung der Antriebskraft auf einzelne Räder). All das verspricht auf dem Papier ein Höchstmaß an agiler Wendigkeit bei der Kurvenhatz. "Wir werden auf dem Nürburgring zeigen, dass der Stelvio neue Bestmarken setzen wird", verspricht Markenchef Bigland, räumt aber ein, dass sein Sport-SUV die legendäre Rennstrecke bisher nur im Simulator gerockt hat.
Soweit so gut, zumindest für jene eingefleischten oder neu eroberten Alfa-Fans mit dickem Geldbeutel, die unbedingt einen Allradler mit mehr als 500 PS besitzen wollen. Viel wichtiger als ein solcher Kraftprotz, der wohl gut 80.000 Euro kosten wird, sind die Normalversionen. Sie sollen im Hause Alfa endlich wieder für nennenswerte Verkaufszahlen sorgen. Wobei sich Reid Bigland noch nicht in die Karten gucken lässt. Er bestätigt zumindest, dass auch der 206 kW / 280 PS starker Zweiliter-Turbo für den Stelvio zur Wahl steht. Klar doch, der Top-Manager spricht in den USA, wo Dieselmotoren derzeit nicht hoch im Kurs stehen.
Für Europa wird wohl der 2,2-Liter-Diesel mit 154 kW / 210 PS die erste Wahl sein. Welche weiteren Triebwerke aus dem prallen Giulia-Angebot auch für den Neuling bestellt werden können, bleibt noch ein Geheimnis. Fest steht aber, dass Allradantrieb in den schwächeren Versionen, wenn überhaupt nur gegen Aufpreis zu haben sein wird. Da sich Alfa bei seiner Preisgestaltung am BMW X3 minus zehn Prozent orientiert, dürfte das Eintrittsgeld für den Stelvio bei etwa 40.000 Euro beginnen. Schließlich zählt sich Alfa laut Reid Bigland zur sogenannten Premium-Klasse, wo alles ein wenig teurer sein darf.
Verantwortung gegenüber der ruhmreichen Geschichte
Was immer auch unter dem Blech lauert, zunächst muss die sorgsam gezeichnete Außenhaut für Aufmerksamkeit sorgen. Chef-Designer Klaus Busse, der über Mercedes, Chrysler und Jeep bei Alfa landete, beschwört die "Verantwortung, die wegen der ruhmreichen Geschichte auf seinem Team lastete". Heraus kam ein recht kompakt wirkendes SUV, das viele Details mit dem technisch so eng verwandten Giulia teilt. Nicht nur die Gestaltung des Innenraums gleicht der Limousine, auch Front- und Heckpartie wurden weitgehend übernommen. Die angeschrägte Heckscheibe steht für sportive Dynamik und lässt durchaus Vergleiche zum Porsche Macan zu. Das Gesicht wird durch den zu neuer Größe gewachsenen typischen Alfa-Grill dominiert, der seit dem Giulia wieder vor stolz getragen werden kann. Da der Stelvio vier Zentimeter länger ist, sitzt man auch im Fond recht komfortabel. Auf den ersten Blick jedoch erscheint der Gepäckraum eher überschaubar. Das gleiche gilt für das Angebot an Assistenzsystemen, die in den Preislisten der angepeilten Rivalen reichhaltig zu finden sind, beim Stelvio dagegen recht bescheiden ausfallen. Hier gibt es ebenso Nachholbedarf wie beim Thema Gestaltung des Navigationsbildschirms oder beim Thema Vernetzung mit der virtuellen Außenwelt.
Dennoch muss sicher nicht der Beruf eines Propheten erlernt werden, um dem Stelvio in der künftigen Alfa-Verkaufshitparade den Platz eins vorherzusagen. Der Trend zu immer mehr SUV auf unseren Straßen spielt dem Späteinsteiger aus Italien in die Karten. Die Schwestermarke hat's vorgemacht. Das erste SUV mit Namen Levante wurde auf Anhieb das meistverkaufte Maserati-Modell.